Erstellt am: 29. 9. 2011 - 23:30 Uhr
Journal 2011. Eintrag 178.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit einer Fußball-Geschichte, die aber mehr mit dem Leben als mit dem Spiel zu tun hat.
Es war eine kleine Anmerkung mitten im Spiel der Austria Wien bei Malmö FF. Man möge, meinte der gut informierte TV-Kommentator, doch auf die Klebestreifen unter den Krägen der himmelblauen Trikots der Malmö-Akteure achten. Die würden eine kleine Flagge überdecken, auf Geheiß der UEFA, die die Champions League und eben auch die Europa League veranstaltet, in deren Rahmen dieses heutige Match stattfand.
Die Flagge drunter sieht so aus wie die meisten skandinavischen: sie zeigt ein skandinavisches Kreuz. Im konkreten Fall ein gelbes (oder, nach Interpretation, goldenes) auf rotem Grund.
Diese Flagge ist die der Region Skåne, der südlichsten Provinz Schwedens. Und genau die wollte die UEFA überklebt haben.
Klingt aufs erste nach einer völlig bescheuerten Einmischung einer wichtigtuerischen Behörde, ein bissl nach der gurkenkrümmenden EU, nach dem Diktat von Brüssel. Weil aber jedes Kind selbstverständlich weiß, dass die Sache mit der Gurkenkrümmung eine urban legend ist, lohnt sich auch hier ein Blick auf die Hintergründe.
Warum lässt die UEFA eine Regionalflagge überkleben?
Denn natürlich ist die UEFA, der europäische Fußball-Verband, also die fußballerische Entsprechung der regulierenden EU, auch eine anstrengende Bande - genau wie der Weltverband, die FIFA, die mit Korruptionsvorwürfen überhäuft wird. Also Organisationen, die heftig kontrolliert und hinterfragt werden müssen.
Bei aller nötigen Kritik darf man aber nicht vergessen, dass diese mächtigen Verbände unter anderem ein Prinzip hochhalten: die Politik raushalten aus den Fußball-Verbänden. Und zwar radikal.
Wenn jemand auf ein paar Worten zu den heutigen Spielen bestehen sollte, bitte sehr: die drei Siege der österreichischen Teams in der 2. Euro-League-Runde erzählen uns ziemlich dasselbe wie die drei Niederlagen aus Runde 1.
Dass man sich aktuell in der in der Güteklasse 4 befindet und sich somit damit begnügen muss jeweils den zweiten Platz ihrer Gruppen anzustreben, obwohl es eher der dritte werden wird.
Das erzählen die doch klaren Runde1-Niederlagen gegen die Güteklasse 3-Teams ebenso wie die zwei doch recht glücklichen Siege gegen Güteklasse 4-Mitkonkurrenten (Malmö, AEK) und der Erfolg gegen Slovan aus der Klasse 5.
Immerhin befinden sich die Vereine damit aktuell auf Platz 14 des UEFA-Rankings - und der würde 5 Startplätze garantieren. Platz 13 würde zudem einen Champions-League-Fixplatz bedeuten. Der neue Modus der UEFA ist gut zu den Kleinen.
Die Macht dazu haben FIFA und UEFA bis zu einem gewissen Grad: denn schon die reine Androhung des Ausschlusses aus den internationalen Bewerben ist ein echter Joker.
Nun ist die Frage ob es besser ist den Fußball einer korrupten und den Sport instrumentalisierenden Regierung oder einem korrupten Verband zu überlassen, die Wahl zwischen Pest und Cholera - das Prinzip dahinter ist aber achtbar.
Die egalitäre Politik der Nicht-Politik-Einmischung
Das entstammt dieser Idee hinter dem Fußball: dass dieses Spiel, das besser als jedes andere soziale und gesellschaftliche Strukturen widerspiegelt, unter egalitären Vorraussetzungen stattfindet, quasi nach den Prinzipien der Französischen Revolution. Das schlägt sich in der Einfachheit der Regeln und weltumspannend ähnlichen Strukturen nieder und trägt einiges dazu bei, dass Fußball überall funktioniert.
Diese Idee ist es, die den Fußball von politischen und staatlichen Mechanismen freispielen will (wenn man schon den ökonomischen eh nicht entkommt). Deshalb die strikte Unabhängigkeitsanforderung für die Verbände. Deshalb das strikte Verbot für politische Kundgebungen.
Und deshalb die Sache mit der Flagge.
Denn Skåne ist nicht nur eine Provinz, in der sich mit Malmö, Kristiansand, Trelleborg, Helsingsborg, Lund oder Landskrona wichtige Städte befinden, Skåne ist auch die historische Region Schonen, die sich auf die gemeinsame Geschichte mit Dänemark und der altdeutschen Region Ostpommern beruft, und deren Autonomie-Bestrebungen schon einmal mit einem politisch fragwürdigem Anstrich daherkommen. Denn schließlich lauert da im Hintergrund die alte pangermanistische Idee der Nordischen Union, auf deren Basis ja auch die verwirrten Kreuzritter, die eine völkische Lösung anstreben, operieren.
Alter und neuer Pan-Germanismus
Ich möchte das mit der Instrumentalisierung der historischen Region Padanien durch die Lega Nord vergleichen. Und natürlich spielt in diesen populistischen Muskelspielen auch immer der Sport eine Rolle. Padanien spielt selbstverständlich auch Fußball und zwar anders als die stolzen spanischen Provinzen mit ihren Auswahlen auch ganz bewusst international.
Nun ist die kleine Provinz-Flagge unter dem Kragen des Malmö-Trikots sicher kein provokantes Pro-Breivik-Statement und wahrscheinlich überhaupt kein politisch gesetzter Akt.
Aber mir ist es beim Arsch lieber, dass die prinzipielle Wichtigmacherei der UEFA dafür gesorgt hat, dass es päpstlicher als im Vatikan zugeht und etwas, was durchaus auch missbräuchlich verwendet werden könnte, sicherheitshalber überkleben lässt, als sich der allgemeinen Isdochwurscht-Attitüde, die sich hauptberuflich im Wegschauen und Nicht-Nachhaken erschöpft, hinzugeben.