Erstellt am: 30. 9. 2011 - 13:46 Uhr
Sicherheitsverwirrung 2010
580 Tathandlungen, wie es im Amtsdeutsch heißt, wurden letztes Jahr zur Anzeige gebracht, im Jahr 2009 waren es noch 453 gewesen. Und die Zahl der Anzeigen ist sogar um 31% gestiegen – das hat der Sicherheitsbericht 2010 ergeben, den Innenministerin Mikl-Leitner Anfang der Woche präsentiert hat. Um mehr als ein Viertel sind die angezeigten Taten mit rechtsextremem, fremdenfeindlichem oder rassistischem, islamophobem oder antisemitischem Hintergrund angestiegen – das alles innerhalb von einem Jahr.
Das kann mehrere Gründe haben – entweder, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Österreich wirklich so stark zunehmen – oder, dass die Bevölkerung aufmerksamer reagiert und deswegen mehr Vorfälle bei der Polizei landen.
Bundesministerium für Inneres
"Alles halb so wild"
erklärt mir eine freundliche Dame von der Pressestelle des Innenministeriums am Telefon, denn die Steigerung ergebe sich rein aus der Statistik. Die sei nämlich, so hat sie von zuständigen Kollegen erfahren, im letzten Jahr umgestellt worden: seitdem werde nicht mehr jede angezeigte Tat gerechnet, sondern jede an der Tat beteiligte Person extra.
Ein kleines Beispiel: Wenn drei Menschen eine Parkbank mit Hakenkreuzen beschmieren und zwei von ihnen dabei rassistische Parolen grölen, dann sind das: drei Personen, eine Tathandlung, zwei Delikte – und, nach der neuen Zählweise: fünf Anzeigen. Offen bleibt zunächst, wie viele Anzeigen nach der alten Berechnung gezählt wurden. Drei? Zwei?
Drei verschiedene Antworten
Nach mehr als zehn Telefonaten habe ich zu dieser Frage drei verschiedene Antworten, von denen sich eine am nächsten Tag als falsch herausstellt, eine als fast richtig und eine als die wahrscheinlichste, nämlich: das könne man nicht so genau sagen. Denn es könne ja auch sein, dass es doch zwei oder gar drei Tathandlungen waren, das hänge von der Motivation der Täter und den näheren Umständen ab. Dem entsprechend verändere sich dann auch die Zahl der noch 2009 gezählten Anzeigen. Darum könne man nicht nur die Zahl der Anzeigen nicht vergleichen, sondern auch die Zahl der Tathandlungen. Und das sei auch der Grund, warum das Innenministerium auf die neue Zählweise umgestellt hat. Klingt ja sinnvoll, oder?
Aber es bleiben weitere Fragen: Warum hat man nicht zumindest ein Jahr nach beiden Zählmethoden ausgewertet, damit man die Zahlen vergleichen kann? Was bringt eine veröffentlichte Statistik, wenn man die Zahlen eh nicht vergleichen kann? Warum lässt die Ministerin diese Zahlen in der Öffentlichkeit so stehen wenn sie nicht vergleichbar sind?
Auf die erste Frage heißt es: Dann komme bei der Polizei ja vor lauter Statistik erstellen gar niemand mehr zum ermitteln. Da veröffentlicht man also lieber eine Statistik, mit der niemand was anfangen kann. Ob das der richtige Umgang mit dem Thema Transparenz ist? Schließlich ist in einer Demokratie ja die Regierung den BürgerInnen zur Rechenschaft verpflichtet.
Alles wird besser - ganz bestimmt
In Zukunft, heißt es, soll alles besser werden, weil die neue Zählmethode viel genauer ist als die alte. Ob das reicht? Der Verein ZARA zum Beispiel hätte gerne eine Statistik, die rechtsextremistische, fremdenfeindliche, rassistische, islamophobe und antisemitische Delikte nicht in einen Topf wirft. Die nicht nach Paragraphen differenziert, sondern danach, was wirklich passiert ist: die Statistik unterscheidet nämlich nicht, ob jemand wegen seines Geschlechts, seiner Hautfarbe oder seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert wurde - weil alles im selben Paragraf geregelt ist. Man brauche statt dessen systematische und verlässliche Statistiken über Ausmaß und Schwere rassistischer Vorfälle, um wirklich gegen Rassismus vorbeugen zu können. Doch die, sagt ZARA, gab es 2009 nicht und gibt es auch heute nicht.
Aber vielleicht braucht man in einem Land, in dem man Politik für das Sicherheits-Gefühl der Bevölkerung macht, gar keine Zahlen über die Sicherheits-Wirklichkeit. Würde doch nur Verwirrung stiften.