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Conny Lee

Prokrastinative Hinterstübchen des Alltags

30. 9. 2011 - 17:37

Black Hole - eine Horror-Graphic Novel

Körperteile verformen sich, Haare wachsen - die Pubertät kann gruslig sein.

In einem Vorort von Seattle, Mitte der 70er Jahre, breitet sich unter Teenagern ein Virus aus, das durch Sex übertragen wird. Sie nennen es die "Teenager-Pest" oder auch "den Bazillus". Die Krankheit führt zu körperlichen Deformationen, sieht aber bei jedem anders aus. Auswüchse, Tentakel, Geschwülste, ein Mädchen kann ihre Haut ablösen wie eine Schlange, einem Jungen wächst ein zweiter Mund am Hals.

bild aus "Black Hole"

Reprodukt

"normal" und infiziert

Einige der Infizierten können ihre Mutation verbergen und ihren normalen Alltag weiterführen, andere werden durch die Krankheit so schlimm entstellt, dass sie von ihrer Umwelt als Aussätzige behandelt werden. Unter den Teenagern ist die Krankheit bekannt, Eltern, Lehrer und andere "Erwachsene" scheinen allerdings nichts davon mitzubekommen. Die Jugendlichen wenden sich auch nicht an sie um Hilfe. Sie flüchten eher in den Wald, ins Exil. Dort wähnen sie sich in Sicherheit vor dem Spott der anderen, aber wie wir aus Horrorfilmen wissen, ist der Wald alles andere als ein sicherer Ort.

Die 70er-Jahre-Ästhetik in "Black Hole" erinnert uns an Horror-Filme aus dieser Zeit wie "The Last House on the Left", "Carrie" oder "Halloween". Die ideologische Triebkraft der 1960er ist verschwunden. Übrig bleiben nur die Drogen, der Sex und etwas von der Musik.

bild aus "Black Hole"

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Doch zusätzlich zu dieser bedrohlichen 70er-Jahre-Atmosphäre, die einem sofort Michael Myers in den Nacken setzt, schafft Charles Burns beim Leser Unbehagen durch die verstörenden Bilder deformierter Teenager-Körper. Die Mutationen und Missbildungen stellt Burns mit glatten Linien und harten Konturen dar. In seinen schwarz-weißen Illustrationen überwiegt meist der Schatten. Seine klare, glatte Darstellungsweise steht im Kontrast zu den dargestellten verfremdeten Körpern.

bild aus "Black Hole"

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Nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die inhaltliche Abarbeitung des eigenen Körpers, der plötzlich fremd wird, legt den Vergleich mit Kafkas "Verwandlung" nahe. "Black Hole" ist voll von Horrorvisionen, Alpträumen und freud'scher Symbolik (die sich nicht unbedingt subtil abzeichnet).

bild aus "Black Hole"

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Ein sezierter Frosch, ein Schnitt im Fuß, sich abschälende Haut, ein weibliches Geschlechtsteil - alles "black holes"
bild aus "Black Hole"

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Chris schält sich aus ihrer Haut.

Aber hinter all dem expliziten Körperhorror, unter den Tentakeln, Beulen, Pusteln und Hautfetzen, steckt eigentlich das nur allzu vertraute Gefühl von Teenage Angst. Das Grauen vor dem eigenen Körper, das Hadern mit den Veränderungen, die plötzlich über einen hereinbrechen im Zuge des Erwachsenwerdens. Die Pubertät als grauenhafte Krankheit ist der Kern, um den "Black Hole" kreist. Sie sieht bei jedem anders aus und jeder geht anders damit um. Die Betroffenen müssen alleine damit klarkommen, was manchen besser gelingt und anderen weniger.

"Ich war dabei, kapiert? Mann, die Hälfte meiner Freunde ist daran verreckt. Ich hätte nie gedacht, dass ich aus der ganzen Scheiße je wieder rauskomme... Aber eines Tages begannen die Dinger in meinem Gesicht zu verheilen, und ein paar Monate später war ich ganz gesund und hab mit all den Scheißnormalos rumgehangen wie früher."
Klappentext, "Black Hole", Reprodukt Verlag

Gelungen ist Charles Burns auf jeden Fall eine eindringliche Graphic Novel, geeignet sowohl für Freunde des Genres als auch für Neueinsteiger, besonders empfehlenswert aber für alle, die meinen, sie wären gerne noch einmal 16.