Erstellt am: 29. 9. 2011 - 15:52 Uhr
40 Jahre Computervirus
Computerviren gibt es seit den ersten Versuchen, Rechenmaschinen zu vernetzen: Im Jahr 1971 schreibt Bob Thomas das Computerprogramm "Creeper" und verbreitete es im Arpanet, dem Vorläufer des Internet. Es läßt den Text "I am the creeper, catch me if you can" auf dem Bildschirm erscheinen und bringt angeschlossene Drucker durcheinander. Vor allem aber repliziert sich das Programm selbst - der Grund für den später verwendeten Begriff "Virus".
Forschung
Creeper und andere Viren dienen in den siebziger Jahren noch ausschließlich Forschungszwecken und sind nicht darauf ausgelegt, wirklichen Schaden anzurichten. Auch 40 Jahre später werden solche Viren zu Forschungszwecken noch gemacht, sagt Otmar Lendl vom Computer Emergency Response Team Austria (CERT): "Es ist ein ständiger Wettlauf. Beispiel: In den letzten Jahren hat Microsoft sehr viel unternommen, um Windows gegen Angriffe abzusichern. Von der Adress-Space-Randomisierung über Codeausführungs-Verweigerung auf manchem Memory. Und die Forscher haben sich durchaus schon überlegt: Kann ich denn das überwinden? Also entsteht auch wieder neue Beispiel-Schadsoftware, die nicht im Umlauf ist."
Sport
Ab den achtziger und frühen neunziger Jahren werden Viren meistens so geschrieben, dass sie Computer-Betriebssysteme komplett ausser Gefecht setzen können. Für die Programmierer und Hacker ist das nun vor allem Spaß und sportliches Kräftemessen untereinander. Ein Wettkampf, der ebenfalls heute noch existiert. "Und zwar auf mehreren Ebenen", sagt Lendl. "Einerseits gibt es im Web viele Gruppen, die sich damit brüsten, möglichst viele Websites zu defacen - mit Propagandasprüchen oder einfach einem Pwny. Andererseits gibt es auch im akademischen Umfeld regelmäßig Wettbewerbe, wer denn jetzt besser hacken oder verteidigen kann. Konferenzen wie PWN2OWN, bei der es darum geht, wer am schnellsten etwas hacken und übernehmen kann. Und da ist durchaus eine sportliche Komponente und Spaß dabei."
flickr.com/coachdanny
Kriminalität
Mitte der Neunziger erobert das World Wide Web den Alltag der Menschen. Nun werden die meisten Computerviren geschrieben, weil sich damit Geld verdienen läßt. Internet-Krminellen ist es wichtig, die Computer ihrer Opfer intakt zu lassen – denn infizierte Systeme sollen möglichst nachhaltig bewirtschaftet werden. Kriminelle bedienen sich ganzer Viren-Bausätze, mit denen im Internet gehandelt wird. Einer der bekanntesten ist Zeus. "Zeus ist insofern interessant, dass es den Browser unterwandert und dem Benutzer falsche Darstellungen einblendet. Zum Beispiel in einer Onlinebanking-Session: Sie machen Überweisungen und kriegen Anzeigen untergeschoben, die nicht von der Bank stammen, trotz SSL-Zertifikat, trotz grünem Schlüssel-Symbol. Damit lassen sich sehr effektiv Benutzer in die Irre führen und Geld abzweigen."
Cyberwar
In der jüngsten Vergangenheit haben Computerviren erstmals große Auswirkungen außerhalb des Internet: "Sasser" verursacht 2004 Unterbrechungen in der Satelitenkommunikation und damit die Absage tausender Flüge. 2010 beginnt die Ära der Cyberwaffen: Auf Tausenden Computern im Iran taucht das Virus "Stuxnet" auf. Sein ausgeklügelter Mechanismus legt die Zentrifugen zur Anreicherung von Uran lahm. Und die Spionage hat sich fast zur Gänze ins Internet verlagert, sagt Otmar Lendl: "All die Sachen, die früher mit Agenten gemacht wurden, sozusagen James Bond und die Cold-War-Spy-Stories, all das hat sich verlagert auf Netze, auf Schadsoftware, auf Angriffe auf Firmen und Behörden. Das geht massiv vor sich."
Mobiles
Immer stärker wenden sich Angreifer auch den mobilen Endgeräten zu. Sicherheitslücken von iPhone und Android werden benützt, um an Zugangsdaten von Bankkonten zu gelangen. Außerdem gibt es Smartphone-Viren, die Telefonnummern und E-Mail-Adressen des Geräts sammeln. Und sogar der alte "Dialer"-Trick, mit dem früher ahnunglose Modem-Besitzer auf kostenpflichtige Mehrwurt-Nummern umgeleitet wurden, erlebt am Smartphone gerade ein Revival. Mit zunehmender Rechenleistung werden die Smartphones außerdem immer interessanter als Bots für den Massenversand von Spam. Das Computervirus ist 40 Jahre alt, aber sein Ende ist nicht in Sicht.