Erstellt am: 28. 9. 2011 - 23:17 Uhr
Journal 2011. Eintrag 177.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit einem Eintrag aus Anlaß der aktuell stattfindenden Österreichischen Medientage.
Ich bin nie dort.
Bei Medientagen und -tagungen in Österreich; denen im Mainstream zumindest.
Im Gegensatz zu Veranstaltungen in Deutschland (vor allem den von Journalisten organisierten) wird dort nämlich nur in knappen Dosen Tacheles geredet; kaum jemals in den Panels oder Podiums-Diskussionen.
Faustregel: je höherkarätiger besetzt, desto blabla.
Das sieht dann so aus wie Wolfgang Fellners Auftritt in der ZiB24: Politiker-Sprech statt Überlegungen zu journalistischem Ethos oder gar Selbstreflexion; die Verteidigung von gesellschaftlich sanktionierten Geschäfts-Modellen und Partnerschaften mit der politischen und ökonomischen Elite. Ein System, das nicht-österreichische Medienfachleute schlicht als korrupt bezeichnen. Ein System, das alle Medien automatisch in ihr Spinnennetz zieht, ob die wollen oder nicht. Denn so etwas wie komplette Unabhängigkeit gibt es im Reich der absoluten Interdependenz, in Österreich also, nicht.
Das einzige, was an diesen Medientagen funktioniert ist das an Klassentreffen erinnernde Netzwerk-Element; und der Geschäftssinn: denn die Teilnahme an diesen Tagungen kostet, im Normalfall. Den Wichtigen wird das vom jeweiligen Medium bezahlt; die jungen Nachrücker, die glauben, dass es was bringt dort vor Ort zu sein, legen brav ab, aus eigener Tasche.
Medientage und andere Klassentreffen
Die Medientage eben, die morgen mit einem extra eingeschobenen "Online Day" zu Ende gehen, die stehen unter dem Generalthema "Mut". Das meint verlegerischen Mut und sortiert sich in Panels wie "Mut zur Diversifikation".
Die einzige journalistische Stelle, die über diese Medienkonferenzen lesbar berichtet (also ohne kriecherische Lobhudelei den eigenen Verlags-Vertretern gegenüber und ohne Berücksichtigung von verlagspolitischen Interessen) ist normalerweise die APA. Und deren RedakteurIn beginnt den Bericht mit einem durchaus knalligen Satz: "Mit Printprodukten bzw. Nachrichten allein können Verlagshäuser und Nachrichtenagenturen heute kaum noch überleben."
Das widerspricht den "Go West!"-Aufbruchs-Mantras, das die Branche nach solchen Konferenzen gern ausgibt, gehörig. Und pendelt sich endlich auf eine realistische Sicht ein.
Denn: auch weiterhin gibt es kein brauchbares Geschäftsmodell für Medien im Internet. Punktum.
Auch wenn sich aktuell ein neuer Geschäftszweig im Verband der Nepper & Bauernfänger gegründet hat, nämlich der der Neue-Medien-Gurus, die behaupten über dieses Geheimnis zu verfügen und damit tolle Touren durch leichtgläubige und digitalferne Verlagskreise bestreiten.
Es gibt kein Medien-Geschäftsmodell im Online-Bereich
Selbst intelligente Produkte wie das Global-Snob-Magazin Monocle fallen da drauf rein: in einer Cover-Geschichte über "The New Media Model" verspricht ein Chef-Checker der Chicago Tribune den Stein der Weisen auszulüften, erklärt zuerst zwei Seiten lang, was alles nicht klappt, um dann gegen Ende mit ein paar lahmen Ausnahme-Exempeln anzutanzen, die in kleinen Nischen, auf neuen Märkten oder in seinem Willen weiter eine Abo-Zeitung zu unterstützen, spielen.
Die von der Monocle-Redaktion begefügten tollen neuen Medien-Beispiele unterstützen das mit einer spanischsprachigen Radio-Station in LA, einem Plattengeschäft und einer Taschenbuch-Idee von Thalia, der deutschsprachigen Kette, die den Buchmarkt aktuell zu demolieren hilft.
Diese Nicht-Beispiele demonstrieren die Hilflosigkeit der Branche angesichts der immer deutlicher werdenden Sinnlosigkeit der Suche nach einem Geschäftsmodell im Online-Bereich. Da ist es egal, ob man Gratis- oder Bezahl-Modelle anbietet. Manche, wie der Kurier-Geschäftsführer verlassen sich auf Modelle, die schon in Deutschland nichts bewirken: nämlich die These, dass das Gratis-Online-Angebot des ORF alles Business verhindert.
Auch das wird nicht über die Kenntnisnahme der Tatsache, dass es schlicht und ergreifend kein Business gibt, nicht hinweghelfen.
Journalismus und Nicht-Journalismus
Angesichts der Wirrnisse rund um die aktuell augedeckte Geldschieberei zwischen Medien und öffentlicher Hand ist die Verzweiflung zwar nachvollziehbarer, aber das Gejammer nicht sinnvoller. Klar können Verleger im Netz niemanden so effizient abgreifen wie in ihren durch Markt-Manipulationen entstandenen Konglomeraten; dort funktioniert der alte Schmäh nicht.
Eugen Russ, der Mann, dem Vorarlberg gehört (verlagstechnisch) spekuliert mit einer Verlagerung der Kunden-Interessen am Web auf die mobilen Devices und will hier völlig neue "Serviceangebote" anbieten. Die haben mit Journalismus nix mehr zu tun - immerhin im Westen denkt da einer folgerichtig weiter.
In weiterer Konsequenz bedeutet das, dass sich die Medien-Branche in zwei Sparten aufteilen wird müssen:
- Sparte 1 treibt den Fellnerismus der Querfinanzierung weiter, imitiert den Dichandschen Machtspiel-Populismus oder folgt dem Rat von Russ. Dort wird dann kein Journalismus mehr angeboten, dort werden flache Kurz-News und von der politisch-ökonomischen Elite befürwortete Meinungsmache verkauft, dazu klinkt man sich in die Unterhaltungs-Elektronik-Software ein.
- Sparte 2 vertreibt weiter journalistische Nachrichten und Analysen, liefert Grundlagen für bewußt Lebende und Entscheidungsträger, hält mit dem Bekenntnis zur Informationspflicht und zur kritischen Hinterfragung die demokratiepolitische Aufgabe der Medien hoch. Auch dieser Bereich wird von der politisch-ökonomischen Elite gefördert werden, allerdings tendenziell über Steuern und Subventionen, Stichwort: Bildungsauftrag.
Sind die Verlage noch die Medien-Heimat der Zukunft?
Dass Sparte 2 nie die emotionale Macht wie Sparte 1 erreichen kann und nur darüber die Straße kontrolliert werden kann, nimmt ihr die Bedrohung - weshalb man sie auch besser dulden kann.
Ob das allerdings im Schoß der aktuell existierenden Verlage geschehen wird - das ist die große Frage. Denn im Gegensatz zu den klassisch-verlegerischen Strukturen etwa der deutschen Verlage, sind die hiesigen Counterparts an ihrer gesellschaftlichen Verantwortung eher mäßig interessiert.
Und so laufen die halbwegs relevanten Qualitäts-Produkte Gefahr die ersten Opfer der Nicht-Finanzierbarkeit von allesanbietenden Verlags-Häusern zu werden, jeden Tag, der mit Kopf-in-den-Sand-stecken vergeht, stärker.