Erstellt am: 29. 9. 2011 - 12:36 Uhr
Into the woods
Unlängst, beim ausführlichen Durchwühlen der Familienarchive, sind sie dutzendfach aufgetaucht: Fotos, die den Schreiber dieser Zeilen bei kindlichen Ausflügen in den steirischen Wäldern zeigen, manchmal mit einem kleinen Spazierstock in der Hand, der Bubenblick verträumt.
Auch heute noch, in diesen restlos aufgeklärten und gänzlich entzauberten Zeiten, ist wohl nicht nur für mich der Wald ein beinahe verwunschener, magischer Ort geblieben. Schon ein Blick aus dem Zugfenster bei Reisen durch heimische Landschaften vermag seltsame, sinistre und auch wunderbare Assoziationen zu triggern. Mit dem Wald ist eben ein kollektiver Vorrat an Sagen und Mythen verküpft, auf den besonders das Kino gerne zurückgreift.
Passend zum heurigen Jahr des Waldes und auf Initiative der Österreichischen Bundesforste taucht die Filmschau "Waldflimmern" nun in eine Welt ein, wo es nach Moos und Blättern riecht und der Bodennebel immer dichter wird.
Schikander Kino
Grimmige Märchen
"Wälder waren und sind seit jeher Quellen der Inspiration für Künstler jedweder Richtung gewesen", heißt es im Programmheft. "Zum einen mag dies auf ihre Unergründlichkeit zurückzuführen sein, zum anderen auch auf ihr erdgeschichtlich hohes Alter und die daraus resultierende mythologische Aufladung."
Und weiter: "Der Wald kann die verschiedensten Funktionen in der Kunst einnehmen: vom pittoresken Beiwerk über den Ort der Erholung, der Stille, der Träumerei bis hin zum Verursacher von Phobien und Urängsten. Ob im Märchenfilm oder im Drama, Fantasy, Thriller & natürlich Horror - der Wald ist ein nahezu unverzichtbares Element, selten nur als reiner Handlungsort, dafü̈r oft als eine wunderbar zurückhaltende Hauptfigur".
Tatsächlich pflegt besonders das Horrorkino ein ausgespochenes Nahverhältnis zum Wald, eine Beziehung, die bis zu Grimms grimmigen Märchen zurückreicht.
Schikander Kino
Rückzugsgebiet und Albtraumschauplatz
Der südkoreanische Gänsehautstreifen "Hansel und Gretel", einer der Filme aus dem "Waldflimmern"-Programm, greift vage Motive aus der klassischen Geschichte auf, spielt sich aber auch auf gruselige Weise mit dem im asiatischen Raum so beliebten zuckersüßen Kindchenschema. Auch Guillermo del Toro arbeitet in "Pan's Labyrinth" mit Märchenmotiven, verknüpft sie aber mit den realen Schrecken des Spanischen Bürgerkriegs. Der Wald wird für die kleine Protagonistin zum Fantasy-Rückzugsgebiet in einer untergehenden Wirklichkeit.
Fluchtpunkte bieten pittoreske Wälder auch in so unterschiedlichen Beiträgen zum "Waldflimmern"-Festival wie dem Anime-Meilenstein "Prinzessin Mononoke" oder der Astrid-Lindren-Verfilmung "Ronja Räubertochter". In Sam Raimis legendärem Splatter-Slapstick "Evil Dead 2" mutiert der Wald zum ultimativen Albtraumschauplatz.
Schikander Kino
Sehnsuchtsort und Dämmerzone
Mit dem fingierten Videoschocker "Blair Witch Project" gelang 1999 den beiden Jungregisseuren Eduardo Sanchez und Daniel Myrick der Durchbruch des Wackelkamerakinos. Auf der Suche nach einer geheimnisvollen Knusperhexe verirrt sich darin eine Gruppe Jugendlicher in den Wäldern von Burkitsville, das Böse bleibt im Off, ist aber omnipräsent bis zum bitteren Ende.
Ebenfalls undefinierbar bleibt das Grauen in Jessica Hausners Arthouse-Thriller "Hotel", von dem mir neben den sinistren Schauplätzen vor allem die ungemein stimmige Kamera von Martin Gschlacht in Erinnerung geblieben ist. Eine verstörende Sogwirkung, wie andere Waldschocker entwickelt der Film aber leider nie.
Gar nicht so düster ist die neuere Splatterkomödie "Tucker & Dale vs. Evil", in der die Muster des Genrekinos verdreht und zwei herzensgute Rednecks mit bösen Großstadtkids konfrontiert werden. In Matthew Lessners Lo-Fi-Film "The Woods" wird ein aktueller Trend auf die Schaufel genommen: Immer mehr Hipstermädchen und Buben zieht es hinaus in die Natur. Eine köstliche Satire, die beweist: Der Wald ist nicht nur Sehnsuchtsort und Dämmerzone, im Wald darf auch gelacht werden.
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"Waldflimmern" - Spielstätten & Termine:
29.9. bis 3.10.: Top Kino, Wien
6.10. bis 9.10.: Moviemento, Linz
13.10. bis 16.10.: Mozartkino, Salzburg
und im November im Leokino in Innsbruck.