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27. 9. 2011 - 16:31

Atomstrom-Check

Was kommt bei dir aus der Steckdose? KELAG, TIWAG und Verbund haben den höchsten Atomstrom-Anteil der heimischen Energieanbieter.

Das einzige Atomkraftwerk Östereichs in Zwentendorf ging nie in Betrieb. 74% der Bevölkerung sind laut einer Umfrage aus dem Juni 2011 gegen dem Import von Atomstrom nach Österreich. Obwohl die Ablehnung der Atomenergie hierzulande auf weltweit einzigartigem Niveau ist, halten mehrere Energieunternehmen beharrlich am Import von Atomstrom fest - freilich ohne das groß auf ihre Fahnen zu heften.

Eine Untersuchung der Umweltorganisationen Greenpeace und GLOBAL2000 zeigt nun, dass fünf der zwölf großen Energieversorger Österreichs Atomstrom anbieten: Die Kärntner KELAG, die Tiroler TIWAG, die Vorarlberger VKW, die oberösterreichische Energie AG und die in Wien ansässige Verbund AG. Letztere werbe zwar mit Bildern von Wasser, mit der Behauptung "100% Wasserkraft" und mit dem Begriff "H2Ö", habe aber über Umwege einen hohen Atomstromanteil, sagt Reinhard Urig von Global 2000: "Die Verbund Power Sales AG ist eine Tochtergesellschaft der Verbund AG, die 83 Prozent Strom unbekannter Herkunft hat. Das heißt: Der saubere Strom ist in der Muttergesellschaft, der dreckige Strom in der Tochtergesellschaft."

Greenpeace

Nach Österreich importierter Atomstrom wird hauptsächlich in den Nachbarländern produziert. Insgesamt entspricht der Atomstrom, der an die österreichischen Endkunden fließt, der Jahresstromproduktion des AKW Mochovce. Die Atomstrom-Importe tragen dazu bei, dass das Geschäft mit dem Atomstrom rund um Österreich weiter blüht.

Relevant für das Ranking im Atomstrom-Check ist nicht nur die Sauberkeit der gelieferten Energie, sondern auch die Kommunikation des Anbieters. Jurrien Westerhof führt hier die Tiroler TIWAG als Negativbeispiel an: Briefe der beiden NGOs wurden mit dem Verweis auf den Jahresbericht beantwortet, der Bericht jedoch glänzt mit bunten Bildern und wenig Information.

Zwei Firmen schneiden im Atomstrom-Check besonders gut ab: Die Firmen Ökostrom AG und AAE Naturstrom sind nicht nur atomstromfrei, sondern verzichten auch auf Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken. Stattdessen setzen sie zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien wie Wasser, Wind und Photovoltaik.

Ebenfalls keinen Atomstrom bieten die BEWAG, Wien Energie, EVN, die Salzburg AG und Energie Steiermark an. Sie erhielten in der Studie allerdings Minuspunkte für die Verwendung fossiler Energien.

Energie Steiermark ist darüberhinaus ein Sonderfall: Die Firma bietet in Österreich zwar keinen Atomstrom an, ist aber teilweise im Besitz des staatlichen Atomkonzerns EDF in Frankreich.

Nicht immer lässt sich der Ursprung des in Österreich angebotenen Stroms zurückverfolgen. Eine Kennzeichnungspflicht für Stromversorger gibt es nicht. Jurrien Westerhof: "Man kann Atomstrom umfärben in sauberen Strom. Das ganze wird statistisch überhaupt nicht erfasst. Wenn man nicht einmal herausfinden kann, um welche Strommengen es genau geht, muss man sich bewusst sein, dass dies von den Energieunternehmen schamlos ausgenützt wird, um Atomstrom zu kaufen und zu verstecken. Und um vor den Kunden so zu tun, als würde man sauberen Strom anbieten, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist."

Greenpeace

Weil in Temelín, Mochovce oder Krsko neue Reaktoren in Betrieb gehen sollen, hoffen Investoren der dortigen Projekte auf den Absatzmarkt Österreich. "Es wäre ein wichtiges Signal, dass Energieunternehmen in Österreich ernst machen und dem Atomstrom den Rücken kehren." Die Zeit dafür sei günstig.

Deutschland hat nach der Katastrophe von Fukushima beschlossen, acht alte Reaktoren zu schließen. Wenn Österreich überhaupt keinen Atomstrom mehr importieren würde, könnte das die AKW-Lobby in den Nachbarländern noch mehr unter Druck setzen. Die NGOs fordern deshalb ein gesetzliches Verbot des Atomstrom-Imports nach Österreich. Ebenfalls gefordert wird eine Zertifizierung aller Kraftwerke in Europa. "So wie derzeit aus jedem Wasserkraftwerk und aus jedem Windkraftwerk der Strom mit 'Ökostempel' kommt, so muss in Zukunft auch aus einem Kohlekraftwerk Strom mit einem 'Kohlestempel' und aus einem Atomkraftwerk Strom mit 'Atomkraftstempel' kommen. In Österreich ist das weitgehend schon umgesetzt, im Ausland aber noch relativ wenig."