Erstellt am: 27. 9. 2011 - 13:28 Uhr
Fußball-Journal '11-104.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt.
Heute mit der bereits traditionellen Nachlese zur ÖFB-Kader-Bekanntgabe-Pressekonferenz, diesmal für die beiden noch ausstehenden EM-Quali-Spiele in Azerbeidjan und Kasachstan. Erstmals mit Interims-Coach Willi Ruttensteiner.
Der ÖFB-Kader:
Tor: Pascal Grünwald (Austria), Robert Almer (Düsseldorf/D), Jörg Siebenhandl (Neustadt)
Abwehr: Ekrem Dag (Beskitas/TUR), Florian Klein, Manuel Ortlechner (Austria), Aleksandar Dragovic (Basel/SUI), Sebastian Prödl (Werder/D), Franz Schiemer (Salzburg), Emanuel Pogatetz (Hannover/D), Christian Fuchs (Schalke/D).
Mittelfeld: David Alaba (Bayern/D), Paul Scharner (WestBrom/ENG), Julian Baumgartlinger, Andreas Ivanschitz (Mainz/D), Jakob Jantscher (Salzburg), Zlatko Junuzovic (Austria), Christopher Trimmel (Rapid), Martin Harnik (Stuttgart/D).
Angriff: Marko Arnautovic (Werder/D), Marc Janko (Twente/NED), Stefan Maierhofer (Salzburg), Philipp Hosiner (Admira).
Auf Abruf: Heinz Lindner (Austria), Christopher Dibon (Admira) und Daniel Royer (Hannover/D), die beim U21-Team dabei sein werden, sowie Markus Suttner (Austria), Manuel Weber (Sturm), Stefan Kulovits (Rapid), Veli Kavlak (Besiktas/TUR), Erwin Hoffer (Eintracht Frankfurt/D) und Roland Linz (Austria).
Ebenfalls bei der U21, die am 6. und 10. 10 ihren EM-Quali-Auftakt mit Spielen gegen die Niederlande und Schottland bestreitet: Christopher Drazan (Rapid), Florian Kainz (Sturm) oder Dani Alar (Rapid). Alaba und Dragovic bleiben beim A-Team.
Verletzt: Jürgen Macho (Panionios/GRE), Christian Gratzei (Sturm), Helge Payer (Rapid), Martin Hinteregger (Salzburg), Thomas Schrammel (Rapid), Georg Margreitter (Austria), Jürgen Säumel (Sturm), Andreas Hölzl (Sturm), Christoph Leitgeb (Salzburg), Guido Burgstaller (Rapid), Thomas Pichlmann (Verona/IT), Roman Kienast (Sturm). Noch nicht fit genug ist György Garics (Bologna/IT), mit dem bald gesprochen werden soll - mit Martin Stranzl (Gladbach/D) ist Ruttensteiner bereits im Gespräch.
Michael Gspurning (Xanthi/GRE) hat eine spielfreies Halbjahr vor sich, Alexander Manninger (Juve/IT) die Ersatzbank.
Aktuell keine Chance für Hans-Peter Berger (Admira), Markus Berger (Academica/POR), Andreas Ibertsberger (Hoffenheim/D), Tanju Kayhan (Besiktas/TUR), Anel Hadzic, Daniel Beichler (Ried), Yasin Pehlivan (Gaziantep/TUR), Andreas Ulmer, Roman Wallner (Salzburg), Alexander Grünwald (Austria), Tomas Simkovic (Neustadt), Clemens Walch (Kaiserslautern/D), Andreas Lasnik (Breda/NED), Ümit Korkmaz (Eintracht Frankfurt/D), Rubin Okotie (St.Truiden/BEL) uvam.
Den Slalom fährt Willi Ruttensteiner, schon ehe er überhaupt als Interims-Teamchef bestellt wurde: auf der einen Seite, als einer der letztendlich Verantwortlichen, alle bisherigen ÖFB-Aktivitäten der letzten Zeit (also die gesamten Unsäglichkeiten der Constantini-Ära, samt der Ungereimtheiten in U21/U20-Bereich) zu verteidigen und jede Kritik (auch unsachlich) abzublocken, auf der anderen Seite umfassende praktische Bemühungen zu unternehmen, den riesigen Scherbenhaufen zusammenzukehren, um das Haus dem neuen Coach (und womöglich auch einer neuen Struktur) zumindest besenrein übergeben zu können.
Das hat er öffentlichkeitswirksam an 9-11 so gehalten - und heute, anlässlich der Kader-Präsentation für sein (wieder einmal zwei Quali-Spiele dauerndes) Interims-Regnum.
Auf der einen Seite also nichts als Lob für die Constantini-'Aufbauarbeit', die Zusammenarbeit mit den Trottelsager-Buam (die beide gefaßt waren, obwohl sie wieder große Mühe hatten einen ganzen sinnvollen Satz zu bilden) - auf der anderen Seite eine lange Liste von Akut-Maßnahmen.
Und zwar längst überfälligen Maßnahmen, die allesamt direkte Hinweise auf die Versäumnisse der DiCo-Phase sind.
Die "neu eingeflossenen" Überlegungen Ruttensteiners:
Ruttensteiner nimmt Rücksicht auf die beginnende U21-EM-Qualifikation und spricht sich da mit Coach Andreas Herzog ab (was Constantini nie ernsthaft tat).
Ruttensteiner spricht mit den Renegaten, deren Außgestoßensein Constantini durch eine unsachliche Personal-Politik verursacht hatte. Zuerst die alten Kapitäne: Andreas Ivanschitz holt er sofort zurück und mit Martin Stranzl, der den ÖFB in seiner Struktur kritisiert hatte, ist er immerhin im Gespräch.
Ruttensteiner wahrt das Mindestmaß an Kommunikation, lässt auch Spielern wie György Garics, mit denen er nicht selber sprach, Infos zukommen.
Ruttensteiner holt zusätzliche Leute ins Team für die Vorbereitung, die am nächsten Montag startet und die beiden AuswärtsMatches in Baku (Freitag der 7.) und Astana (am Dienstag, den 11.) umfaßt. Zum Beispiel Roger Spry, Constantinis erstes Personal-Opfer. Der Conditioning Coach half im Nachwuchs-Bereich auf, und bekommt jetzt ein paar Zusatz/Sonderaufgaben.
Ruttensteiner nimmt massiv Rücksicht auf den an beiden Spielorten drohenden Kunstrasen und testet entsprechend.
Ruttensteiner wird einenb deutlichen Fokus auf die taktischen Vorbereitung für die beiden Spiele legen.
Die Strukturoptimierung als neue Minimalanforderung
Das alles zeigt einerseits, dass es ja geht, wenn der Wille (ich verkneif mit jetzt das Wille/Willi-Wortspiel...) da ist, das zeigt andererseits, dass das in der Ära Constantini nicht der Fall war. Nicht nur, dass DiCo und die Trottelsager-Buam nach Augenzeugen-Berichten die Arbeit nicht gerade erfunden haben - auch der selbst von Tellersurfer Leo Windtner erkannte Tellerrand wird plötzlich überblickt.
Was Ruttensteiner in seiner Mission (die in den Moment begonnen hat als das Abschied von Constantini klar war) vorhat ist ein Level zu setzen, das nicht mehr unterschritten werden darf.
Auch was die Außendarstellung betrifft: Ruttensteiners 35 Minuten-PK hatte mehr Substanz als alle öffentlichen Constantini-Auftritte ever zusammengenommen.
Also: Weniger interne Kommunikation, weniger Sorgfalt in der Vorbereitung, weniger Zugang zu modernen, oder: zeitgemäßen Konzepten zu Training, Taktik und Spielzugang soll nicht mehr möglich sein. Die Ruttensteiner-Standards als Minimalanforderung.
Natürlich instrumentalisiert Ruttensteiner da auch die Journalisten; und zwar auch zurecht. Die waren mit seinem eloquenten, aber auch inhaltlich brauchbarem Auftritt, mit den Möglichkeiten damit zu schlagzeilen (Ivanschitz, eh klar) zufrieden. Und natürlich ist es angenehm nicht bei jeder Frage pampig angeblafft zu werden, als wäre man ein Bittsteller.
Im Gegensatz zur alten Garde der im vorigen Jahrtausend steckengebliebenen inhaltsarmen Schmähführer hat Ruttensteiner das zeitgemäße Modell eines Trainers als auch medial gut ausgebildeten General Managers vorgestellt.
Österreichs erster Trainer/Manager der neuen Schule
Ziemlich erstmalig in Österreich, wo sich die Koalition aus konservativ sozialisierten Fans, aus berechnenden Medienstrukturen und Funktionären im Herrenbauern-Pose immer noch am fortbildungsresistenten Ex-Teamspieler orientiert.
Der Ruttensteiner-Slalom führt natürlich auch um diese alten Herren herum. Die Landesfürsten, der Liga-Chef und ein paar Club-Präsidenten wären ja immer noch prinzipiell für den Toni-Polster-Typus, jemanden ohne Substanz der aber in den Medien gut kommt. Der moderne Fußball-Coach, der womöglich gar nicht selber 1-Liga gespielt hat, der Mourinho-Klopp, der macht ihnen Angst. Auch weil man mit solchen Auskennern nicht Schlitten fahren kann, weil das der Einstieg in eine fußballerische Welt ist, die das altbackene und morsche Funktionärs-System nach österreichischer Verbands-Prägung auf den Misthaufen der Geschichte befördern würde.
Auf diese Hindernisse muss Ruttensteiner aufpassen; deshalb sein Gesäusel über die Qualität der qualitätslosen jüngeren Vergangenheit. Um im nächsten Satz die Struktur-Optimierung zu betonen, die er dem neuen Teamchef hinterlassen will. Dass der gar nicht mehr unbedingt Franco Foda heißen muss (wiewohl sich die erwähnten alten Herren auf den schon festgelegt hatten) das ist ein Kampf der gerade hinter den Kulissen geführt wird; auf der Basis von Trickserei, Schmeicheleien und Abschuß-Strategien.
Aktuell ist es fast wichtiger, dass sich Ruttensteiners taktische Fähigkeiten in dieser Kür auswirken als dass das am Kaukasus oder in Zentralasien aufgeht.