Erstellt am: 26. 9. 2011 - 14:44 Uhr
Todernste Marschmusik für nach dem Untergang
Waves Vienna
Waves Festival
Alles rund um Wiens Clubfestival auch auf wavesvienna.com und fm4.orf.at/wavesvienna
Klassische indische Volksmusik duldet im Vergleich mit westlichen Musiktraditionen nur ein Melodie-Instrument. Alle anderen Instrumente sind für den rhythmischen Rahmen verantwortlich. Der aber nicht gering geschätzt werden darf. Im Gegenteil, er ist der Mittelpunkt der musikalischen Arbeit. Traditionelle indische Musik ist Kommunikation zwischen Disziplin und anarchistischer Freiheit.
Apple Records
Und spiegelt so die indische Spiritualität. Die Musik schwillt an und blüht auf, um gleich wieder in sich zusammenzufallen. Man versinkt schnell in diesem pulsierenden Musik-Mantra und verliert schnell die Aufmerksamkeit, um aber im nächsten Moment plötzlich wieder hellwach von diesem phonetischen Gewebe gefesselt zu werden.
Und genau so geht es mir mit der dritten Platte "Conatus" von Zola Jesus.
In Your Nature
Es ist noch nicht lang her – etwas über ein Jahr – als die damals 21-jährige amerikanische Sängerin Zola Jesus mit ihrem zweiten Album "Stridulum II" die alternative Musikszene in einem Blitzkrieg eroberte.
Das Publikum staunte über das junge Mädchen, das eigentlich Opernsängerin werden wollte, russische Wurzeln hat und musikalisch, ästhetisch, inhaltlich und vor allem stimmlich auf einem Niveau agiert wie es oft nur Popmusikgiganten im vorgerückten Alter gelingt.
Zola Jesus
Schnell und völlig zurecht wurde Zola Jesus mit der heimischen Hohepriesterin Soap&Skin verglichen. Die Gemeinsamkeiten liegen auf der Hand: beide sind sehr jung, gemessen an der Qualtitä ihrer Arbeit – und beide junge Damen verkriechen sich in dunklen Sounds und spielen gerne mit mythologischen Bildern. Dennoch trennt beide Künstlerinnen sehr viel.
Conatus
Zola Jesus geht mit ihren neuen Songs einen Schritt in Richtung Pop, aber dennoch hat das nicht mehr Eingängigkeit zur Folge. Die Strukturen sind zwar exakter, um nicht zu sagen unglaublich konservativ, aber die militärische Musikplanung hat zur Folge, dass man wie im Beispiel der indischen Musik schnell in einem Sog versinkt und augenblicklich Anfang und Ende vergisst.
Zola Jesus
Die junge Amerikanerin war sich zu Beginn der Arbeiten zu Conatus nicht sicher, ob sie nicht vielleicht schon am Ende ihres Musikschaffens angekommen war. Tatsächlich, die bisherigen Zola Jesus-Veröffentlichungen sind ein derart verdichteter Sud aus Inhalt und Musik und Leidenschaft, dass Skepsis angebracht erschien. Zola Jesus hat ein derartiges unabhängiges Universum erschaffen, dass es unangebracht wäre dieses mit neuer Klangfarbe zu verunreinigen.
Andererseits, wie oft kann Zola Jesus ihre synthetischen Todesmärsche noch wiederholen und gleichzeitig weiter kreativ bleiben. Zola Jesus scheint sich dieser Umstände bewusst gewesen zu sein, eine musikalische Kursänderung schien völlig unangebracht, also entschied sie sich für das Überleben durch Radikalität und hat alle ihre Qualitäten geschärft und auch ihre selbsterfundene Ikonografie auf die Spitze getrieben. Die Einstellungen der Keyboards werden auf keinem Lied verändert, das einzige Instrument das wirklich Melodien spielen darf ist ihre Stimme. Und die war ja schon immer eine todsicherer Nummer.
Shivers, Skin & Collapse
Natürlich sieht Nika Roza Danilova wie Zola Jesus mit bürgerlichem Namen heißt, die Welt vor einer apokalyptischen Kulisse. Von Frohsinn wird ihre Welt nicht dominiert. Und mit diesem Stichwort möchte ich auch gleich ein paar Sätze zu den Vergleichen mit Siouxsie and the Banshees verlieren. Natürlich klingt ihre Stimme erschreckend haargenau wie die der jungen Siouxsie. Aber dennoch trennen Zola Jesus und Goth Waver wie eben Siouxsie aber auch Cure Welten. Siouxsie and the Banshees waren am Ende des Tages immer gutgelaunter Pop, trotz aller Herbstdepression und schwarzem Lippenstift.
Waves Festival
Zola Jesus ist abgrundtief dunkel. Ich glaube zwar nicht, dass Zola Jesus humorlos ist, aber von Spaß und Freude wird sie definitv nicht getrieben. Das ist todernste Marschmusik für den Untergang. Aber Suizidsorgen muss man sich keine machen. Zola Jesus sieht sich schon nach der Katastrophe. Auf Conatus bekommt man fast schon darwinistische Hymnen für den Überlebenskampf. Der Titel kommt ja auch nicht von irgendwo her. Das lateinische Wort kann mit „Wunsch zu leben“ übersetzt werden.
Zola Jesus wird am Freitag 30. Oktober 2011 im Wiener Flex im Rahmen des Waves Festival auftreten.