Erstellt am: 24. 9. 2011 - 20:33 Uhr
Fußball-Journal '11-103.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einem Abgleich der Erwartungen und der Realität des ersten Meisterschafts-Viertels.
Dieses Journal bezieht sich direkt auf das Fußball-Journal '11-67: Einschätzungen zum Bundesliga-Start.
Mitte Juli, direkt vor dem Start der österreichischen Fußball-Meisterschaft (von der mit morgen, Sonntag, genau ein Viertel, also die erste Jeder-gegen-jeden-Runde gespielt wurde) ist es müßig und anmaßend Einschätzungen zu treffen. Trotzdem passieren die, massenweise sogar. Denn gerade dieses In-Relation-Setzen von Erwartungen, Prophezeiungen, Rätselraten und Wett-Tipp-Spannung macht die Pre-Saison aus.
Mittlerweile sind die Transfer-Fenster geschlossen, und einige Erkenntnisse, die damals nur erahnt werden konnten, gesichert.
Und die am 12. Juli mit aller Vorsicht, aber allem Nachdruck getroffenen Einschätzungen können jetzt einem Reality Check unterzogen werden.
Damals waren vor allem die drei Europacup-Teilnehmer noch echte Baustellen, dazu kam die Unsicherheit, wie sich Rapid ohne Fan-Unterstützung tun würde. Die unteren 6 hingegen schienen recht gut fertiggestellt zu sein.
Das hat sich im Fall von Ried als Irrtum erwiesen.
Gludovatz hat mittlerweile Royer, Mader und Glasner verloren und noch ein paar Junge dazubekommen.
Aber schaun wir zuerst nach oben.
Die großen Vier
Wie erwartet hat Salzburg noch einen Stürmer (Maierhofer) geholt, Sturm sich gar noch mit Dudic, Säumel und Bodul verstärkt. Sturm Graz hat sich als allerletzte Mannschaft seinen Kader fertiggebaut und wird dafür mit einer Verletzungsserie bestraft. Dass sie unter ihren Möglichkeiten agieren, fällt aber deshalb (und auch wegen der Foda-Teamchef-Debatte) aktuell nicht auf.
Spitzenreiter Salzburg macht wieder einmal (wie immer, seit Bestehen der Dose) zu wenig aus den vielen Möglichkeiten. Das hab ich in dieser Redudanz nicht erwartet, da war ich optimistischer.
Die zentrale Frage bei der Austria (wird man Baumgartlingers Rolle intelligent neubesetzen) ist noch nicht zu 100% beantwortet: Flo Mader darf noch nicht so recht, Coach Daxbacher befindet sich genau in der vorhergesehenen Zauder-Zone: er glaubt, er würde zwei Mann für diesen Job brauchen - und das kann das kreative Spiel der Austria wieder um Jahre zurückwerfen.
Das ist eingetreten.
Allerdings ist das neue Konzept der rochierenden Offensive-Three (Jun-Juno-Barazite) hinter Linz auch wie gemalt für zwei spielstarke Sechser (die Alex Grünwald und Mader sein sollten).
Die Austria ist also dabei sich zu finden.
Rapid mogelt sich so durch: durch die Fan-Problematik, durch Schöttels System-Probiererei, durch den unrund kombinierenden Kader. Hofmann sieht zentral gut aus, hat sich mittlerweile an die Position gewöhnt. Man fällt nicht auf, auch weil man sich international nicht blamieren konnte.
Die restlichen Sechs
Darf ich drei Sätze aus dem Juli zitieren?
Die Admira hat "ein schönes Halbjahr vor sich."
"Am wenigsten Vertrauen hab' ich aktuell in die Innsbrucker Fähigkeiten".
Und: "Neustadt wird sich nicht als Punktelieferant erweisen."
Gut, im Fall von Kühbauers Mannschaft war das nicht so schwer vorherzusehen: bei einem brauchbaren Start kommt die Euphorie des unbeschwerten Aufsteigers dazu.
Dass die Innsbrucker Schwierigkeiten kriegen werden, hab ich sonst so nirgendwo gelesen/hört - die wurden überall als klarer Mittelfeld-Tipp eingestuft. In der Zwischenzeit haben sie mit Peter Hackmair zwar einen Stabilisator für ihre Problemzone, das kreative Mittelfeld, und Walter Kogler hat sein gut gestaffeltes 4-1-4-1 wieder fix installiert - trotzdem bleiben die Tiroler Wackelkandidaten, die gern frühzeitig aufgeben.
Jedermanns Fixabsteiger, Wiener Neustadt, konnte sich, wie auch kaum jemand erwartet hat, ganz gut in Szene setzen. Für diese Außenseiter-Truppe ist jeder Punkt ein Erfolg. Klar, der Tabellenrang täuscht - wahrscheinlich wird die unterfinanzierte Truppe im Frühjahr zurückfallen. Bislang spielte Stögers Team aber die Rolle, die ich ihr im Juli zugetraut hatte.
Fehlgriffe
Die Entwicklung in Ried hat alle Erwartungen völlig überrollt. Nicht nur weil noch im Verlauf der Saison drei Stammspieler wegbrachen; nicht weil noch einige junge Spieler nachgeholt wurden; nicht weil man gegen Bröndby und den PSV tolle Schlachten geliefert hat.
Sondern vor allem, weil Gludovatz etwas getan hat, was ich schon seit einiger Zeit herbeigesehnt hatte, womit ich aber jetzt gar nicht mehr gerechnet habe: er hat einen Plan B, ein neues, zweites System eingerichtet.
Gludovatz' Ried kann neben dem 3-3-3-1 seit wenigen Wochen auch ein 4-2-3-1. Das ist sensationell. Und riskant, vor allem, weil Gludovatz mit einem fast runderneuerten Team weiterspielen muss. Dafür ist der abgesicherte 5. Platz schlicht toll.
Mit diesem Mittelwert hatte ich gerechnet - aber nicht mit der Aufregung rundherum.
Ein wenig fehleingeschätzt habe ich die Lage bei Kapfenberg und Mattersburg.
Der KSV hat die xte Saison mit vielen Wechseln nicht so gut überstanden wie zugemutet; und wieder ist der Kader überfüllt und diesmal ist das eben kein Positivum wie im letzten Jahr. Und dem SVM haben die wenigen Umstellungen auch nicht so gutgetan wie angenommen.
Immerhin herrscht an beiden Stationen (noch) Ruhe und keine Panik. Auch an den potentiellen Brandherden lodert nichts. Vielleicht verlässt man sich auf den Frühjahrs-Einbruch in Neustadt.
Herbstmüdigkeit bis in den Winter
Aktuell passiert das, was im Herbst schon seit Jahren passiert; Stagnation, Spiele ohne viel Tempo und ohne Ideen, kollektiv nach unten zeigende Formkurven. Das wirkt sich vor allem auf die internationalen Auftritte aus, im heimischen Betrieb wird man davon weniger merken, weil sich die betreffenden Vereine ja neutralisieren.
Hier das Fazit von abseits.at.
Die nächste Einschätzung wird dann in der Winter-Transfer-Pause nötig sein, falls sich dort etwas Nennenswertes tut. Da auch innerhalb der Lige mit Spielertransfers gern Machtpolitik betrieben wird (das Musterbeispiel: Rapids Beschädigung von Innsbruck), ändert das die Vorraussetzungen für die Halbsaison 2012 ohnehin wieder.