Erstellt am: 26. 9. 2011 - 05:59 Uhr
Modeselektor - "Monkeytown"
Sehr geehrte Damen und Herren!
Monkeytown ist unser drittes Album. Es ist das erste Album, bei dem wir während der Produktion fast wahnsinnig wurden. Aber wenn wir genauer darüber nachdenken, war das eigentlich bei jedem Album so …
Es ist die erste Modeselektor-Platte, die zu 100% gemeinsam im Studio in einer zusammenhängenden Session innerhalb von 10 Wochen entstanden ist. Gernot & Szary / Modeselektor
Ben De Biel
Und sie ist großartig. Die Platte, an der wir uns diese Woche erfreuen und der das oben zitierte Briefchen beigelegt war, heißt "Monkeytown", so wie das Label von Modeselektor. Um ein Haar hätte es "Monkeytown" nicht gegeben, weil Gernot Bronsert und Sebastian Szary haben sich viel aufgeladen auf die zarten Producerschultern in den letzten paar Jahren:
1) Menschen in Nachtclubs und Partyzelten verteilt um den Planeten unter der Champagnerdusche zum auszucken bringen.
2) Zwei Labels betreiben, auch kein Parttime Job:
2a) Monkeytown ist das eher auf Alben spezialisiete Label. Ausgefeilte Weltenentwürfe, in denen man versinken kann, werden via Monkeytown verbreitet.
2b) Label Nummer zwei ist 50 Weapons, ein digitales Label, das auf Underground Club Produktionen fokussiert und schnell reagieren kann. 3 Wochen und das Teil ist draußen, erlaube ich mir die Herren zu zitieren.
3) Moderat, das audiovisuelle introspektive und entschleunigte Meisterwerk, das sie mit Apparat geschaffen haben, und ebenfalls 15 Mal um den Globus getragen haben.
Ich hätte mich in so einer Situation wahrscheinlich in ein Schweizer oder, wenn das Geld nicht reicht, thailändisches Sanatorium gelegt und mich drei Monate in künstlichen Regenerationstiefschlaf versetzen lassen, so wie Superman nach einer Überdosis Kryptonit in seiner Fortress of Solitude, aber nicht so Modeselektor.
Modeselektor
Die haben in nur zehn Wochen all die Blockaden entwirrt und weggeräumt und "Monkeytown", das eigentlich ein Instrumental Album hätte werden sollen, inclusive Gästebeteiligung fertiggestellt: Da wäre zum Beispiel der Breakcore Psychopath Otto von Schirach als stimmlicher Gast. Er erzählt uns via Vocoder etwas über den Evil Twin, der in jedem und jeder von uns schlummert.
In die twilight zone der Seele führt uns Thom Yorke als Gast auf den Nummern "Shipwreck" und "This". Von "This" existieren übrigens über 50 verschiedene Versionen, erzählten mir Modeselektor und "Shipwreck" erinnert mich an den Zustand völliger Verzweiflung, in dem man über seine eigenen Dramen nur mehr lachen kann.
Auf "Pretentious Friends" kriegen die von Kapitalismen verblödeten Freunde aus dem Party Jet Set, von dem mit allen Diskursstrategien imprägnierten Rapper Busdriver ihr Gänseleberfett ab. "Berlin", mit Miss Platinum, ist eine Ode an die Heimatstadt, wo eine ektasefreundliche Faulheit die Gentrifizierungsuhren langsamer ticken lässt.
Schön und gut, Alte, aber was ist mit dir los, sag uns doch endlich, wie "Monkeytown" klingt? Nein, meine Lieben, kann ich nicht, will ich nicht. Mich öden nämlich Alben-Reviews an, in denen von „futuristisch verspieltem Querfeldein durch den elektronischen Genregarten“ die Rede ist. Wenn ihr Zeit habt und darüber hinaus auch Freunde, dann eignet sich "Monkeytown" ganz vorzüglich, um das „Wir erfinden jetzt immer neue Subgenres für elektronische Musik“-Spiel weiter zu treiben.
Kevin Lake Statue
Und zum Abschluss mache ich noch etwas, was man in Reviews eigentlich so gar nicht tun darf, ich schreibe aus dem Pressetext ab, jawohl, weil besser kann ich es auch nicht sagen:
„Modeselektor ist eine mutierende Chimäre mit Körperteilen aus Hip Hop, R&B, Punk Rap und spielerischen Überraschungen.“ Ihr werdet viel Spaß im "Monkeytown" haben, Partymusik, die den Rahmen des Funktionalismus bei weitem sprengt, ist nicht so häufig zu finden.
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