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Eva Deutsch

Elektro, Anziehzeug und anderer Seelenbalsamico. Aus dem Untergrund mit ganz viel Schwarz.

20. 9. 2011 - 14:26

Boots Electric

Macho-Glamrock mit Gorillapranke. Jesse Hughes debütiert mit “Honkey Kong” als Solo-Artist. Unser Album der Woche.

Big Brother und Superbuddy Josh Homme hat seine Finger nicht im Spiel. Trotzdem schwebt Joshs Aura über Jesse Hughes Soloprojekt Boots Electric. Denn "Boots Electric" ist einer der vielen Spitznamen, die "Queens Of The Stoneage"-Gigant Josh Homme seinem Schulfreund gegeben hat. Jesse, der Van-Dyke-Bart und Spiegelbrillen tragende Frontmann der Eagles Of Death Metal, gibt im Interview unverblümt zu, dass er - nicht nur im wortwörtlichen Sinn - zu seinem Freund und Kollegen aufsieht. Von Josh habe er alles über Musik gelernt - von seinem grundsätzlichen Verständnis für Musik bis hin zum alltäglichen Business.

jesse hüpft, mit einem indianischem federschmuck auf einem kopf

Boots Electric

Jesse Hughes ist auch solo voller Energie. Village People olé!

"Du bist nur so gut wie dein Team"

jesse hüpft

Boots Electric

"Honkey Kong" von Boots Electric ist auf Cooperative Music/Universal erschienen.

Jesse "The Devil" Hughes beschreibt den Sound auf "Honkey Kong" derb und schlüpfrig: "Stell dir vor, du vögelst George Clinton und Gary Numan und benutzt dafür den Schwanz von Little Richard". Mit solchen plakativen Sagern will er natürlich ein bisschen Sprit in die Pressemaschinerie schütten und sein Image als Bier saufender, Kokain schnupfender, Frauen vernaschender Glamrocker aus Palm Desert aufrecht erhalten. Denn Hughes verfügt über einen gehörigen Brocken an Professionalität und Schläue:"Ich will immer das bestmögliche Album aufnehmen. Das ist meine einzige Vision. Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen, die mich zu diesem Ziel bringen. Deshalb parke ich mein Ego vor der Studiotür und behalte im Hinterkopf, dass man nur so gut ist wie sein Team."

Deshalb holt sich Hughes für sein Debutalbum Produzent Tony Hoffer ins Team. Tony Hoffer hat unter anderem mit Beck, Air, Supergrass, Goldfrapp und The Kooks gearbeitet und durfte sich dafür Auszeichnungen aus Gold und Platin in sein Regal stellen. Hughes spinnt seine Vision weiter. Er will, dass "Honkey Kong" so klingt wie "Check Your Head" von den Beastie Boys, fünf Genres auf einer Scheibe vereint. Also ruft Hughes den Meister der wonky Keyboardsounds himself - Mark Ramos-Nishita a.k.a. Money Mark - an. Money Mark hat auf einigen Beastie Boys Alben mitgewirkt, zum Beispiel auf "Ill Communication" oder "Hello Nasty". Mit Money Mark findet Jesse Hughes auch einen passenden Co-Autor für seine Songtexte.

Weißer Gorilla

ein proträt von jesse, er hält sich einen totenkopf an das auge

Boots Electric

Und warum heißt das Album eigentlich "Honkey Kong"? Querverbindungen zum Nintendo-Klassiker "Donkey Kong" sind offensichtlich, aber Hughes hat wieder eine spritzigere Erklärung für seinen Albumtitel parat: "Wenn ein weißer Typ funky und horny ist, dann wird er zu einem Honkey Kong. Ich bin ein weißer Gorilla." Ob Falco bei solchen Sagern zu Lebzeiten herzhaft gelacht oder die Stirn gerunzelt hätte? Man kann nur raten. Hughes spricht sich im Interview als großer Falco Fan aus. Als Kind habe er "Der Kommissar" von Falco beim Spielen auf der Straße gesungen. Das Video zu "Rock Me Amadeus" zähle zu seinen absoluten Favoriten, denn wer Biker mit Mozart verbindet, der sei einfach großartig. Außerdem liebe er Österreich, im speziellen Wien... aha. Hughes ist und bleibt ein Profi. Und wenn ein Schuster bei seinen Leisten bleiben soll, kann das ein (Musik-)Profi ebenso.

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Charmant aber vorhersehbar

"Honkey Kong" ist nicht das überraschendste Solodebüt. Den Einfluss der Eagles Of Death Metal hört man nach den ersten Takten und Gitarrenriffs. Die Attitude in Hughes Stimme bleibt auch am Soloalbum gleich. Trotzdem verfügt "Honkey Kong" über genügend Charme, um dranzubleiben und nicht die Nummern vorzuskippen. "Complexity" ist ein perfekter Ohrwurm. Bei "Boots Electric Theme" singt er mit Josh Hommes Frau, Ex-Distillers Frontfrau Brody Dalle. "Dreams Tonight" und "Speed Demon" sind gar Loves-Songs, wo Hughes seinen Gefühlen zu Freundin Tuesday Cross freien Lauf lässt. Tuesday ist wohlgemerkt 21 Jahre alt, blond und spielt Bass in der Band von "Electric Boots". Ja, das ist alles klischeehaft und riecht wieder nach Pressemaschinerie. Trotzdem kauft man Jesse Hughes seine Art ab. Er ist ein Sympathieträger, ein augenzwinkender Profi. Ein großer weißer Gorilla eben.