Erstellt am: 18. 9. 2011 - 15:47 Uhr
Song zum Sonntag: The Rapture
- The Rapture
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über The Rapture macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Wie tief deine Liebe doch ist! All die Liebe die du mir gegeben hast, hat mich gelehrt, das Gute zu sehen, wenn ich weine, so heilst du meine Scmerzen, die Reise, auf die Du mich geführt hast, auf ihr wandle ich stets, es gibt nur zwei Möglichkeiten, du und ich, so gib mir was ich zum Leben brauche und hilf mir zu dir zu kommen. Lass mich das Lied hören!
Das ist nicht die Hinwendung zum wortsinnlichen Inhalt der Kolumne, kein Ausschnitt aus dem guten Wort des Herrn, auch keine Persiflage auf einen der handauflegenden- und haltenden Fernsehprediger, deren Chreographien der Körperlichkeit uns Europäern so fremd sind, weil man bei uns in der Kirche nach Geschlechtern getrennt still sitzt und den Kindern die Augen zufallen. Aber natürlich ist es ein Gospel, eine Frohbotschaft, ein Wort der Veräußerung, der Transzendenz, der Überwältigung - es ist ein sich überschlagendes Heilserlebnis in der Kirche des Tanzes, des Sex und der Liebe - es ist (benannt nach einem Schmachtfetzen der Ära) die ewige Anbetung der Disco.
Und das von einer Band, deren Name wahrscheinlich von der Blondie Single kommt, aber eigentlich soviel bedeutet wie "das Phänomen, dass eine Person leibhaftig aus der irdisch-konkreten Erscheinungswelt in eine himmlische Sphäre versetzt wird", Entrückung also.
the rapture
Es ist in Texten von bösen Buben allernetzes zu hören und zu lesen, dass sich The Rapture im Versuch, sich neu zu erfinden und vom DFA Knallerproduzenten- Klischee zu lösen, auf dem Album ein wenig verzettelt haben - zu sehr klängen die meisten Tracks nach der itz-itz Eurodance Handschrift des Produzenten Philllipe Zdar (Motorbass, Cassius) , zu sehr würde hier der imaginäre Dancefloor verlassen und das wimperngetuschte Haupt dem Laufsteg zugewandt. Ich - der ich die Restplatte nicht gehört habe und - seit die Hosen erstmals eng wurden - nicht zu löschende Vorurteile gegen französische Popmusik hege, die selbst Großartigkeiten wie Daft Punk und Stardust nicht ganz zu vertreiben vermochten - glaube das natürlich alles gerne und womöglich, jaja, hätten James Murphy oder auch Patrick Pulsinger diese Band besser verstanden.
Aber diese Nummer!
So einen Schmachtstöhnoverkill, so einen sexvergötternden Gospel, der Marc Almond neidisch machen könnte, diese schwindelnden Höhen des glattrasierten und gegelten Dancefloor Vogueings, dieses Einbinden und Toppen der Sehnsuchts - und Geilheitsproduktion, für die Disco immer stand, und dazu so ein genau getimeter und überlegt eingesetzter Einsatz von Aaahh-Jaulen und begleitendem Saxophon, der nur im Anrufen Gottes kulminieren kann... Chapeau! So muss man überbordenden Kitsch als rettende Antwort auf Kummer, Einsamkeit und Normalität einsetzen. Hier hat Zdar für die vielleicht beste Nummer gesorgt, die The Rapture früher in ihrer Boyhaftigkeit nicht geschafft haben.