Erstellt am: 18. 9. 2011 - 05:36 Uhr
"Generation X" für Gamer
coupland
Genau zwanzig Jahre ist es her, als der kanadische Künstler und Romanautor Douglas Coupland sein Debüt "Generation X" veröffentlicht hat. Das Buch ist zu einem internationalen Bestseller geworden und Coupland gilt seither als Seismograph der Lebenswirklichkeiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 2006 hat sich Douglas Coupland der Wesen von Geeks und Gamern angenommen. In "JPod" wird die Geschichte einer sechsköpfigen Gruppe erzählt, die bei einem internationalen Spielekonzern arbeitet, der sehr ähnlich klingt wie der tatsächlich existierende Konzern Electronic Arts. Die JPodster haben nichts gemein, außer, dass ihr Nachnahme mit "J" beginnt und sie alle ihre kleinen Teile an der Entwicklung des Skateboard-Spiels "BoardX" beitragen.
Ganz normale Geeks
"Er zog eine gelbe Getränkekiste aus Plastik unter der Küchentheke hervor, die mit lauter Originalmotherboards von Arcade-Spielen aus den späten Achtzigern gefüllt war, allesamt in Luftpolsterfolie verpackt. Er hatte so ein Schrottmöbel von Ikea in einen lebensgroßen, ergonomisch korrekten Arcade-Spiel-Simulator umgebaut. Schließlich verbrachten wir den ganzen Nachmittag damit, The Simpsons Power Test von Konami zu spielen - primitiv, aber cool."
Tropen/Klett-Cotta
Douglas Coupland behauptet, mittlerweile würde er für seine Bücher nicht mehr klassisch recherchieren, sondern sich nur noch konzentriert in die Lebenswelten bestimmter Menschen hineinversetzen - mit all ihren Irrwegen und Untiefen. Bei "JPod" wird es wohl dann doch etwas mehr als das gewesen sein, denn Fachbezeichnungen, Namen von Videospielen oder der organisatorische Ablauf bei einer Games-Produktion sind glaubwürdig in die Geschichte verwoben.
Weniger glaubwürdig sind die überzeichneten Charaktere: Ethan, der Ich-Erzähler, und seine fünf Kolleginnen und Kollegen Bree, Kaitlin, Cancer Cowboy, Evil Mark und John Doe sind wie schrille Comicfiguren, die andauernd irgendwelchen Unsinn machen müssen - vermutlich deshalb, damit die erzählte Geschichte nie in ein Fahrwasser des Normalen kommen könnte.
FM4 Modern Talking: Natalie Brunner im Gespräch mit Douglas Coupland.
"Kaitlin sagte: 'Machen wir doch unsere eigene Coke, direkt hier im jPod'. John Doe meinte: 'Eine exzellente Idee, aber nennen wir sie aus juristischen Gründen bitte nicht Coke. Nennen wir sie Erfrischungsgetränk mit Colageschmack. Bei drei googlen alle los. Der erste, der einen Anbieter von Kolanuss findet und online eine Bestellung aufgibt, bekommt das Halo-2-Game, das ich letzte Woche bei der Tombola auf dem Tetristurnier gewonnen habe.'"
Wider die Nüchternheit
Die ganze Welt besteht aus Marken, verzweifelten, nach außen gestülpten Seelen und hysterischen Maßnahmen gegen die Langeweile. So will es zumindest Coupland für seine recht plakativ erzählten Geschichten in "JPod", bei denen Söhne in Lesbenkommunen aufwachsen, der Anführer einer chinesischen Schlepperbande die Wohnung neu einrichtet, Mütter Hanfpflanzen im großen Stil anbauen und Väter Highschool-Kolleginnen der eigenen Kinder abschleppen.
Stimmiges Setting, fehlende Tiefe
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"JPod" wurde Anfang 2008 als 13-teilige Sitcom verfilmt, und erst jetzt, fünf Jahre später, ist die Buchvorlage in der deutschen Übersetzung beim Tropen-Verlag erschienen. Couplands überdrehte Darstellung der Gamer-Generation war aber schon 2006 größtenteils verfehlt. Das Image des durchgedrehten Slackers der 1990er Jahre passt einfach nicht zu Geeks, die Videospiele entwickeln. Was dem Roman fehlt, ist, das Gefühl des Gefangenseins in einer perfiden Arbeitswelt zu vermitteln, die einen konstant überbeansprucht und gleichzeitig der perfekte Traumjob sein sollte. Übereffiziente Workflows, unkreative Fließbandarbeit und Burnout sind Themen, die Douglas Coupland in "JPod" nicht ansatzweise streift, die aber oft zum Berufsalltag in einem großen Games-Konzern gehören. Im "JPod" läuft absurderweise immer alles darauf hinaus, sich die Zeit totzuschlagen. Zwar schafft es der Roman, zeitgenössische Phänomene (etwa virale Videos im Netz) amüsant in Szene zu setzen, das Wesen der Charaktere bleibt dabei aber zu generisch, die dramaturgische Überzeichnung der Figuren und ihrer Erlebnisse schablonenhaft, der Fortlauf der Geschichte einfallslos.
"JPod" von Douglas Coupland ist in der deutschen Übersetzung von Clara Drechsler und Harald Hellmann bei Tropen/Klett-Cotta erschienen.
"Wir haben gerade ein neues Wabenspiel erfunden, das wir Schallwand nennen. Es ist eine Variante der Heißen Kartoffel. Jeder sitzt in seiner eigenen Wabe, und dann werfen wir uns einen geladenen Tacker über die Schallwände zu. Du weißt nie, wer ihn zu wem wirft, und man staunt, wie viel Spaß man dabei haben kann."
"JPod" ist oberflächlich, belanglos und stilistisch grell - dementsprechend rasch liest sich der Roman auch. Das ist in Videospiele umgelegt circa so aufregend wie eine zwei Minuten lange Partie "Angry Birds" im Zug.