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Daniel Eberharter

Fotografie, Design und Handwerk. Kunst ohne künstlich.

17. 9. 2011 - 10:09

Tauschen, verkaufen, plaudern

Heute findet in Wien die Heftmesse Zine*Fair statt. Am Vorabend der Heftmesse gabs noch ein exklusives Gespräch mit den Kuratorinnen Cathérine Hug und Magdalena Mayer. Yay!

Zine*Fair – 2nd One Day Independent Publishers and Fanzine Fair Vienna
17. September 2011, ab 13 Uhr, Kunsthalle Foyer, Museumsplatz 1, 1070 Wien

Noch ist das Foyer der Kunsthalle leer und ruhig. Es ist 18 Uhr, der Vorabend zur großen Zine*Fair, die heuer das zweite Mal KünstlerInnen und Kleinstverleger aus Wien und Europa zusammentrommelt. Ich treffe dort zwei der drei Kuratorinnen, Cathérine Hug und Magdalena Mayer. Zusammen mit Rita Vitorelli, Herausgeberin des Spike Magazins, haben sie ein Programm rund um die Messe auf die Beine zusammengestellt, getragen von der Liebe zum bedruckten Papier, zum DIY-Gedanken und zur Ästhetik.

Die klassische Messe

Im Mittelpunkt steht auch dieses Jahr die eigentliche Messe. Rund 40 TeilnehmerInnen aus Wien, Budapest, Prag, Berlin, Buenos Aires, Oslo, New York und Sofia legen ihre Hefte auf ihre Tische, tauschen, verkaufen, plaudern. Tauschen sich aus. Wer letztes Jahr schon zu Besuch war, wird sich an die entspannte und offene Atmosphäre erinnern. Man sah Skatezines aus Sarajewo, Fotozines aus Zürich, Grafikzines aus Wien und Prosa aus Düsseldorf.

Schild zur Zine Fair 2011 im Hof des Museumsquartiers

eberharter / fm4

Unter anderem mit: Bernie Fuchs, Create & Destroy Press, Love Zines. monochrom, Rokko's Adventures, Reflex, Schnauzer, Das Weiße Blatt, Das Viadukt und vielen, vielen mehr.

Zines, die kleinen Schwestern des Magazins, sind schnell erklärt, und doch erntet man dabei nur ein nicht ganz greifbares Lächeln. Die Blütezeit der Zines ist im Nährboden der Punkszene(n) der 1980er Jahre zu suchen. So wie Punk (egal ob Blondie, Sex Pistols oder Minor Threat) die Gegenbewegung zu Rock und Disco auf musikalischer Ebene war, war das Fanzine das Gegenstück zum ewig selben, vor Werbung und Langeweile strotzenden Printmagazin.

Das Wort "Arschloch" auf dem Titelbild eines Druckwerks, das ist auch heute noch sehr reizvoll und de facto nicht oft gesehenes. Wer allerdings selbst ein Heft publiziert, kann jedes Wort drucken. Groß und laut. Oder ein Interview mit einer Band featuren, die nur dir und deinen 4 Buddies gefällt, und nicht in den Großen Zehn bei Udo Huber zu sehen ist. Ist doch eh alles das gleiche!

Bild zeigt einen Teil des historischen showcase bei der zinefair 2011

eberharter / fm4

Die wahnwitzige Idee, etwas selber zu machen, zu drucken und zu organisieren, zu schreiben und zu fotografieren, in wichtigster Instanz aber selber zu entscheiden, was verdammt nochmal in das Heft kommt, das ist der Ansatz, der die einen abschrecken mag und gar befremdet, andere aber antreibt. Auch heute noch, in Zeiten des Internets. Blablabla, Internet. Bevor ich mich hier - wait for it - verzettel', kommen wir wieder zurück in die Kunsthalle. Mittlerweile ist es 18:02.

Die historische Auseinandersetzung

Unter anderem mit: Cracked, Flex Digest, Chelsea Chronicle, Arschloch Glücklich, eloquence, Changes, Es ist zum Scheißen, Tanz mit mir und vielen, vielen mehr.

Catherine Hug und Magdalena Mayer führen mich in den Bauch der Kunsthalle, zu den Werkstätten und Archiven. Dort steht die Vitrine, in der Magdalena ihren Teil zur Zine-Fair vorbereitet. Sie hat ihre Diplomarbeit über das Thema Fanzines erarbeitet. Der genaue Titel lautet "Wiener Fanzines und ihre Macher. Eine Analyse zwischen 1977 und 1992 gegründeter Titel und deren Akteure". Sie kuratiert nun den Schaukasten, in der Zines aus Wien von 1978 bis 2000 zu sehen sind. Der Zeitraum wurde ausgeweitet und beinhaltet so auch Werke, die bis zum populären Anstieg des Internets produziert wurden.

Raum für Diskussion

Catherine Hug unterstreicht den durchaus rebellischen Aspekt dieses alternativen Printmediums: "Fanzines entziehen sich Regeln". Ihr Zugang zu Print ist ein künstlerisch grafischer; die meisten der heutzutage produzierten Zines haben dieses "Genre" auch zum Inhalt. Und so sitzen wir drei an einem Tisch und finden rasch eine Fülle an Diskussionsstoff - Ästhetik, linkes Kulturgut, tagesaktuelles Bloggen vs. themenbezogene Issue-Formate, und so weiter.

Ausschnitt Zinefair: Tex Rubinowitz

eberharter / fm4

Panel Discussion mit: Linda Bilda (ArtFan, Wien), Günther Friesinger (monochrom, Wien), Alessandra Galasso (cosmika76, New York and Biella) and Jen Liu (Asher Archive, New York), moderated by Rita Vitorelli (Spike Art Magazine, Wien) and Cathérine Hug (Kuratorin KUNSTHALLE Wien).

Diskussionen, die am Tag der Zine-Fair um 18 Uhr bei der Podiumsdiskussion sicherlich ein passendes Forum erhalten. Ein weiterer Fixpunkt dieser Messe.

Mittlerweile ist es 18:36 Uhr, und Magdalena muss noch schnell hinüber ins SR-Archiv vis-à-vis, um sich noch ein paar fehlende Fanzines für den Schaukasten zu holen.

Die herzlich gepflegte Liebe zu (Maga)zinen, egal ob mit Musikthemen, Anti-Establishment-Tiraden oder Grafikelementen, vereint die Macherinnen der Zine-Fair, und diese Leidenschaft ist spürbar und fast schon nerdig. (Ja, nerdig, kein Tippfehler, ihr Schelme). Sie brennt jede Müdigkeit, die von der Organisation eines Events wie diesem am Vorabend vielleicht zu spüren ist, wieder weg.

Während ich dies hier fertig schreibe, ist es 20:13, und ich freue mich schon sehr auf morgen. Wir sehen uns!