Erstellt am: 21. 9. 2011 - 11:49 Uhr
Tagebuch zum Jahr des Verzichts (27)
marc carnal
2011 wird Tagebuch geführt und verzichtet: Monatlich auf ein bestimmtes Sucht- und Genussmittel, auf Medien oder alltägliche Bequemlichkeiten. Jeder Verzicht ist klar eingegrenzt. Es gelten freiwillige Selbstkontrolle und dezenter Gruppendruck unter den Mitstreitern.
Sonntag, 11. September
Neben 9/11 sei auch auf den Tag der Wohnungslosen, den Züricher Stadtfeiertag und den Katalonischen Nationalfeiertag hingewiesen
■ Die freundlichen Stimmen der Wiener Rathaus - Hotline sind rund um die Uhr erreichbar und beantworten eifrig sämtliche Fragen. Wer ohne mobiles Internet unterwegs ist, möge in Zweifels- und Notfällen jeglicher Art ruhigen Gewissens die 01 4000 wählen. Die wissen beispielsweise auch, wie das Wetter wird oder wo die nächste gute Party ist.
■ Mittlerweile ist beim täglichen Radsport eine gewisse Routine eingekehrt.
Der chronische Muskelkater ist satten, steinharten und formschönen Waden gewichen. Immer wieder muss ich unterwegs anhalten, weil mir Damen mit sehnsuchtsvollem Blick und sündhaft tiefem Dekolleté den Weg versperren und prompten Beischlaf fordern. Verschmitzt lächelnd muss ich stets entgegnen, ich sei kein Mann für eine Nacht und schwinge mich wieder auf den Sattel.
Montag, 12. September
■ Verkehrsmittel, die im September eigentlich auch noch erlaubt wären und was dagegen spricht:
- Rikscha (mangelndes Angebot in Wien)
- Pferdekutsche (Monatseinkommen nicht ausreichend)
- Pferd (kein Stall im Mietpreis inbegriffen)
- Heißluftballon (Probleme bei Start und zielgenauer Landung)
- Paragleiten (kein Hausberg vorhanden)
- Ruderboot (schlecht ausgebaute Wasserwege in Wien)
- Schlittschuhe (derzeitige Witterung, ansonsten Streusalz)
- Segelschiff (kein Segelschein)
- Scooter (Stil)
- Leiterwagen (wer zieht?)
- Einrad (Unfähigkeit)
- Streitwagen (schwer aufzutreiben)
- Rollstuhl (führt zu Missverständnissen)
- Hundeschlitten (Witterung, weder Hunde noch Schlitten im Haus)
Dienstag, 13. September
■ Aus dem ABGB:
“Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind - außer in den Fällen des § 151 Abs. 3 - unfähig, ein Versprechen zu machen oder es anzunehmen.“ (§ 865)
„Die uneheliche Geburt kann einem Kinde an seiner bürgerlichen Achtung und an seinem Fortkommen keinen Abbruch tun. Zu diesem Ende bedarf es keiner besonderen Begünstigung des Bundespräsidenten, wodurch das Kind als ein eheliches erklärt wird.“ (§ 162)
■ Find ich gut:
Mittwoch, 14. September
■ Schöne Wohnungsanzeigen:
"Wohnung W 10 im 4. OG, bestehend aus mit Wandscheiben unterteiltem Wohnzimmer mit Kochnische, kleinem Flur, Bad/WC, Zimmer und Schrankraum, Bj. 1975 - Raumhöhe 2,5 m, die Wohnung ist möbliert und mit Kfz-Ersatzteilen und Sperrmüll vollgeräumt."
"Wie eine Insel zwischen den Ufern der zwei gewaltig strömenden Rios, Taborstrasße und Praterstrasse und am Rande der zwei Selvas, Augartenpark und Praterpark, die der Brandung standhalt, ist die winzige Schmuckstraße der zu Kauf freigegebenen Wohnung zu erleben!
Eine Gegend, mit einer unüberbietbaren Konzentration an Lebhaftem, Glühendem und Bunten massgeschneidert für lustige, neugirige, lernwillige, erläbnissüchtige Kulturmenschen mit permanenter Sehnsucht nach Neuem, Altem und nach Mystik!
Bestes Beispiel dafür, dass sich Kultur, Nostalgie und Modernes gut miteinander vertragen, ist die sich an großer Beliebtheit erfreuende blitzschnelle U2, die beinahe vor der Haustür der Einwohner zu Dienste steht und ihre Route wie ein magischer Kreis, das Wesentliche von Wien umschließt.
Eine hervorragende Gelegenheit, außer den zahlreichen Restaurants, Imbissen, Würstelständen und endlos vielen, der Kultur dienenden Etablissements, bieten die Autobushaltestellen der N 29 , 80 A sowie die Strassenbahnhaltestelle der Linie 2, um mit der einheimischen Nachbarschaft Bekanntschaften und Freundschaften zu knüpfen!
[...]
Da das Verhältnis Preis Leistung äußerst attraktiv und bescheiden, zu Gunsten des Käufers ausgefallen ist, bleibt dem künftigen Besitzer genügend materielle Reserve, um seine oder ihre Wunderwelt zum Leben zu erwecken! Denn in eine grosse Wunderwelt passt herlich eine kleine Wunderwelt .Wie die Watikan.Wie Monaco !"
Donnerstag, 15. September
■ Ich habe noch nie in meinem Leben an der Obstwaage beschissen. Überschlagsmäßig hätte ich durch absichtlichen, unauffälligen Wiegebetrug bisher immerhin tausend Euro sparen können. Trotzdem werde ich auch fortan ehrlich und gründlich wiegen.
■ Ich hasse Schlümpfe!
Freitag, 16. September
■ Spiele mit dem Gedanken, 2012 das "Jahr der Pflicht" zu begehen, also auf nichts mehr zu verzichten, sondern mir und geneigten Mitstreitern monatliche Bürden aufzuerlegen.
■ Schöne Beispielsätze aus dem „Wörterbuch der deutschen Idiomatik“:
“Auch ohne Brille fand sie die Cognacflasche mit schlafwandlerischer Sicherheit.“
“Ich bin geschlagen von meinem Busen.“
„Mit deinem komischen neuen Freund können wir nichts anfangen, der hat doch einen Furz im Kopf.“
“Der hat wohl einen Furz gefrühstückt, uns hier so anzubrüllen.“
“Unseren Jüngsten juckt die Schwarte – sieh nur, was er mit der Katze gerade anstellt!“
Samstag, 17. September
■ Petrus, ich danke dir: In der ersten Septemberhälfte bin ich am Rad kein einziges Mal nass geworden.
marc carnal