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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

15. 9. 2011 - 21:52

Clap Your Hands Say Yeah

Über das Comeback einer der ersten Buzz-Bands des Internet-Zeitalters und „Hysterical“, unser Album der Woche.

Ausgerechnet eine der ersten Blog-Sensationen der Mittleren 00er Jahre war gar nicht für die virtuelle Hyperwelt geschaffen. Als Alec Ounsworth und seine ehemaligen College-Mitstreiter 2005 die CDs ihres selbstbetitelten Debütalbums verpackten und versuchten, der enormen, über hymnische Blogeinträge und MP3-Verlinkungen aufbrausenden Bestellflut Herr zu werden, waren die Bandmitglieder eigentlich schon raus aus dem Freshman-Alter und dem studentischen Existentialismus zwischen Hörsaal, Probekeller, Pizza Slice auf Tastatur, Žižek und Dorm-Parties. Das hielt die fünf aus Philly aber auch nicht davon ab, einen relativ jugendlichen Namen für ihre Kapelle zu wählen und mit Indie-Knallern wie Satan Said Dance ordentlich an unseren Tanzbeinen zu zerren. Clap Your Hands Say Yeah, die zwischen Philadelphia und dem gerade trendy gewordenen Williamsburg zu Brookly hin und her pendelten, waren mit der ihnen quasi über Nacht zukommenden Aufmerksamkeit etwas überfordert. Doch sie klebten auch weiterhin eigenhändig Albumlabels auf braune CD-Hüllen und schickten die Dinger dann per Post an die Fans. DIY as Indie can. Als die Bestellungen die 50.000 Marke übersprangen, heuerte man zumindest für das Ausland ein Label an. Bis heute veröffentlichen Clap Your Hands ihre Alben in Eigenregie.

School of 2005

Clap Your Hands Say Yeah, Hysterical

clapyourhandsayyeah.com

Das Geniale an der zappeligen Band mit dem Quengelstimmensänger: die Truppe kam eindeutig aus dem Post-Punk – als Referenzpunkt dienen bis heute die frühen Talking Heads – doch der Sound verfügte über ein Eigenleben, das über die Songtexte auch noch den Geist des Zeitgeschehens atmete. Eine bis heute eher weniger beachtete Komponente der nordamerikanischen Indie-Rock-Renaissance der Nullerjahre war die social commentary-Qualität nicht aller, aber vieler Schlüsselbands, die sich jedoch auf eher subtile Weise erschloss. Es wurde nicht mehr so auf den Putz gehauen, wie noch im Vorgängerjahrzehnt. Aber SongschreiberInnen wie Win und Regine Butler, Amy Millan, Dan Boeckner, Kevin Drew oder Alec Ounsworth verstanden es, über die Schilderung persönlicher Verhältnisse und Geschichten Einblicke in die größeren Zusammenhänge zu gewähren, während sich die Neo-Folkies zeitgleich auf in die fantastische Introspektion und Isolation machten.

Clap Your Hands Say Yeah, Alec Ounsworth, Hysterical

Christian Lehner

Alec Ounsworth, Brooklyn 2011

In der Eiszeit der Neocons waren Arcade Fire die Sturmtruppe der Herzen, Broken Social Scene das Gegenkollektiv und Clap Your Hands Say Yeah die Querschläger aus der Künstlerklause. Der zentrale Song des namenlosen CYHSY-Debüts, der Indie-Disco-Hit Upon This Tidal Wave Of Young Blood trägt neben Stücken wie “Heavy Metal” und “The Skin Of My Yello Country Teeth“ genug Signifikanten für Interpretationswillige im Titel. „Upon ...“ löst bis heute Tanzreflexe und Endorphinsausen aus. Auf Textebene aber erzählt Ounsworth verklausuliert Grimmiges über die Kriege der USA. CYHSY waren 2005 so heiß, fettig und schweißtreibend, wie sie, verstört und pessimistisch waren.

Am Folgealbum „Some Loud Thunder“ ließ der gemeinhin als schwierig geltende Frontmann Alec Ounsworth den Impressionisten raushängen und diktierte seiner Formation ein sperriges Werk, das man aus heutiger Sicht als Indie-Chillwave mit Kopfschmerzen bezeichnen könnte, so tief wurden die Gesangspuren und Arrangements im Mix vergraben.

Clap Your Hands Say Yeah

gothamist.com

Wer sich die Mühe machte, die Dämmwolle zur Seite zu schaffen, stieß zwar auf pures Gold wie etwa den „Love Song No. 7“, den herzzereißenden Schmachtfetzen „Underwater (You And Me)“ oder das eingangs erwähnte „Satan Said Dance“, das noch einmal veröffentlicht wurde. Doch die Zeit, die es braucht, damit sich sperrige Werke erschließen, nahmen sich ab diesem Zeitpunkt immer weniger Reszensenten und Fans. Nicht für „Some Loud Thunder“ und auch nicht für irgendeine der tausenden, nachfolgenden Indie-Platten, die seit der quanitativen Überforderung durch das Internet vor allem eines müssen: schnell gefallen.

„Some Loud Thunder“ verhallte im Tosen der Datenmeere, die meisten Kritiken waren durchwachsen, nur wenige Fans klatschten vor Begeisterung in die Hände, die Internet-Hype-Backlash-Maschine hatte eines ihrer ersten Opfer gefordert. Schon bald verschwanden CYHSY von der Bildfläche. 2009 gab man die vorläufige Trennnung bekannt.

Schwieriges Timing und neues Album

Und nun, da viele von „damals“ wahrscheinlich schon Probleme mit der korrekten Nennung des Bandnamens haben, sind sie wieder da. Ounsworth fuhr zwischenzeitlich mit dem 2009 teilweise in New Orleans aufgenommenen Solowerk „Mo Beauty“ Kritikerlob ein und gefiel im selben Jahr auch mit dem Album „Skin And Bones“ unter dem Projektnamen Flashy Python. Heute behauptet er im Interview in Brooklyn, dass sich die Stammband nie wirklich getrennt hätte und seit zwei Jahren wieder miteinander proben würde. Fans und Kritiker zeigten sich jedenfalls überrascht von der Reunion. Aber eigentlich passt das Timing vollkommen zum Habitus eines Bandleaders, der sich nie so recht anfreunden konnte mit den Regeln und Erwartungshaltungen anderer.

Clap Your Hands Say Yeah, Alec Ounsworth, Hysterical

Christian Lehner

Wer sonst schiebt dieser Tage einem Hitalbum ein schwieriges nach? Wer noch veröffentlicht zwei Soloalben unter verschiedenen Projektnamen zur selben Zeit? Und wer beschließt nach knapp fünf Jahren ein Comeback - einer Zeitspanne, die zu kurz ist für den so genannten Kultstatus und zu lange für einen direkten Anschluss an die Karriere?

„Hysterical“ ist dann auch so etwas wie das „lost album“ von CYHSY geworden, das „eigentlich zweite“ Ding der Band. Alec beteuert zwar glaubhaft, dass er gar keine Publikumserwartungen erfüllen könnte. Dennoch klingt das Album über weite Strecken wie ein Geschenk an die Fans der ersten Stunde. Songs wie „Same Mistake“, „Ketamine And Ecstsay“ oder das Titelstück führen zurück in die Melodieseeligkeit des Debütalbums. Und da ist noch mehr. Während man sich auf den Vorgängern schon mal einige Takte Zeit ließ, kommt man jetzt in der Regel direkt zur Sache. Instant gratification. Die großzügige Mischung des angeheuerten Edelproduzenten John Congleton (Modest Mouse, St. Vincent, Pink Mountaintops) macht sich am pompöseren Sound bemerkbar und verschiebt die Koordinaten zusätzlich in Richtung Pop. Bläser, Streicher, ein veritables Synth-Orchester nehmen auf „Hysterical“ keine Gefangenen.

Clap Your Hands Say Yeah, Hysterical

clapyourhandssayyeah.com

"Hysterical" (self published im Vertrieb von Cooperative Music

Während auf der Veranda des Albums manchmal gar etwas zu lieblich konversiert wird, tollen die ungezogenen Knaben hinten im Garten. Das Bockige, es findest sich im letzten Drittel der Songs. Lange Instrumentalpassagen, Jams und chaotische Arrangements lassen Stücke wie „Alien“ und „Yesterday, Never“ gegen Ende hin ausfransen. Alec erklärt, dass sich daran die neu gefundene Lust am Zusammenspiel ablesen lasse, „Hysterical“ sollte „live“ nicht „studio“ sein. Das ist allemal gelungen.

Inhaltlich schafft Ounsworth erneut den Spagat, über seine Beobachtungen des Umfelds allgemeine Deffekte zu diagnostizieren. Zum Blutzoll der Kriege hat sich der gesellschaftliche Überlebenskampf in der Heimat gesellt, der nicht ohne Konsequenzen für das Zwischenmenschliche bleibt. „Hysterical“ erzählt also auch von der sozialen und existentiellen Verunsicherung, die Ounsworth und weite Kreise seiner Freunde und deren Familien ergriffen hat, von der Zerrüttung der Communities durch Zwangsversteigerungen und Arbeitslosigkeit, von der politischen Lagerbildung und Verhärtung, die Ounsworth im Alltag am überpatriotischen Gehabe der Nachbarn abzulesen vermeint, die plötzlich nicht mehr so freundlich grüßen und deren ausgestellter Flaggenklimbim immer deplazierter wirke.

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Ounsworth ist so viel Singer-Songwriter, dass er Stücke wie „Idiot“, „Same Mistake“, den Titelsong und „Ketamine And Ecstay“ in erster Linie als Selbstspiegelungen ausweist. Im Gespräch verknüpft er sie dann aber doch immer wieder mit der gesellschatlichen Stimmung des Landes:

„On July 4th I was leaving to do some press in Europe.There were the fireworks and everything. It was a strange moment because I had a lot of trouble imagining that the United States was a country that could celebrate in some unified fashion. At this point it seems impossible.”