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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

15. 9. 2011 - 17:05

Die Kunst des Scheiterns

Wells Tower schreibt mit seinem Debüt "Alles zerstört. Alles verbrannt" die Tradition der amerikanischen Short Story fort.

Wenn Short-Stories aus den Vereinigten Staaten hierzulande veröffentlicht werden, wird stets Ernest Hemingway als Referenz herangezogen. Auch Wells Tower kann sich diesen Vergleichen nicht entziehen, schon sein Verlag versucht ihn mit einem Hinweis auf den Literaturnobelpreisträger zu vermarkten.

Buchcover von Wells Towers "Alles zerstört. Alles verbrannt" in Gelb gehalten, mit einem symbolischen Kurzschluss darauf

s.fischer verlag

"Alles zerstört. Alles verbrannt" wurde von Malte Krutzsch und Britta Waldhof übersetzt und ist im S.Fischer Verlag erschienen.

In den ersten beiden von zehn Geschichten in Wells Towers "Alles zerstört. Alles verbrannt" haben die Protagonisten auch einige Gemeinsamkeiten mit den Helden Hemingways. Es sind raue Männer, die sich, mit einer Gehörigen Portion Alkohol, intus der Natur aussetzen. Bob Munroe in "Die braune Küste" etwa, fischt mit bloßen Händen Meeresbewohner aus einem Gezeitentümpel und Matthew Lattimore aus "Zuflucht" geht mit seinem Bruder auf Elchjagd.

Towers Repertoire an Charakteren ist allerdings breiter als das des Abenteurers. Mal ist es ein elfjähriger Junge, der direkt vom Erzähler angesprochen wird, ein anderes Mal ein Teenager-Mädchen das begleitet wird. Doch keiner von Towers Charakteren ist ein Held, alle sind vom Leben Gebeutelte. Bob wurde von seiner Frau hinausgeschmissen, nachdem er sie betrogen hatte, Matthew ist ein zweifach geschiedener Immobilienmakler, der am Rande des Konkurses steht und der Elfjährige leidet unter seinen MitschülerInnen und seinem Stiefvater, der ihn quält und als billige Arbeitskraft missbraucht.

Konflikte und Missverständnisse

In Towers Geschichten stehen nicht Heldentaten oder Abenteuer im Zentrum, sondern Konflikte, die sich meist interfamiliär auftun, und Missverständnisse, die sich im Zusammenleben ergeben.

Der 83-jährige Albert etwa beobachtet, dass bei seiner Nachbarin den ganzen Tag über Männer aus und eingehen. Als auch er sich aufrafft und sich bei der vermeintlichen Prostituierten für 20 Dollar Zärtlichkeiten abholen will, wird er von ihr ausgelacht. Albert fühlt sich vor den Kopf gestoßen, bis ihm die Nachbarin eröffnet, dass sie keine Hure sei. Sie verkaufe nicht ihren Körper, sondern Drogen.

Permanente Rückschläge

Towers Geschichten sind voll von unerwarteten Wendungen und skurrilen Ereignissen. Der Autor porträtiert die Hoffnungen seiner Protagonisten ihr Dasein zu verändern, legt ihnen aber immer wieder Steine in den Weg, die nicht alle stemmen können. Vor allem, wenn sie in Form von brutaler Gewalt auftreten.

Towers hält seine Beschreibungen schlicht, ebenso seine Dialoge. Seine Beobachtungen sind klar und erscheinen deshalb umso härter. Tower entwirft Bilder des amerikanischen Alltags, der bis auf eine Geschichte außerhalb der Metropolen stattfindet. Auch darin könnte man Parallelen zu Hemingway sehen, aber auch zu John Steinbeck. Tower selbst nimmt sich Richard Yates als Vorbild, kommt bei Nabokov ins Schwelgen, ebenso bei den Reportagen von George Orwell. Das Magazin "The New Yorker" ezählt Tower zu einem der 20 vielversprechendsten jungen amerikanischen AutorInnen, und wenn er so weiter macht wie in seinem Debüt, kann auch Tower bald zu einer Referenz werden.