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Simon Welebil

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13. 9. 2011 - 19:13

Kampf um soziale Absicherung

Mit einem Flashmob vor dem Sozialministerium machen „Neue Selbstständige“ auf ihre prekäre soziale Situation aufmerksam.

Dass Sozialversicherung nicht immer soziale Absicherung bedeuten muss, sondern vor allem für Selbständige auch zu einer Armutsfalle werden kann, hat in den letzten Tagen für Aufregung gesorgt. Vor allem die SVA, die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, ist in das Zentrum der Kritik gerückt. Es sind in erster Linie Einpersonen-Unternehmen (EPUs) und so genannten „Neue Selbständige“ , die ihrem Ärger Luft machen. Für viele Kritikpunkte fühlt sich die SVA aber nicht angesprochen, vor allem beim Mindestbeitrag zur Sozialversicherung und verweist auf den Gesetzgeber, dem sie den Schwarzen Peter zuschiebt. Die betroffenen Personen, angeführt von der Facebook-Gruppe Amici delle SVA haben deshalb ihren Protest ausgeweitet.

Der Gesetzgeber als Adressat

Suppenausschank am SVA Flashmob

FM4, Simon Welebil

Vor dem Sozialministerium am Wiener Schubertring steht eine Suppenküche. Bedürftige konnten sich dort an Erbsensuppe laben und sich nebenbei medizinisch versorgen lassen, kostenlos. Cosima Rainer, die Initiatorin der Amici delle SVA, fungiert als Ärztin und verteilt Medikamente.

Menschen mit Verbandatrappen

FM4, Simon Welebil

"Ich habe vor allem meine wunderbaren Tropfen gegen Magengeschwüre, weil die größte Sache ist ja immer dieser wahnsinnige Ärger, der sofort auf die Magenschleimhaut schlägt. Dann habe ich viele Multivitamintabletten, weil wir müssen ja rund um die Uhr arbeiten, um die SVA-Beiträge zu bezahlen. Dann habe ich natürlich Aspirin und Parkemed, weil wir können ja nicht zum Arzt, wir müssen die Krankheiten unterdrücken."

Etwa 40 Selbständige sind dem Aufruf der Amicis gefolgt, vor dem Sozialministerium gegen ihre soziale Situation zu demonstrieren. Einige von ihnen mimen Verletzte und tragen Pflaster oder Verbände. Sie alle haben ähnliche Erfahrungen mit der SVA gemacht, egal ob GraphikerInnen, BeraterInnen, PsychologInnen oder ProgrammiererInnen. Nach wirtschaftlich erfolgreichen Quartalen sind ihre Sozialversicherungsbeiträge gestiegen, und sie mussten zudem Nachzahlungen leisten. So konnten sie kein Geld zur Seite legen, und falls sie in den darauffolgenden Monaten schlechter verdient haben, hatten sie enorme Schwierigkeiten weiter ihre SVA-Beiträge zu zahlen. Bei der Eintreibung ihrer Außenstände gehe die SVA zudem sehr rigoros vor.

Frau mit T-Shirt: " Notarzt für die Opfer der SVA

FM4, Simon Welebil

Auch der Schauspieler Hubsi Kramar ist unter den Demonstrierenden. "Das Problem ist, in Österreich gibt es keine großen Rohstoffe. Jetzt ist der einfache Bürger der Rohstoff, den man ausbeuten kann. [...] Der Großteil von den Selbständigen hat ja nix. Dann gibt es reiche Selbständige, die sind aber gedeckelt, das heißt, die müssen ab bestimmten Einnahmen nicht mehr zahlen. Aber wir, die unten irgendwas verdienen - kaum zuviel, uns wird‘s das aus der Tasche gerissen. Und ich kenne so viele Leute, die einfach nicht mehr wissen, wovon sie leben sollen."

Im Ministerium kennt man die Probleme

Walter Pöltner ist für das Sozialministerium vor Ort. Der Sektionsleiter für Sozialversicherung kennt die Sorgen der Demonstrierenden. Die EPUs stünden vor großen ökonomischen Problemen und würden von der Wirtschaft oft ausgenützt. Für die Sozialpolitik stelle dies eine große Herausforderung dar, vor allem in den nächsten Jahren.

Kaffeetasse am SVA Flashmob, Schild mit Aufschrift: Psychologische Hilfe

FM4, Simon Welebil

Obwohl Pöltner Verständnis für die Anliegen der Selbständigen äußert, sieht er momentan wenig Spielraum für deren Umsetzung. "Viele Lösungen kosten auch Geld und Geld ist momentan in den öffentlichen Kassen sehr wenig vorhanden." Der Kampf um soziale Absicherung würde noch länger dauern, meint er weiter denn "der Kampf um soziale Absicherung ist auch ein Verteilungskampf in der Gesellschaft."

Die Amici delle SVA scheinen momentan bereit, diesen Verteilungskampf führen zu wollen. "Hartnäckig bleiben", das hat man ihnen im Ministerium geraten. Für die Amicis ist der Flashmob nur ein weiterer Schritt zum Zusammenwachsen gewesen. Aus ihren Aktionen soll eine starke Lobby erwachsen, die sich für die Interessen der prekären Selbständigen einsetzt. In den nächsten Wochen müsse man mit ihnen rechnen.