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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

14. 9. 2011 - 11:54

Die Grenze

Die Bulgaren haben ein Sprichwort: "Der arme Mensch ist der wahre Teufel." Und der Teufel kennt keine Grenzen.

Für 45 Jahren war Bulgarien die Außengrenze der sozialistischen Welt. Menschen aus ganz Osteuropa, die mit dem kommunistischen System nicht zufrieden waren, kamen als Touristen nach Bulgarien und versuchten in Griechenland und in die Türkei zu flüchten. Ich habe Geschichten über Leute gehört, die in der Nacht mit einem Deltaplaner von den Gipfeln der südlichen bulgarischen Bergen sprangen, mit der Hoffnung "in der Freiheit zu landen". Andere probierten ihr Glück mit einem Surfboard und schwarzem Segel. So wollten sie, von den Grenzbehörden unentdeckt, die türkische Schwarzmeerküste erreichen.

Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei

EPA Vassil Donev

Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei (2011)

Um die kommunistische Ordnung vor solchen Flüchtlingen zu schützen, hat der bulgarische Staat auf seiner südlichen Grenzen unzählige Schranken und Wachtürme installiert. Hunde liefen herum und die Grenzsoldaten hatten den Befehl zu schießen.

Bald nach dem Fall der Berliner Mauer fielen auch die bulgarischen Grenzschutzzäune auseinander. Die Teile, die nicht von der lokalen Bevölkerung gestohlen wurden, haben angefangen zu verrosten. Um die Grenze zu überqueren, musstest du nur die Richtung kennen.

Heute ist Bulgarien wieder eine Außengrenze – dieses Mal der Europäischen Union. Um Teil des Schengenraums zu werden, wurde Bulgarien aufgefordert ihre Grenze zur Türkei wieder aufzurüsten.
Früher wurden die Menschen vom System nicht rausgelassen, heute kommen sie nicht in das System rein.

Trotz Wiederaufrüstung der Grenze kommen Bulgaren und ihre nördlichen Nachbarn von Rumänien nicht vor 2012 in die Schengen-Zone. Laut den letzten Äußerungen des deutschen Innenministers Hans-Peter Friedrich sind die beiden Länder nicht bereit, in die "grenzfreie Zone" aufgenommen zu werden, wegen ihrer mangelnden Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung.

Hans-Peter Friedrich

EPA Christophe Karaba

Der deutsche Innenminster Hans-Peter Friedrich

Ja, Herr Friedrich hat recht. Die Korruption ist stark, die Bekämpfung dagegen sehr schwach. Ich habe einen Vorschlag an Herrn Minister, der auf der historischen Erfahrung Bulgariens basiert. Nach der Befreiung von der osmanischen Herrschaft Ende des 19. Jahrhunderts kamen viele Ingenieure, Architekten, Juristen und Musiker aus Österreich-Ungarn und Deutschland nach Bulgarien. Viele von ihnen blieben bis zum Ende ihres Lebens und übernahmen viele der Sitten der Balkanesen.

Ich schlage dem Herrn Innenminister vor, dass man die bulgarischen Polizisten mit deutschen austauscht. Ihre Gehälter sollen aber so wie jetzt bleiben. Ich wette, dass sie bald auch anfangen, Schmiergelder zu nehmen. Wenn sie für immer im Lande bleiben, wird alles genau so sein, wie jetzt. Aber wenn sie sich eines Tages entscheiden sollten zurückzukehren, wird der deutsche Minister den Feind im eigenen Bett haben. Wer sollte dann das friedliche Leben der Schengenbürger hüten?

Die Bulgaren haben ein Sprichwort: "Der arme Mensch ist der wahre Teufel." Und der Teufel kennt keine Grenzen. Ich weiß, die Minister im alten Europa haben viel mehr Erfahrung als ich. Und ich hoffe, sie werden sich bald etwas Anderes ausdenken als neue Grenzen zu bauen, auch wenn sie den schönen Namen "Schengengrenzen" tragen.