Erstellt am: 13. 9. 2011 - 19:23 Uhr
Orgie im Altersheim
Fünf lange Jahre sind seit dem letzten The-Rapture-Album "Pieces of the People We Love" vergangen. Jetzt bringen Luke Jenner, Vito Roccoforte, Gabriel Andruzzi - Bassist Matt Sager hat die Band 2009 verlassen - endlich ein neues heraus.
In the Grace of your Love
The Rapture, zu Hause auf James Murphys Label DFA, bringen sehr viele verschiedene Einflüsse, die alle mit der kreativen Explosion im New York der frühen 1980ern zu tun haben, unter einen Hut. Sie erinnern mich an eine Zeit, die ich nur aus Dokus kenne: No Wave, Post Punk, Funk und Disco hatten ihre Epizentren in nur wenigen Straßenzügen in Lower Manhatten - ESG und Liquid Liquid waren damals Experten für emotionale Coolness und Jean Michel Basquiat schlich durch die Straßen im Downtown 81.
An diese - von mir natürlich romantisierte und verklärte - Zeit erinnern mich The Rapture. An einen Zustand, in dem Vieles parallel existiert und noch nichts in Genres und Kategorien gepackt ist. Einen Zustand, in dem es Optionen und keine Definitionen gibt und in dem House Pianos, Kuhglocken und No-Wave-Gitarren miteinander im "House of Jealous Lovers" leben.
the rapture
Über diesen Zustand hätte ich gerne mit den Dreien von The Rapture gesprochen. Das ist aber nicht geschehen. Denn ich bin noch nie so falsch gelegen. Mein Instinkt und mein Verstand haben mich in Stich gelassen. Oder: The Rapture sind sehr genau, wenn es um ihre Arbeit geht.
Als ich "In the Grace of your Love" zum ersten Mal gehört habe, dachte ich mir, bei der Band und in den Leben der einzelnen Mitglieder muss wohl einiges schief gegangen sein. "In the Grace of your Love" klang für mich nach einem Album, in dem Trennung und Schmerz verarbeitet werden. Die Songs "Sail Away" und "Miss You" waren nur zwei meiner Indizien, der Weggang von Matt Safer ein anderer.
Doch als ich diese These Luke Jenner, Vito Roccoforte, Gabriel Andruzzi gleich zu Beginn unseres Gesprächs hinknalle, zeigen sie sich verwundert. Es wirkt, als würden sie sich ein: "Bist du dir sicher dass du die richtige Platte gehört hast" nur aus Höflichkeit verkneifen. Aber im Laufe des Gespräches werden wir uns einig. Und mir wird klar, dass The Rapture äußerst präzise sind, wenn es um die Erklärung ihrer Arbeit geht.
the rapture
"Trennung und Verlust - ich bin mir nicht so sicher. Ja, es gibt Elemente dieser Gefühle, aber die Platte ist mehr ein Transformationsprozess. Das, was geschieht, wenn du durch solche Phasen gehst und das, was dabei am Schluss herauskommt. Das ist Vergebung und die Fähigkeit, unbeschwert weiterzugehen."
Es sei nicht möglich, über ein Album als etwas isoliertes, über ein in sich geschlossenes Werk zu sprechen, meinen The Rapture. Ein Album ist Teil eines Prozesses, einer Geschichte. Wie in einer Beziehung - und die Alben sind die Kinder.
Was hab ich mit meiner ersten Frage nur losgetreten.
Anmerkung: Das Debüt, das Mini-Album "Mirror" wird im Gespräch unterschlagen
"Wir denken in großen Zusammenhängen. Wenn das erste Rapture-Album 'Echoes' die Band als unsicherer, sich selbst entdeckender Teenager ist, dann ist 'Pieces of the People we Love' ein Mittzwanziger. Du ziehst zusammen, du weißt mehr oder weniger, wer du bist. Und "In the Grace of your Love", das sind wir als 60, 70-Jährige."
"Die Orgie im Altersheim?", will ich wissen. Großes Gekichere und Ausweichen, es ginge zwar konsequent um Beziehungen, aber sie müssten nicht notwendiger Weise romantischer Natur sein.
Das Interview artet zur Therapiesitzung aus, aber mit mir auf der Couch. "In letzter Konsequenz geht es in unserer Musik immer nur um uns selbst. Jede Nummer ist wie ein Tagebucheintrag, sie zeigt dich an einem ganz speziellen Punkt deines Lebens, es ist sind Momentaufnahmen", meint Luke.
"Wir hatten schon ein ganzes Album fertig als Matty die Band verließ und wir haben von vorne begonnen. Im Grunde geht es immer nur um dich und deine Befindlichkeit und im besten Fall hast du etwas über dich erfahren."
In the Grace of your Love ist auf DFA/Cooperative Music erschienen.