Erstellt am: 13. 9. 2011 - 12:01 Uhr
Hochschulmilliarde?
Die Regierung stellt die Weichen auf Sparkurs. Aber Wissenschaft, Forschung und Bildung werden davon ausgenommen sein, sagt Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle. Nach ersten Budgetverhandlungen mit Finanziministerin Maria Fekter ist er zuversichtlich: "Die Hochschulmilliarde kommt." Der Optimismus des Wissenschaftsministers überrascht die RektorInnen der Universtitäten. Deren Forderung nach mehr Geld besteht zwar schon lange, aber die Chancen hat man zuletzt nur noch als gering eingeschätzt.
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Sonja Hammerschmid, Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien: "Ich würde mich sehr, sehr freuen, wenn es ihm gelänge, diese Milliarde zu bekommen. Und wer Karl-Heinz Töchterle kennt, weiss, dass er nicht etwas ankündigt, wenn er nicht selbst überzeugt davon ist, dass die Umsetzung realistisch ist."
Gäbe es die "Hochschulmilliarde" für die Jahre 2013 bis 2015, würde sich die VetMed-Uni rückentwickeln, sagt Sonja Hammerschmid: "Wir müssten ganz stark darauf achten, den normalen Betrieb aufrechterhalten zu können. Ohne die Hochschulmilliarde könnten wir Abgänge unter den Professoren und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, die in Pension gehen, nicht nachbesetzen. Wir könnten Modernisierungsmaßnahmen an den Universitätskliniken nicht vornehmen, zum Beispiel einen Umbau unserer Notfallambulanzen, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind."
"Notbetrieb
Ähnliche Sorgen drücken auch Studierende selbst aus, wenn man sie in den Unis nach der jetzigen Situation befragt. "Es besteht seit Jahren ein Notbetrieb hier", sagt ein TU-Student in Wien. "Es ist nicht genug Personal da. In einem Raum mit 40 Computern sitzen 80 bis 100 Studierende." Ein anderer Student erzählt: "Software, die fürs Architekturstudium notwendig ist, wird von der Uni nicht zur Verfügung gestellt oder zumindest verbilligt angeboten – sie kostet 4000 Euro. Studierende laden sie in ihrer Not via Bit-Torrent-Tracker runter." Ich höre von Übungen, die bis 2 Uhr Früh dauern, weil die Gruppen viel zu groß seien. Der jetzige "Notbetrieb" der Unis würde noch verschärft, wenn es die versprochene "Hochschulmilliarde" nicht gäbe: "Wir hätten noch weniger Prüfungstermine als jetzt. Es hätten noch weniger Studenten die Möglichkeit, Übungen zu besuchen." Bei fast allen Studierenden, die ich befrage, dominiert aber Skepsis, ob die angekündige "Hochschulmilliarde" in weiteren Verhandlungen mit Finanziministerin Fekter überhaupt halten wird. "Wahrscheinlich wird's dann weniger Geld sein. Aber 'Hochschulmilliarde' ist halt ein Wording mit hohem Marketingwert."
blumenau
Viele Studierende hegen die Vermutung, dass am Ende der Verhandlungen Studiengebühren angekündigt werden, deren Höhe die Universitäten selbst festlegen können.
Für die Befürchtung gibt es guten Grund: Die "Hochschulmilliarde" des Wissenschaftsministers ist an eine Reihe weiterer Vorschläge gekoppelt. Karl Heinz Töchterle will dem Koalitionspartner SPÖ ein Gesamtpaket schmackhaft machen, das neben der Budgeterhöhung für 2013 bis 2015 auch zahlreiche Maßnahmen aus seinem im Sommer vorgestellten "Hochschulplan" enthält – Zugangsbeschränkungen und bis zu 1000 Euro Studiengebühren pro Jahr inklusive.
Hans Sünkel, Rektor der Technischen Universität Graz und Präsident der Universitäten-Konferenz, bewertet positiv, dass die angekündigte Hochschulmilliarde Teil eines Gesamtpakets sein soll. Besonders dem Vorschlag von Studiengebühren, über deren Höhe die Unis autonom entscheiden, kann er einiges abgewinnen: "Ich finde, das ist auch eine Möglichkeit, dass die Studierenden eine engere Bindung an die Universität erhalten, wenn sie direkt jener Institution gegenüber eine Studiengebühr entrichten, von der sie auch eine Leistung erhalten."
Die seitens der Uni-Konferenz seit langem bestehenden Forderung nach zusätzlichen 300 Millionen Euro jährlich erklärt Sünkel so: "Der akkumulierte Preisanstieg während der sogenannten Leistungsperiode 2010 bis 2012 macht in Summe rund zehn Prozent aus. Und zehn Prozent von drei Milliarden Budget der Universitäten ergibt 300 Millionen." Für ihn ist die Hochschulmilliarde in den Jahren 2013 bis 2015 also hauptsächlich ein Teuerungsausgleich.
"Schummelpaket"
Die Österreichische Hochschülerschaft bezeichnet die Hochschulmilliarde deswegen als "kleines Schummelpaket". Bei den 300 bis 330 Millionen mehr in den Jahren 2013 bis 2015 handle es sich um die Erfüllung einer Minimalforderung, sagt Martin Schott - von Weiterentwicklung des Hochschulsektors könne keine Rede sein. "Es gab mehrmals den Beschluss im Nationalrat, dass den Hochschulen zwei Prozent des BIP zur Verfügung stehen sollen", erinnert Schott. "Wir fordern einen Fahrplan dorthin. Das würde bedeuten, dass es pro Jahr eine Milliarde mehr gibt. Dann wären wir im ersten Jahr auf 1,5 Prozent des BIP, und dann geht das immer weiter bis wir 2 Prozent erreichen. Das wäre eine Weiterentwicklung für den Hochschulraum in Österreich."
Auch die SPÖ reagiert verhalten auf die Pläne des Wissenschaftsministers. Zwar begrüße man die angekündigte Hochschul-Milliarde. Aber man wolle den freien Hochschulzugang erhalten und sei gegen Studiengebühren. Über neue Zugangsbeschränkungen wolle man mit dem Minister verhandeln.