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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 9. 2011 - 22:00

Fußball-Journal '11-99.

Die kleine Lösung halt... der ÖFB drückt sich mit einer schnellen Finte um die anstehende Strukturreform.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute wieder mit dem offene ÖFB-Thema, eh klar, nach der Sport-am-Sonntag-Diskussion.

Weil die wunderbare tvthek (wegen des auf Druck der Verleger-Lobby so gestalteten ORF-Gesetzes) nix länger als eine Woche ausstellen darf: ein Youtube-Link auf die Sendung.

Hier übrigens die Liste der - laut Willi Ruttensteiner - inexistenten Nebenjobs der ÖFB-Trainer.

Dietmar Constantini (A-Team): Jugendcampleiter.
Manfred Zsak (A-Team): bis kürzlich ORF-Experte.
Franz Wohlfahrt (A-Team): Event-Agentur, Servus-TV-Experte.
Andreas Herzog (U21): Sky-Experte.
Michael Baur (U21): Co-Trainer LASK.
Otto Konrad (U21): bei Grödig Torwart-Trainer.
Andreas Heraf (U20/U17): Sky-Experte.
Michael Konsel (U19): Sky-Experte, Society-Star.

Also eh nix, oder?

Es wird also die kleine Lösung sein.
Wenn nichts dramatisches passiert, dann heißt der neue Teamchef ab 1.1. Franco Foda; und außer diesem Personentausch wird sich nicht viel ändern.
Womöglich kriegt der Mainzer einen Team-Manager für Orga und Medien-Kontakte - das hatte ÖFB-Chef Windtner unlängst als so geäußert (siehe: Punkt 8). Der im gleichen Aufwaschen erwähnte Jugendkoordinator (siehe: Punkt 3) ist, wenn man Willi Ruttensteiners Äußerungen von heute abend folgt, nicht nötig - da klappt eh alles super.
Vielleicht steigt der technische Direktor nach seinem heutigen Aggressive-Leader-Auftritt in Sport am Sonntag auch zu einem echten Sportdirektor (siehe: Punkt 2) auf.

Tiefgehende Analyse der sportlichen Talfahrt, des taktisches Debakel und der katastrophalen Kommunikationspolitik der Ära Constantini wird es nicht geben - das hat die schnelle Kür verhinder. Strukturreformen wie die Vereinheitlichung der Strategie in den Jugendnationalmannschaften (samt Übergang ins A-Team) wird es nicht geben: ist laut Ruttensteiner nicht nötig, weil eh alles super.

Weil eh alles super ist, reicht eine kleine Personalie aus

Dass die Nachwuchs-Coaches mehr in ihren Nebenjobs glänzen, ist nur eine dreiste Unterstellung meinerseits - eine durchgehende Hauptamtlichkeit ist also auch nicht nötig, weil eh alles super. Ebensowenig wird sich die in den vielbesprochenen 90er-Jahren feststeckende Funktionärs-Attitüde des ÖFB, die viel von Hannes Kartnig und wenig vom 21. Jahrhundert hat, ändern.
Eine durchgehende Spiel-Philosophie samt erlebter Praxis gibt es laut Ruttensteiner auch bereits - dh auch die Punkte 1, 2, 4-7 und 10 kann man als erledigt abhaken.

Und das alles, weil die Teamchef-Bestellung (siehe: Punkt 9) so supereasy geklappt hat. Gut überlegtes Anforderungs-Profil, internationale Suche, seriöse Evaluierung - alles papperlapapp!

Nachdem das letztemal der blitzneue ÖFB-Präsident sich einen Teamchef wünschen durfte, ist jetzt der Bundesliga-Präsident dran. Und Hans Rinner wünscht sich Franco Foda. Sein Wunsch ist dem Verein und dem ÖFB-Präsidium Befehl (das nächstemal darf dann eh wieder ein anderer...) - Sturm sucht für die Frühjahrssaison einen Coach (Foda spielt die Euro-League noch fertig) und alles löst sich in Wohgefallen auf.

Warum das keine lächerliche, sondern eine kleine Lösung ist

Dass ich diese durchaus österreichische, wenig durchdachte und nach machtpolitischen Konstellationen durfchgezogene Lösung nicht als "die lächerliche" sondern "die kleine" Lösung bezeichne, hat seinen Grund.

Franco Foda verfügt über ein Feature und steht bei einer größeren Macht in der Pflicht. Beides wird dazu führen, dass sich Einiges doch zum Besseren wenden wird.

Fodas Feature: er hat ein System, eine Spiel-Philosophie. Wir haben sie bei Sturm die letzten Jahre über gesehen. Foda zieht sein 4-4-2-flach durch, mit mikrotaktischen Variationen. Fodas Teams wissen was sie tun (sollen). Man kann diesem System gegenüber stehen wie man will: es ist zumindest eines; und eines, das nicht (wie bei den meisten heimischen Trainern) im vorigen Jahrhundert steckengeblieben ist, sondern eines, dass sowohl die gestiegene Bedeutung der Außenverteidiger und der Sechser deutlich widerspiegelt.

Fodas System ist vergleichsweise schnell erarbeitet. Ob es zum aktuellen Personal, dass der ÖFB-Teamchef zur Verfügung hat, passt, ist eine andere Frage. Dass Foda keiner ist, der schnell reagiert und ins Spiel eingreift, ist auch bekannt.

Ab jetzt steht alles was der ÖFB tut in der deutschen Auslage

Fodas zweiter Vorteil: er steht nicht nur in Österreich unter Beobachtung - seine deutschen Landsleute werden sehr genau alles verfolgen, was seine Arbeit und deren Früchte betrifft; schließlich ist man wieder für zwei Jahre Gruppengegner. Für Foda super, weil im Erfolgsfall natürlich ein lässiger Job in der deutschen Bundesliga oder gar beim DFB rausspringen könnte.

Das heißt aber auch, dass Österreichs Fußball und sein Verband unter deutlicher deutscher Beobachtung stehen werden, auch medial. Und das Entsetzen der deutschen Kollegen über das System Constantini muss erst einmal ausgeräumt werden.
Foda wird also gut daran tun zumindest die nach außen sichtbaren Strukturprobleme des ÖFB (Außenwirkung, Medienarbeit, der offenliegende taktische Nachholbedarf etc) gezielt aufzuarbeiten.

Dabei wird ihm seine, vorsichtig gesagt, nicht gerade überproportionale Kommunikationstüchtigkeit seinen Spielern gegenüber (denn da war nicht immer, auch nicht im Meisterjahr, alles Eitel Wonne - man stand intern oft an der Kippe zu einem offen ausgetragenem inneren Konflikt) im Weg stehen.

Besser als die vielen kolportierten Alptraum-Kandidaten

Wenn der öffentlich so ruhig und stabil wirkende Deutsche diese leichte Instabilität überkommt, dann steht er (und wir mit ihm) weit besser da als so gut wie alles, was sonst noch im Gespräch war - Rehhagel, Jara, Daum und Konsorten.

Nachtrag: am Dienstag übernimmt vorläufig Willi Ruttensteiner die Macht (sein rescher Auftritt hat Wirkung gezeigt) - Constantinis Vertrag wird aufgelöst. Der Neue soll dann ab 1.1.12 kommen.

Der große Sprung nach vorne, the great leap forward, den die Schweiz 1992, den Deutschland 2004 gewagt hatten, der ist das natürlich nicht. Es sei denn Franco Foda schafft eine Palastrevolution; aber da der ÖFB nicht sein Endziel ist, wäre das fast etwas viel verlangt.

Um mehr als nur einen kleinen Schritt hat man sich mit der Foda-Finte effektvoll herumgedrückt. Auch weil das, diesmal durch den eloquenten technischen Direktor vermittelte, Selbstbild eh super ausnimmt. Wenn man da nur nicht in einen Prater-Zerrspiegel reingeschaut hat.