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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

11. 9. 2011 - 00:49

Wir alle sind New Yorker

Weil wir ...

... mit Feivel dem Mauswanderer von der Freiheitsstatue begrüßt wurden, mit Salvadore Dali und einem riesen Baguette unterm Arm die neue Welt betraten, mit dem jungen Vito Corleone durch die Einwanderungsbehörde Ellis Island geschleust wurden, mit Nico auf All Tomorrow’s Parties tanzten, mit Bill „The Butcher“ Cutting die Five Points/den Warriors Coney Island/den Wanderers die Bronx und Patrick Bateman die Wall Street unsicher machten, mit Basquiat durch ein abgeratztes Downtown schlenderten, mit Bianca Jagger auf einem Pferd ins Studio 54 ritten, mit Jay-Z in den Marcy Projects dreckige Deals machten, mit John McEnroe in Flushing Meadows fluchten und dann Bjorn Borg schlugen, mit Blondie den Disco an die Bowery brachten, mit Malcom X in Harlem diskutierten, mit Walt Whitman den Fort Green Park in Brooklyn gründeten, mit dem Spaceman auf Plateauschuhen den New York Groove tanzten, mit Sufjan Stevens über die BQE sausten, mit Woody Allen und Diane Keaton auf der Parkband vor der Manhattan Bridge saßen,

Für die Kommunikations-
wissenschaft ist das ganz einfach. Je näher das Objekt der Berichterstattung, desto emotionaler sind wir involviert. Warum selbst vielen überzeugten AntiamerikanerInnen beim Einschlag der Flugzeuge in das World Trade Center der Atem stockte, hatte demzufolge nicht nur mit dem Überraschungs-
moment, der Monstrosität und Gewalt der Live-Bilder zu tun.

Er/sie empfand das Attentat in der Regel wohl auch als Angriff auf ein Stück emotionaler Heimat oder der eigenen Identität. Wir kennen New York City über Medien und Popkultur besser als die nächstbeste Bezirkshaupttadt - auch diejenigen von uns, die noch nie leibhaftig einen Fuß in den Big Apple gesetzt haben. Genau deshalb sind wir alle auch New Yorker.

new york

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mit Patty Smith und Jim Carol in der St. Marx Church Gedichte vortrugen, mit Klaus Nomi Kuchen für die Downtown-Szene bucken, mit James Murphy in einer Kneipe in Williamsburg sangen „New York I love you, but you’re bringing me down“, mit Jack Karouack in der White Horse Tavern versumpften, mit DJ Grand Wizzard Theodor beim großen Black Out 1977 ein bisschen Equipment klarmachten, mit Jacob Riis die sozialen Missstände in der Low East Side dokumentierten, mit Bob Dylan im Washington Square Park abhingen, mit John Belushi die Saturday Night Live Show rockten, mit den Beastie Boys keinen Schlaf in Brooklyn fanden, mit Harry und Sally bei Katz’s einen Orgasmus fakten, mit Peter Parker durch die Häuserschluchten Midtowns schwangen, mit Gene Kelly über die 42nd Street zum Times Square steppten, uns mit Samantha selbstbwusst durch sämtliche Betten Manhattans schlampten, mit Biggie Smalls auf der Fulton Street die Würfel rollten, mit Sid und Nancy ins Chelsea Hotel eingecheckten, mit King Kong auf die Spitze des Empire State Buildings kletterten,

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10 Jahre nach 9/11

Duke Ellington im Cotton Club über die Schultern lugten, mit Karen O. im Brownies kreischten, mit Spike Lee in Bed Stuy schwitzten, mit dem Taxi Driver unserem Spiegelbild drohten, mit Todd P Underground-Parties in Brooklyn organisierten, mit den Swans Schwanengesänge anstimmten, mit Tom Wolfe die Cocktail-Parties der Upper Class studierten, mit Al Pacino die Dog Days verfluchten, mit Norman Mailer gegen die Mächtigen zürnten, mit Sonic Youth in dirty boots herumliefen, mit Antony eine Drag- und Cabaret Show im East Village hosteten, mit den Ramones das CBGB zerlegten, mit dem Wu Tang Clan Staten Island in einen Tempel verwandelten, mit Scorcese durch die Mean Streets zogen, mit Jerry, Kramer, George und Elaine im Diner an den Ecke über den Soup Nazi schimpften, mit TV on The Radio groß in der Radio City Music Hall aufspielten, mit Frankie Boy On The Town waren, mit den Bad Brains die letzte Show im Max‘s Kansas City spielten, mit Lou Reed und John Cale Andy Warhol ins Grab nachsangen: „There are no stars in the New York sky, they all are on the ground“, mit ...