Erstellt am: 10. 9. 2011 - 22:39 Uhr
Fußball-Journal '11-98.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einer Fortsetzung des Fußball-Journals '11-97: Ein neuer ÖFB-Teamchef allein nützt überhaupt nichts. Zehn Maßnahmen für den Herbst 2012. Diese Erkenntnis mag in der Öffentlichkeit durchaus angekommen sein - den allmächtigen Präsidenten der Landesverbände ist das aber blunznwurscht.
Um mit etwas Positivem zu beginnen: ich bin durchaus angenehm überrascht darüber, dass zumindest einige den Medien sich nicht wie sonst immer in der Österreich-sucht-den-Superteamchef-Einfalt ergötzen (egal ob sie dort ihre Schlagzeilen suchen oder schnell mitcampaignisieren wollen), sondern deutlich darüber hinaus blicken. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass es erstmals seit ewigen Zeiten einen aktiven und denkstarken Coach gibt, der unangenehme Wahrheiten anspricht nämlich), hinter dessen breiten Rücken sich deutlich besser argumentieren lässt.
Es hat aber, denke ich, ebenso damit zu tun, dass die analytischen Beobachter in den neuen Medien den Druck auf die alten Medien erhöht haben mehr als nur braven Verlautbarungs-Journalismus zu betreiben, sondern auch einmal das, was sonst nur intern geäußert und mit Rücksicht auf ein angeblich zu deppertes Publikum dann immer hintangestellt wird, öffentlich zu machen.
Seriöse Analyse, in Ländern mit einer funktionierende Sportpresse schon lange Usus, erfährt hierzulande gerade seine ersten Triebe.
Und deshalb ist die mittlerweile auch vom Medien-Mainstream getroffene Feststellung dass ein simpler Teamchef-Wechsel wenig, und nur eine Runderneuerung des Systems ÖFB wirklich viel bringen würde.
Netzwerker, Ellbogen-Checks und Debattenführer
Dass dazwischen kleine Ellbogen-Checks in Richtung der Netzwerker der Internet-Plattformen ausgeteilt werden - geschenkt. Natürlich ist der Medien-Mainstream nicht erfreut darüber seine Exklusiv-Rolle als Diskurs-Führer jetzt mit einer neuen Generation mit anderen Zugängen teilen zu müssen.
Natürlich ist weder die Trottelgate-Affäre noch das Aufkommen der Taktik/Analyse-Blogs der Auslöser für die Ende der Ära Constantini, sondern die sportlich, kommunikationstechnisch verheerende Bilanz eines Trainerteams, das deutlich merkbar den Anschluss an das 21. Jahrhundert nicht mehr gefunden hat.
Die Modernisierung ist überfällig, der Medien-Mainstream sieht das (mit Ausnahme der Boulevard-Strippenzieher, die bei der Besetzungspolitik mitmischen wollen) auch so.
Der ÖFB nicht; sagt, implizit, Paul Gludovatz.
Und da hakts dann. Wenn nämlich, wie er andeutet, Pläne, die weit über journalistische Anregungen hinausgehen, eh bereits fixfertig in den Schubladen liegen, aber dort geblockt bleiben, beißt sich die Katze in den Schwanz.
Problemfeld Länderverbandspräsidenten
Denn sowohl über den neuen Teamchef als auch über den Start ernsthafter Strukturreformen entscheiden die härtesten der Beton-Köpfe des ÖFB. Leute wie Josef Geisler oder Hans Gartner, mächtige Funktionäre, Landespräsidenten.
Der Landespräsident ist der Chef des jeweiligen Fußball-Verbands der Bundesländer. Sie sind nominell tzuständig für Amateur-Fußball bis rauf in die Regionalliga, den Nachwuchs und die Infrastruktur. Zusammen sind sie der ÖFB. Und da spießt es sich dann: die Länderkaiser sind nämlich die, die über den Weg, den der Bund gehen muss, entscheiden.
Das wäre in etwa so als würden die Landeshauptleute Österreich regieren: ein provinzieller Alptraum.
Damit das nicht nach Wiener Hochnäsigkeit klingt: es gab Wiener Landespräsidenten, die auf grauenvolle Weise provinzieller waren als alle anderen zusammen. Und ich habe auch mit Landesverbänden jenseits des Wienerwalds zu tun gehabt, die praxisnahe, zukunftsorientierte, pfiffige, ganz einfach hochmoderne Ansätze hatten und wirkungsvolle Arbeit leisteten.
Wo die Mauer steht, ist keine Entwicklung möglich
Leider sind erstere schon noch in der Mehrheit.
Und sie haben Erfahrung in politischer Arbeit - in Sportverbänden, in Partei und Kammer-Strukturen. Die wissen wie der Hase läuft, wie man Probleme
Letztlich ist auch der aktuelle ÖFB-Präsident, ein ehemaliger Landeschef einer aus dieser Riege - auch wenn er seit seinem Bundes-Engagement deutlich dazugewonnen hat.
Und im Entscheidungs-Gremium, dem ÖFB-Präsidium, haben die Blockierer die Mehrheit. Auch weil der dort kooptierte Bundesliga-Präsident Rinner ähnliche strukturkonservative Ansätze hat.
Gegen das, was die Herren Geisler oder Gartner in den oben verlinkten Interviews an grotesken und verzopften Küchenpsychologismen und Stammtisch-Dampf äußern, wirkt Rinner zwar ein Mann der Moderne (und Constantini wie ein Taktikfuchs von Kloppschem Niveau) - genau diese Landeskaiser aber sind es, die jegliche mögliche Entwicklung blocken werden. Da können sich die Praktiker, die Experten, die Netzwerker und die Mainstream-Medien noch so sehr emanzipieren und inhaltlich endlich das 21. Jahrhundert des Fußballs erreichen - solange die Präsidenten eine Mauer machen, ist keine Entwicklung möglich.
Sich selber abschaffen? Sicher nicht!
Denn eines wissen diese Jongleure der Macht, die Königsmacher aus dem fußballerischen Mittelalter: dass sie dann, wenn sie die Zusage für eine Neustruktur des ÖFB geben, sich und ihre Hausmacht-Positionen ausgeben müssen.
Das wäre zwar dringend nötig, soll sich das ÖFB-Team jemals wieder aus der Unterschicht in Richtung Mittelklasse bewegen. Das nötige Opfer dafür werden die Landesfürsten aber nicht bringen.
Die wirklichen Opfer werden alle sein, denen wirklich was am Fußball und seiner Enwicklung liegt - wir werden sie für ein paar private Eitelkeiten bringen müssen.
Der ÖFB ist allerdings kein Privatspielzeug, sondern eine für Identitätsstiftung bedeutende Institution öffentlichen Interesses.