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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

10. 9. 2011 - 17:46

Mensch-Maschine-Kommunikation

Elf Jahre ist es her, als First-Person-Shooter und Rollenspiel erstmals in einem nahezu perfekten Mix vereint worden sind. Jetzt ist ein neuer Teil von "Deus Ex" erschienen.

"Deus Ex" (2000) ist ein Spiel, bei dem man sich aussuchen kann, ob man sich seinen Weg frei schießt oder sich geräuschlos überall vorbei schleicht. Ob man den Weg durch die Vordertür nimmt oder sich einen versteckten Zugang aus dem Untergrund sucht. Ursprünglich vom Star-Designer Warren Spector ("Wing Commander", "System Shock", "Thief") entworfen und 2003 mit einem Nachfolger ausgestattet, ist nach langem Warten Ende August ein neuer Teil der Reihe erschienen. "Deus Ex: Human Revolution" taucht wieder in die düstere Science-Fiction-Welt ein, in der Menschen mit intelligenten Nanoimplantaten versehen werden können.

"Deus Ex" thematisiert die philosophische Denkrichtung des Transhumanismus.

Im Jahr 2027 sind Körperbehinderungen komplett heilbar. Wer das nötige Geld hat, lässt sich Microchips und künstliche Organe operieren: schlaue Maschinen, die als Beinprotesen oder Augen dienen, kleine Computer, die die Gehirnfähigkeiten erweitern. Das Medikament Neuropozin dient dazu, dass der menschliche Körper die Abwehrreaktionen unterdrückt. Adam Jensen braucht das Neuropozin aber seltsamerweise nicht, sein Körper passt sich auch nach den vielen Operationen den Implantaten auf eine erstaunliche Weise an. Ein schwerer Unfall hat bei ihm eine Menge künstlicher Organe und Erweiterungen, die sogenannten Augmentierungen, notwendig gemacht.



Jensen sieht aus wie Neo aus "Matrix". Er ist Chef der Security bei Serif Industries, dem größten Unternehmen für Nanoimplantate. Der Konzern wird seit kurzem von einem im Untergrund arbeitenden Bündnis namens "Purity First" terrorisiert, das die Menschheit vor den maschinellen Erweiterungen schützen möchte, die humanitären Werte in Gefahr sieht und die Augmentierungs-Industrie für ethisch unverantwortlich hält. Die Anschläge und Morde nehmen zu, die Verschwörung wird immer größer und natürlich sind wir mit unseren neuen Superkräften nun der perfekte Mann um all dem auf die Spur zu kommen. In welcher Reihenfolge und Weise wir unsere Missionen erledigen, bleibt freilich uns überlassen.

Adam Jensen versteckt sich mit angelegtem Gewehr in einem Büro, das von mehreren bewaffneten Männern bewacht wird.

Square Enix

Schwieriges Schleichen

Ganz großartig: Die "gehackte" Website von Sarif Industries.

"Deus Ex: Human Revolution" setzt die originale Formel aus dem Jahr 2000 fort. Das Spiel wechselt fließend zwischen Action- und Rollenspielpassagen. Sind wir hinter feindlichen Linien, ist es am besten, unentdeckt zu bleiben, weil offene Schussgefechte meist böse enden und uns sowieso dauernd die Munition ausgeht. Schleichen ist aber auch nicht einfach: Wie soll man unentdeckt durch einen offenen Raum tapsen, in dem fünf Patrouillen Wache halten während wir gerade mal drei Pfeile im Betäubungsgewehr haben? Wenn nicht gekämpft wird, streifen wir durch die Stadt, hacken Türschlösser, erarbeiten uns - ganz Rollenspiel-typisch - neue Fähigkeiten für unsere Körpermaschinen und hanteln uns in Gesprächen und Verhören unseren Missionszielen näher.

Die in "Deus Ex" erzählte Geschichte ist erfreulich tiefgründig. Der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Nanoimplantate ist aufwändig inszeniert, beide Fraktionen haben nachvollziehbare Standpunkte. Das Integrieren von realen Orten und Organisationen wie etwa der UNO unterstützen die Glaubwürdigkeit des Settings.

Adam Jensen sitzt auf einem Stuhl und raucht eine Zigarette.

Square Enix

"Deus Ex: Human Revolution" von Eidos Montreal und Nixxes Software ist im Vertrieb von Square Enix für PC Windows, PlayStation 3 und Xbox 360 erschienen.

Spielerisch ist das einzige Problem, dass der Schwierigkeitsgrad recht hoch ist und sich zu sehr an alten Hardcore-Gamer-Tugenden orientiert. Selbst auf der niedrigsten Stufe wird unser Proto-Terminator regelmäßig niedergeschossen und beim Wandern durch das futuristische Detroit und dem Hacken von Geräten muss man sich seine Erfolge mitunter mühsam und mit viel Such- und Geschicklichkeitseinsatz erkämpfen. Das macht "Human Revolution" zwar zu einem perfekten Titel für erfahrene Gamer/innen, die zu den spielerischen Herausforderungen auch eine hochwertige Geschichte geliefert bekommen. Wer allerdings nur gelegentlich spielt und sich auf den Erzählstrang konzentrieren möchte, wird schnell das Handtuch werfen. Das ist bei einer herausragenden Serie wie "Deus Ex" doppelt schade und insofern enttäuschend, als in den letzten elf Jahren seit dem Originalspiel das Wesen von Videospielen deutlich einsteigerfreundlicher geworden ist. Wer aber die Herausforderung annimmt und genügend Zeit und Geduld investiert, wird von "Deus Ex: Human Revolution" mit einem spielerisch fordernden und philosophisch anregenden Spieleerlebnis entlohnt.