Erstellt am: 8. 9. 2011 - 12:01 Uhr
Not so spicy!
Am 7. Dezember 2011 sind die Red Hot Chili Peppers in der Stadthalle Wien
Es ist viele Jahre her, dass ich mich zuletzt für FM4 mit einer Band beschäftigt habe, die mich einen Teil meines Weges begleitet hat – die Red Hot Chili Peppers. Als jemand, der Hüsker Dü viel zu spät, die Pornography Phase von The Cure viel zu früh und die Neubauten überhaupt nur per Zufall kennenlernte, ist es mir auch nicht peinlich, die RHCP in den Kanon jener Bands einzureihen, die mich in jungen Jahren „formten“ und bewegten.
Ich glaube, es waren noch nicht mal die 90er, als mich ein Schulkollege überredet hat, „diese Band aus Kalifornien“ live im damaligen Rockhaus in Wien 20 zu sehen – knapp vor dem Erscheinen von „Blood Sugar Sex Magic“ und dem damit verbundenen Aufstieg in den Mainstream-Olymp.
Kiedis, Flea, Smith, ganz früher der viel zu früh verstorbene Hillel Slovak und später der unverwechselbare Frusciante hatten ein besonderes Talent, Punk, Funk und Popmelodien mit einer Leichtigkeit zu mixen, die den Geist dessen ausmacht, was gemeinhin als „Surfer-Spirit“ romantisiert wird.
Immer mit diesem latenten Hang zum Skandal der Sorte "Jackass", hatte ihre Musik die Melancholie von verdrogten Nächten am Pazifikstrand, aber auch die selbstzerstörerische Kraft des Punk und den irrwitzigen Antrieb eines George Clinton.
rhcp
Von den ganz alten Platten über die große "Mother´s Milk" und eben "Blood Sugar Sex Magic" schafften die RHCP etwas, das zurecht als Merkmal der ganz großen zusammengefasst werden kann: Sie erschufen eine Art Signature Sound – verantwortlich dafür waren alle vier: Das geniale Organ von Kiedis der schon immer Gesang und Rap in seiner ganz eigenen Art verdichtete, die messerscharfen Chad Smith Drums und natürlich auch der Ausnahmebassist Flea sowie das nach vier Takten erkennbare Gitarrenspiel von zuerst Slovak und dann Frusciante.
Is where I drew some blood...
Und doch machte die einzigartige Chemie zwischen den vier, die RHCP sind eine Band die über sehr viele Jahre aneinander klebte und beinahe geschwisterliche Beziehungen zueinander pflegte, dann nochmal einen Extrabonuspunkt aus. Mehr als die Summe der einzelnen Teile eben, falls man Kante an dieser Stelle strapazieren möchte.
Jedenfalls hat es für mich gereicht, die RHCP beinahe ein Jahrzehnt quasi-religiös zu verehren, auch wenn ich enttäuscht war, als die bunten Irokesen Anfang der 90er dem "Under The Bridge"-Langhaar Style wichen.
rhcp
Die Chili Peppers taten einfach gut in einem Bitop aus weißer, testosteron-schwangerer Rockmusik der Marke Axl Rose, der zu dieser Zeit gerade erst einsah, dass auftoupierte Königspudel-Frisuren damals sogar schon die Leute von Aerosmith lächerlich fanden.
Schwarze Musik von Weißen, ein bisschen das Elvis-Prinzip, nur, dass die Chili Peppers beim Fladdern immer gefragt haben.
Der große Bruch kam dann ausgerechnet mit jenem Album, das der Band fortan ein Leben im obszönen Luxus bescherte, obwohl sie zuvor auch keine HartzIV-Empfänger waren: "Californication". Auf einmal fand jedes Düdldü-Radio des Planten die lustigen, tätowierten Irren ganz toll und spätestens die folgenden Touren festigten ihre Rolle als eine der zehn größten Rockbands des Planeten.
Die nächste Platte, "By The Way", war dann die letzte, die mir aktiv so etwas wie gefallen hat, auch auf diesem Album gibt es, trotz Top-Of-The-Pops-Alarm, einige Stücke, die mit dem Frühwerk mithalten können – auch wenn es mit „The Zephyr Song“ oder „Tear“ eindeutig die leiseren Nummern sind, die große Klasse haben.
Die Stadium-Dingsda-Phase
"Stadium-Arcadium", das Doppelalbum aus dem Jahr 2007, war dann der Turning Point für mich. Trotz heftigstem Bemühen, das Ding gut zu finden, und zwei bis drei Lichtblicken, hat mich der monströse Firlefanz dieser Platte schon nach einigem Durchhören in einer Melange aus Langeweile und Selbsthass auf die eigene Nostalgie zurückgelassen.
Mein letztes Live-Erlebnis datiert noch früher, am Aerodrome 2004 – wo ein furchtbar breiiger Sound jede Vorfreude Lügen strafte. Glaube ich den Erzählungen von Freunden und Kollegen, hat sich das bei den aktuellsten Österreich-Konzerten der RHCP auch nicht unbedingt maßgeblich verbessert. Und das obwohl die Band lange Jahre live als Bank gezählt wurde.
Mit dem Ausstieg von Frusciante, der mit seiner bizarren und unfassbar genial-schönen Gitarrentechnik tatsächlich künftig in den Gitarre-Büchern der Peter Burschs dieser Welt seinen Stammplatz haben sollte, war für mich das Kapitel RHCP dann beinahe schon erledigt.
Warner
Und nun also dieses neue Album – "I´m With You".
Seit ein paar Wochen spielt FM4 die erste Single dieser Platte, die Nummer „The Adventures Of Rain Dance Maggie“ in den Charts, und beim ersten Hören wollte ich nicht unbedingt vom Hocker fallen. Es wirkt ein bisschen wie das Erdäpflgulasch von der Mama – verklärt mit viel Erinnerung an die guten alten Zeiten das beste Essen der Welt, ist man aber ein bisschen herumgekommen, merkt man halt, dass da auch nur Paprika, Zwiebeln und Kartoffeln drin sind.
Mit den Chilis wurde diesmal gespart.
Warner
Trotzdem macht es Appetit, vorausgesetzt man war zuvor ein paar Jahre auf Entzug, noch ein paar Löffel zu essen –weil, eh nicht schlecht halt. Auch wenn die Enttäuschung das Schlucken schwer macht. Denn leider ist auch für Mama die Welt nicht völlig stehen-geblieben und so mixt sie seit ihrer letzten Asienreise, auch gerne mal so Zeug wie Ingwer und Zitronengras in die Brühe.
Und das muss ja nicht sein.
Zitronengras und Ingwer heißen auf dieser Platte übrigens "Mann-Frau Chöre im Refrain"und "ausladender Bombast".
Ebenfalls ist leider anzumerken, dass die Fertigkeit des neuen Gitarristen die schwierigen Frusciante Solo-Lead-Parts gut zu kopieren zwar enorm ist, in Sachen riffbasiertes Songwriting aber eindeutig zu wenig kommt, um wenigstens an Platten wie „By The Way“ anzuschließen.
Ja, sie hatten schon Hitte
Doch auch der große kommerzielle Schlag dürfte mit dieser Platte schwierig werden, fehlen doch eingängige Radiohits für die Generation Schlagzeile, nicht mal ein „Californication“ ist irgendwo zu finden. Einzig beim Versuch, den Erfolg der großen, ruhigen Stücke der letzten Platten nachzuahmen ist man noch ansatzweise erfolgreich, so zählen die zurückhaltenden "Annie Wants A Baby" und das sehr ruhige "Meet Me At The Corner" zu den einsamen Höhepunkten am Album. Bei den Themen Drogen und Liebe, in dieser Reihenfolge, kennt sich Anthony "Scar Tissue" Kiedis eben immer noch verdammt gut aus.
Warner
„Die Chili Peppers sind die nervigste und furchtbarste Band der Welt, da geht’s stundenlang nur ramtamramtam – Maschinengewehrromantik“, hörte ich einst Kollegen über die RHCP herziehen.
Soweit würd ich nun nicht gehen, aber, ob ich dieses Album auch „ganz okay“ finden würde, wäre es etwa von den soeben erfunden „Stenge of Revenge“ aus Wien Floridsdorf statt von den Chili Peppers, möchte ich an dieser Stelle auch nicht unterschreiben müssen.
Give it away now.