Erstellt am: 7. 9. 2011 - 16:16 Uhr
Happy Birthday, Perry Rhodan!
Perry Rhodan ist in zweierlei Sinn unsterblich: Es gibt den intergalaktischen Katastrophenlöser Woche für Woche in Heftform, seit dem 8.September 1961, und er hat ein ewiges Leben, durch den Zellaktivator. Natürliche Alterung und Krankheit gibt es also nicht, durch Unfall oder Verwundung könnte Perry, dieser kosmische Diplomat, aber sterben. Zum Glück ist das bisher nicht geschehen. Perry Rhodan ist nach der Zeitrechnung des Perryversum über 3500 Jahre alt.
Riesenraumschiffe gleiten durch das All
PerryRhodan
„28 000 Jahre nach der Flucht der Ersten Menschheit vor den Halutern rissen dreizehn Renegaten aus der wissenschaftlichen und militärischen Elite die Macht an sich. Mit Hilfe von Duplo-Heeren, Zeitreise und althergebrachten Waffen herrschten sie fast 25 000 Jahre lang über die Lemurer-Abkömmlinge in Andromeda.“
(„Die Meister der Insel“ - „Perry Rhodan. Die Chronik, Band 1“)
Nein, ich besitze die tausenden Perry-Rhodan-Hefte nicht. Weder auf einem Dachboden gestapelt, noch in einem Keller. Ich bin kein Perry-Rhodan-Nerd, habe nur ein paar Kindheitserinnerungen, mag einen Einzelroman sehr gerne, und Gucky, den Mausbiber – dieses clevere, außerirdische Tier. Einmal war ich auf einer Perry-Rhodan-Convention. Oops. Außerdem, so heißt es ja hartnäckig, sind Frauen ohnehin keine Perry Rhodan Leser. Die Perry-Autoren sind Männer, und sie schreiben für Männer. Diese eigene Sprache, voller stranger Technikwörter, nein das ist nichts für das sogenannte schwache Geschlecht. Bewegen sich Männer lieber in phantastischen Welten als Frauen? Sind letztere dazu zu rational?
Fragen über Fragen
Gibt es heute noch Teenager, die Perry-Rhodan-Fanclubs gründen? Nein. Eher nicht. Gibt es heute noch Kids, die Western-Hefte lesen? Oder Prinz Eisenherz? Eher nicht. Ich kenne zumindest keine. Schreibt heute vielleicht noch jemand Diplomarbeiten zum Thema Perry Rhodan? Hmm, eher nicht. Die 80er sind lange vorbei. Und Bravo-Starschnitte zu Perry Rhodan gibt es auch längst nicht mehr.
Perry Rhodan
Damals, als Perry Rhodan entstand, hatten die Menschen Hunger nach Lesestoff, schreibt die Perry-Rhodan-Chronik. Bücher waren teuer, vorallem gebundene, und das Taschenbuchformat war erst im Aufkommen. Der Heftemarkt begann zu blühen. Und Perry Rhodan war ein Kind seiner Zeit: ein Kind des Kalten Krieges. Die Berliner Mauer war gebaut, und Perry Rhodan lag erstmals an den deutschen Kiosken. Gemacht von zwei Männern aus dem oberbayerischen Irschenberg: den frischgebackenen Serienautoren K.H. Scheer und Clark Darlton. Letzterer hatte eigentlich einen deutschen Namen – Walter Ernsting - aber englischsprachige Pseudonyme waren damals en vogue. Der dritte im Bunde war der Münchner Verleger Rolf Heyne.
Was wäre wenn US-Astronauten auf dem Mond landeten und dort auf Aliens stießen? John F. Kennedy hatte ja gerade das Apollo Programm ins Leben gerufen. Also, es war so (in der Perry Rhodan Handlung): Perry Rhodan ist ein deutschstämmmiger US-Astronaut, der 1971 als erster Mensch auf dem Mond landet. Dort trifft er auf Außerirdische, die mit einem havarierten Raumschiff feststecken. Es handelt sich um Arkoniden. Perry schaut sich ihre Technik ab. Damit gelingt es ihm, auf der Erde einen 3.Weltkrieg zu verhindern. Dann führt er die Menschheit rasant zu den Sternen. Na bumm.
Perry Rhodan
„Perry Rhodan ist schlank und hochgewachsen, hat dunkelblondes Haar, graublaue Augen und eine kleine Narbe am rechten Nasenflügel, die sich bei Erregung weiß verfärbt. Er hat einen trockenen und herzhaften Humor“ („Perry Rhodan. Die Chronik. Band1)
PerryRhodan
Perry Rhodan war/ist vor allem im deutschsprachigen Raum erfolgreich, aber auch etwa in Holland, Frankreich, Tschechien, Israel, Japan und Brasilien. Aber auch in den Staaten konnte die gern schon mal als „Kraut-Science-Fiction“ bezeichnete Serie Fans finden.
Haar- und Augenfarbe von Perry Rhodan wurden später kritisiert, und gar eine mögliche Nähe zum deutschen Faschismus hergestellt. Dieser Großadministrator des terranischen Imperiums behagte nicht allen. Aus dem „bürgerlichen“ Lager kam sowieso gerne das Wort „Schundheft“, und das „linke“ Lager mochte die Härte des Raumfahrers und Risikopiloten der US-Streitkräfte nicht so gern. Da war das Gute und das Böse: Der gute Westen, und die böse Sowjetmacht. Da wurde gekämpft und vernichtet.
„Wir wussten es nicht besser“, sagte William Voltz, der Chef-Autor der zweiten Perry-Rhodan-Periode (1974-84) einmal in einem Interview: „Als 1961 die ersten Bände erschienen, erlagen wir Autoren selbst noch dem Klischee von Gut und Böse, wir bedienten uns zunächst der Mittel, wie wir sie aus Wildwest- oder Kriminalromanen kannten, und haben sie einfach auf Perry Rhodan übertragen, aus Unkenntnis heraus, wie man so etwas besser machen kann.“
Die Militärobession ging jedenfalls auf das Konto von K. H. Scheer zurück, der ein ideenreicher Schreiber war, aber einen regelrechten Militär-Fetisch hatte, wie „Perry Rhodan. Die Chronik“ unumwunden zugibt.
Der Überheld oder gar Supermann Perry Rhodan, der als alleiniger Machthaber und Herrscher dargestellt wurde, musste sich also wandeln, der Zeit anpassen. William Voltz tat dies: Perry Rhodan wurde zum kosmischen Menschen. Der Kosmos hatte ihm so viele Herausforderungen gestellt, also wurde er zum universalen Diplomaten, der durchs Weltall reist. Ein Erretter der Menschheit gar, vor kosmischen Gefahren.
Und dann, in den 80er Jahren? Allgemeine Orientierungslosigkeit? Perry Rhodan als Space-Softie? Und die 90er? Perry der „Gutmensch“? Seit den letzten zehn Jahren ist der Karren Perry Rhodan aber wieder recht gut auf Spur. Und ja, es darf auch wieder geschossen werden. Aber Perry, der nun postmoderner Held ist, ist grundsätzlich ein Konfliktlöser.
Größer als das Leben
PerryRHodan Hannibal
"Perry Rhodan. Die Chronik" Teil1, Hannibal Verlag, 2011. Der Autor: Michael Nagula. Er schrieb 13 Perry Rhodan Romane ("Größer als das Leben", "Die neuen Sonnen", "Medusenklänge"), oder auch den Cyberpunk-Klassiker "Atomic Avenue".
Viele der Perry Rhodan Autoren können leider nicht mehr zu ihrem Werk, oder zum Gesamtwerk Perry Rhodan, sprechen, denn sie sind mittlerweile verstorben. Etwa K. H. Scheer, vom Ur-Team. Er konnte nie wirklich etwas anfangen mit dem Vorwurf, Perry Rhodan habe militaristische oder diktatorische Züge. In einem Gespräch, 1978, sagte Scheer etwa: „Ich habe einmal einen Roman geschrieben, da ließ ich einen Offizier eines terranischen Großkampfschiffes in seiner Kabine auf dem Gebetsteppich niederknien, das Gesicht nicht gen Osten gewendet, da gibt es ja kein Osten, sondern gen Terra, der Heimatwelt. Er war Mohammedaner, ich ließ ihn sein Gebet sprechen, und Perry Rhodan kam hinzu. Und als er diesen Mann knien sah, sagte er: 'Bitte entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht stören.' “
Und, ja, Perry Rhodan hatte tatsächlich von Anfang an in seinem engsten Vertrautenkreis auch Schwarze, Juden oder Aliens.
Irgendwann bekam Perry Rhodan dann auch hochoffiziell eine Freundin. Kinder hatte er ja schon. Während der Chefredakteurschaft von William Voltz wurde auch das Frauenbild etwas überdacht, und auch die allererste Schreiberin ins Team der Serie geholt.
Das Einsteigen in dieses bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Detailuniversum - mit all seinen Storybögen und großen Zyklen - ist ja nicht so einfach. Obwohl, man schnuppere in zwei, drei Hefte hinein, und schon hat man doch eine gewisse Ahnung, wohin die Reise gehen könnte, trotz all den vielen Fachbegriffen und spezifischen Perry-Rhodan-Wörtern. Und es gibt ja auch sozusagen Handbücher für Neueinsteiger ins Perry Rhodan Universum. Aber insgesamt scheint der größte Teil der LeserInnen doch schon ein wenig länger mit dabei zu sein.
Alles für die Ewigkeit. Wohin des Weges, Perry?
Tipp:
„Jupiter“, ein an Stanley Kubrik erinnernder Perry-Rhodan-Einzelroman, von Wim Vandemaan, Hubert Haensel und Christian Montillon: Die Rohstoffe der Himmelskörper werden ausgebeutet, doch dann erwacht die tödliche Atmosphäre des Planeten Jupiter zum Leben.
Fragen wir doch einfach den gegenwärtigen Chefredakteur, Klaus N. Frick, Jahrgang 1963:
„Alle Mitwirkenden, seien sie Autoren, Zeichner oder Redakteure, leben von den Einflüssen, die sie von der Gesellschaft rings um sie herum erhalten. Sie existieren nicht in einem luftleeren Raum. Perry Rhodan wird es auch in der nahen Zukunft geben. Ob es in zwanzig Jahren noch Heftromane geben wird, weiß derzeit niemand – dann aber wird man die Serie anderweitig lesen oder hören. Ich bin mir sicher, dass Perry Rhodan in einer sich rapide ändernden Medienwelt seinen Platz haben wird.“