Erstellt am: 5. 9. 2011 - 11:20 Uhr
Kleine Morde unter Freunden
Der Begriff Bromance wurde endlich dem Merriam Webster Wörterbuch hinzugefügt und das war auch höchste Zeit. Spätestens mit dem wunderbaren Werk von Judd Apatow war die - so lautet die Definition - homosoziale Intimität - einer der Grundsteine der jüngeren, amerikanischen Komödie.
Gemeinsam mit dem Bekenntnis zur R-Rated Comedy war die Bromance der Grundbaustein zu zahlreichen großartigen Komödien. Fluchen, rülpsen, kotzen konnte plötzlich mit Umarmungen und ernstgemeinten Zuneigungsmitteilungen kombiniert werden. Da lagen dann Michael Cera und Jonah Hill nach einer wahnsinnigen Nacht, wie es nur die Nächte des ersten Ferientages oder letzen Schultages sein können, in ihren Schlafsäcken und flüsterten einander "I love you" zu. Dem Buddy Movie war ein Herz gewachsen und so eines pocht auch im Kern von Seth Gordons "Horrible Bosses".
warner
You gotta take shit
Der amerikanische Traum, das erfahren wir gleich zu Beginn, ist ausgeträumt. Nick (Jason Bateman) erzählt von seiner Großmutter, die mit 20 Dollar in die USA kam und am Ende ihres Lebens nicht mehr als 200 hatte. Und warum? She didn't take shit. Und das ist laut Nick der ganz falsche Weg, man muss sich arrangieren, sich ausbeuten lassen, buckeln. Wer aufsteigen will, muss einstecken können.
warner
Mit einer Promotion als Karotte vor der Nase lässt sich Nick von seinem Chef terrorisieren. Kevin Spacey gibt hier einen diabolischen, Gilet-tragenden Horrible Boss Nummer Eins. Die Nummer Zwei im Triumvirat der Arbeitgeber aus der Hölle ist Jennifer Aniston als Zahnärztin, die mit Anzüglichkeiten, Grapschereien und Erpressungen Dale (Charlie Day) das Leben schwer macht. Der dritte im Bunde ist Colin Farrell, der mit fieser Halbglatze, Kung-Fu-Besessenheit und einer Vorliebe für Koks und Prostituierte die schillerndste der hassenswertesten Vorgesetzten ist. Unter ihm leider Kurt (Jason Sudeikis).
warner
Als Antwort auf die Frage, warum sie nicht einfach kündigen, taucht ein bebrillter Mann auf. Ein ehemaliger Freund der drei gequälten Männer, einst war er bei den Lehman Brothers auf Erfolgskurs, jetzt schlurft er durch die Bars von Los Angeles und bietet sexuelle Gefälligkeiten gegen Geld an. It's the economic crisis, stupid. Gequält, genervt und geknechtet wird aus einer angetrunkenen Idee in der Bar eines Tages ein Plan: Die Vorgesetzen müssen aus dem Weg geräumt werden, man würde der Menschheit im Grunde einen Gefallen tun. Der Frust und die Rage des weißen Mannes der Mittelschicht, sie öffnet der Bereitschaft zum "Mord" die Türe.
Vernunft und Chaos
Kein Wunder, dass die Männer der amerikanischen Komödie nie erwachsen werden wollen, wenn die Arbeitswelt von Tyrannen beherrscht wird. Kurt, Nick und Dale gehören zwar nicht zu der Riege der Peter-Pan-Männer, die die wohlige Schmusedecke namens "ewige Jugend" und "popkulturelle Besessenheit" nicht ablegen wollen, doch der Reiz von "Horrible Bosses" liegt natürlich auch in der Unreife der Figuren, ihrer Patschertheit und ihrem Bekenntnis zum Irrsinn. Charlie Day bringt mit hoher, kratziger Stimmer die Anarchie und das Tohuwabohu.
warner
Wahrscheinlich ist schon alleine die Szene, in der er im Auto "The Notebook" am Notebook anschaut und "That's not my Name" singt, das Eintrittsgeld wert. Jason Bateman spielt mit gewohnt stoischer Attidüde den Durschittstyp, den jeder mag und der die Contenance nur in Tagträumen verliert. Da schmeisst er dann schonmal den egomanischen Sadisten Kevin Spacey aus dem Fenster. Bateman beherrscht den minimalistischen Einsatz und Gestik und Mimik und ist ein idealer Gegenpol zum zappeligen Charlie Day, der auf der Zach Galifianakis Skala des hanebüchenen Wahnsinns im Mittelfeld agiert. Jason Sudeikis schließlich gibt den gutmütigen Semi-Feschak, dem die eigene Dauergeilheit gern ein Bein stellt.
warner
"Horrible Bosses" läuft seit 2. September 2011 in den österreichischen Kinos.
Perfekt besetzt
"Horrible Bosses" beherrscht die Balance zwischen verbalem und körperlichem Humor, überrascht mit popkulturellen Anspielungen, die nicht bereits totgekaut wurden und bringt für Jennifer Aniston ein Absprengen ihres ewigen rom com-Korsetts. Der große Bogen des Films ist vielleicht nicht große, dramaturgische Kunst, einzelne Szenen aber sind grandios, weil der Film so perfekt besetzt wurde und um die Stärken seiner Schauspieler weiß. Mit Selbstironie macht der Film das, was Peter Sellers als Inspektor Clouseau so wunderbar beherrschte: Je beherrschter, unauffälliger und gefasster er sein wollte, umso lauter, polternder und schriller wurde er.
Zu wahrer Höchstform läuft Colin Farrell auf, seine Figur wird zur quälenden Verkörperung des Vorzeige-Douchbags. Ein Nichtsnutz in Reinform. Die Frage, warum diese grandiose Figur nicht mehr Szenen hatte, bleibt ebenso ein Rätsel wie die Erklärung, warum "Horrible Bosses" im deutschen Sprachraum als "Kill The Boss" in die Kinos kommt.