Erstellt am: 30. 8. 2011 - 11:29 Uhr
Fastenzeit
Eine Mischung aus Kopfweh, Durst, Müdigkeit und Magengrummeln hat die Regionzwischen Casablanca und Manila seit einigen Wochen fest im Griff. Die Menschen auf der Straße wirken permanent angespannt, gereizt und übernächtigt. Der islamische Fastenmonat Ramadan, der dieses Jahr auf den Hochsommer gefallen ist, geht dieser Tage zu Ende. Damit kehren die fastenden Muslime aus der beschwerlichen Ramadan-Zeit wieder in ihren Alltag zurück; befreit von den körperlichen und seelischen Lasten des letzten Jahres.
sammy khamis
Ramadan zu machen, heißt Verzicht zu üben. Ramadan zu machen, heißt aber nicht leiden zu müssen, sondern sich seiner Stellung innerhalb der Bevölkerung gewahr zu werden. Ramadan zu machen, heißt während des Tages, also von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, nichts zu sich zu nehmen. Ramadan zu machen, heißt zu beten und zu spenden. Man soll seine Triebe, die natürlichsten, die der Mensch kennt, konditionieren und kanalisieren. Sex gehört ebenso dazu wie Essen und Trinken. Ebenso Zigaretten (für einige ein unüberwindbares Ausschlusskriterium).
Ausgenommen vom Ramadan sind Leute, deren Beruf es ihnen unmöglich macht, ohne Essen und Trinken auszukommen, Bauarbeiter zum Beispiel. Schwierig aber wird es bei Ärzten. Notärzte und Chirurgen müssen sich während ihrer Arbeit konzentrieren. Da sie angesehene
Berufe ausüben, haben sie ein hohes Prestige. In der fortschreitenden Islamisierung der Gesellschaften im Nahen Osten kommen viele nicht umhin, dem selbstauferlegten Druck nachzugeben und Ramadan einzuhalten, auch wenn sie normalen Dienst tun müssen.
Wer noch ein Kind, krank, arm, alt oder schwach ist, braucht Ramadan nicht zu machen. Wer nur temporär verhindert ist, der soll fasten, wenn es ihm die Zeit gewährt. Die reinigende Wirkung des Fastens gilt das ganze Jahr über. Ramadan erleichtert den Verzicht, da bekanntlich geteiltes Leid halbes Leid ist. Große Supermärkte bieten einen täglichen Service an, bei dem eine Tüte für ca. 5 € an Arme weitergegeben wird. In dieser Tüte soll soviel Essen sein, wie derjenige, der nicht fastet, an einem Tag zu sich nimmt.
Wie aber sieht Ramadan aus?
Die Straßen sind deutlich ruhiger als sonst. Menschen, denen es möglich ist, den ganzen Tag zu schlafen und ihre Arbeit in die Nacht zu verlegen, verlassen die Wohnung und ihr Bett kaum. Nur wenige Geschäfte haben geöffnet.
Kein Taxifahrer bläst einem seinen Zigarettenrauch ins Gesicht. Menschen, für die Zeit eigentlich ein dehnbarer Begriff ist, sind pünktlich zum Eftar (Fastenbrechen) um 6:32 Uhr zu Hause. Dazu kommen lokale Eigenheiten. In Ägypten gibt es kleine Lampen, mit denen Kinder von Haustür zu Haustür ziehen, und etwas Geld und Süßigkeiten bekommen. Oder man sieht auf der Straße Menschen, die an Eftar eine Dattel und einen Schluck Saft an die Menschen verteilen, die es nicht beizeiten nach Hause geschafft haben. Nach Abendessen und Sonnenuntergang öffnen auch die Geschäfte wieder.
Am Ende des Ramadan steht eid, das Zuckerfest. Hierfür will auch ausreichend eingekauft sein. Zum einen natürlich Zucker in seinen verschiedensten Formen. Zum anderen Kleidung (wenn man neue Kleidung an eid trägt, wird sie einem Glück bescheren).
sammy khamis
Auf das Fest folgt auch der kleine normale Wahnsinn. Frisches, neues Geld wird an die Jüngeren verschenkt, die sich damit sofort Richtung Kino oder Kaffeehaus aufmachen. Es wird noch mehr Zucker als gewöhnlich zu sich genommen, und der Monat des Verzichts wird
mit einer gewissen Völlerei verabschiedet.
Das Wichtigste an Ramadan ist aber die Gabe an die Armen. In den wenigsten islamischen Ländern ist die Sozialhilfe staatlich organisiert. Sie geht deshalb von privaten Organisationen oder Privatpersonen aus. Menschen in der direkten Umgebung erhalten an eid Geld. Hausmädchen, Türwächter, Müllsammler etc. Eid ist ein Anlass sich zu besinnen, auch dass es einem selber elf Monate im Jahr so gut geht, dass man essen und trinken kann, wann und wo und wie viel man will. An Ramadan wird man sich gewahr, dass es immer noch zu viele Menschen gibt, denen es nicht so geht.