Erstellt am: 30. 8. 2011 - 11:07 Uhr
RUN VIE
Betrachtet man das Logo, stellt sich der Verdacht ein, RUN VIE müsse wohl irgendwie im HipHop verwurzelt sein. Was so falsch freilich nicht ist. Vorausgesetzt, man versteht HipHop als offenen Abenteuerspielplatz mit 400 Geräten zum Herumprobieren und Durch-Die-Gegend-Schaukeln. Tatsächlich trifft der offizielle Slogan der mehrtägigen und - das kann man jetzt schon verraten - mit ziemlich atemberaubendem Programm besetzten Veranstaltung die Sache genauer - weil ungenauer: "Festival For Urban Art & Music Vienna".

RUN VIE
Ein vager Slogan bedeutet bei RUN VIE aber eben nicht Ahnungslosigkeit und Beliebigkeit, sondern das ganz unaufdringliche Aufzeigen von Verbindungslinien und Schnittmengen zwischen da und dort. In musikalischer Hinsicht hat das Festival, das heuer in sein drittes Jahr geht, so wieder eine strahlende Palette an Musiken zusammenkuratiert, bei der HipHop, Dubstep, House und in allen möglichen Geschwindigkeiten sexy eiernde Tanzmusik nur die Außenmarker darstellen.
Vom 3. bis zum 10. September wird RUN VIE mehrere etablierte und OFF-Locations wie das WUK, das Porgy & Bess, die Pratersauna oder auch das MAK bespielen, wobei das Anschauen von und Abgehen zu musikalischen Live-Darbietungen und DJ-Sets nur einen Teil - wenngleich vermutlich schon den entscheidenden - des Festivals ausmachen: So gibt es beispielsweise eine Zusammenarbeit mit der Sneakerness, der opulenten Convention für den stilgerechten Sport-Schuh. Für Fly-Girls, B-Boys, Hipster und alle, die es noch werden wollen. Also für alle, wenn wir uns mal ehrlich sind. Ihr zieht Euch doch auch mal heimlich 'ne Daunen-Jacke an. Dieses Jahr in der Ottakringer Brauerei.
Ein absolute Delikatesse hat die RUN VIE in Gestalt einer Filmvorführung im Programm: Am Mittwoch den 7. September findet im Filmcasino die Europa-Premiere von "Beats, Rhymes & Life: The Travels Of A Tribe Called Quest" statt. Eine Dokumentation über die beste HipHop-Gruppe aller Zeiten. Im Vorfeld hat der Streifen von Michael Rapaport (ja, DER) schon für einiges an Kontroverse gesorgt. Weniger als sehr gut kann aber ein Film, in dem Ali Shaheed Muhammad, Phife Dawg und Q-Tip auftauchen, nur schwer sein.
Neu ist dieses Jahr die Festivalzentrale im Raum D im quartier21 im Wiener MuseumsQuartier. Angelegt als Herz des Festivals und Anlaufstelle für Künstler und Publikum, als Raum für Workshops und Artist-Talks. Sie will besucht werden.

Darkstar
Einen voraussichtlichen Höhepunkt von RUN VIE bietet der Auftritt von Darkstar und Ghostpoet am 8. Juni im WUK. Das englische Trio Darkstar, das quasi schon vor der Geburt James Blakes Post-Dubstep gewesen ist, hat 2010 mit seinem Debüt-Longplayer "North" bei Genre-Adresse Nummer 1 Hyperdub (mittlerweile sind Darkstar bei WARP angekommen) eines der schönsten Alben des Jahres veröffentlicht. Eine Rappelkiste voll mit ätherischem Minimal-Pop von den alleräußersten Rändern von Bass-Musik.
Musik, die die unterkühlte Strenge und den harten Glam von 80er-Synthie-Schmalz in experimentelle Klang-Forschung übersetzt. Ähnliches gilt für einen der aktuell präsentesten - und das nur allzu Recht - Namen in so ziemlich jeder Hype-Prognose: Dem ebenfalls aus dem UK stammenden MC und Alleskönner Ghostpoet dienen bei seinen Soundexkursionen ein glücklicherweise weit gefasster Begriff von HipHop und verspukte Elektronik als Ausgangsmaterialien zur Entwicklung einer komplett einnehmenden Zukunfts-Musik.

Dopplereffekt
Programmtechnisch noch einen Tick fetter trägt der darauffolgende Tag, Freitag, der 9. September, auf, an dem RUN VIE in Kooperation mit dem ebenfalls immerguten sound:frame Festival das MAK bespielen wird. Hauptattraktion wird hier die leibhaftige Erscheinung von Dopplereffekt sein, einem Act, der sich in seiner fast schon 20-jährigen Karriere nur allzu selten auf Konzertbühnen, Promo-Fotos oder in Interviews manifestiert hat. Einziges dauerndes und verbrieftes Mitglied von Dopplereffekt ist Gerald Donald, der schon mit dem - es stimmt: legendären Duo Drexciya Detroid Techno und Electro (ja, im Wortsinne) großartig an die Grenzen des Wahnsinns geführt hat.
Dopplereffekt ist da vielleicht eine Spur leichter verdaulich und verspielter, aber so genau weiß man das glücklicherweise vorher immer nicht. Außerdem u.a. noch dabei an diesem Abend: Tama Sumo straight outta Panoramabar und Egyptrixx vom heißen englischen Label Night Slugs.
Einiges mehr an Empfehlenswertem gibt es zu erleben, z.B. Dorian Concept, Christian Prommers Drum Lesson oder Girl Unit. Check das Programm.