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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 8. 2011 - 22:44

Fußball-Journal '11-91.

Taktische Fehlleistungen. Damit das, was manch Trainer für "Ganz was Neues" hält, zu einer selbstverständlichen Gewohnheit wird.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit Anmerkungen zu drei vercoachten Spielen österreichischer Spitzenclubs.

"Ganz was Neues" wäre das, so höhnte unlängst ÖFB-Teamchef Constantini während einer Pressekonferenz einen Journalisten an, der es gewagt hatte in seiner Frage eine taktische Anmerkung zu machen. Er meinte damit, dass er und sein Berufsstand über Zurufe von außen erhaben wären.

Das fanden die Kollegen vom deutschen Fernsehen so seltsam, dass sie dieser Anmerkung heute in der ZDF-Sportreportage einen langen Beitrag widmeten. Denn in Deutschland ist das - wie in allen anderen Ländern mit hochwertigem Fußball - ganz selbstverständlich, da dient der Journalismus dazu Arbeitsweisen zu hinterfragen.

Das wiederum wäre in Österreich "ganz was Neues" - hier dient der Journalismus (der so tut als wäre er seinen Konsumenten verpflichtet) ausschließlich den Interessen der Branche, und agiert dabei wie ein grobklotziger Lobbyist.

Didi und die Trottelsager-Buam: erregt

Dass Constantini, Zsak und Wohlfahrt mit ihrer neuerlichen Verheerung österreichische Coaches auf Jahre hin (zumindest in Deutschland) unmöglich gemacht und das Image des ÖFB auf Operettenstadl-Niveau gehoben haben, ist nur ein Nebeneffekt ihrer Fehleinschätzung.

Die wesentlichste Erkenntnis der achso empörten Zurückweisung "überhaupt noch nie gehörten" taktischen Anmerkungen ist eine andere: dass derlei gerade jetzt in verstärktem Maß weiterbetrieben werden muss, um den vom "Ganz Neuen" so Erregten klarzumachen, dass es nie mehr anders sein wird; dass ihre Arbeit nicht mehr hinter einem medialen (von Günstlingen und Schutzgeld-Geiern gewobenen) Schutzschleier stattfindet, sondern - auch dank der neuen Medien - in der größtmöglichen Offenheit.

Deshalb heute: drei taktische Fehlleistungen der letzten Tage.

Constantini und sein ÖFB-Team, deren Fehlleistungen sich hauptsächlich in der Komplett-Abwesenheit von taktischen Marschbefehlen bewegen, sind da außen vor. Es geht um Coaches, die vergleichsweise echte Könner sind; aber auch, in aller Öffentlichkeit, drastische Fehler begehen. Und nur aus denen lernen wir.

Daxbachers Wechsel-Zaudern bringt die Niederlage

Karl Daxbacher hat viel Druck daran gesetzt dem Liga-Konkurrenten Ried Florian Mader abspenstig zu machen. Der Super-Sechser Mader wurde für die Mittelfeld-Zentrale geholt, in der man nach dem Abgang von Julian Baumgartlinger ein Problem hatte. Denn Peter Hlinka ist ein Sechser alten Stils, eine Erscheinung, aber grobschlächtig und aufbauunterbegabt; und Alexander Grünwald ist ein Achter mit viel Vorwärtsdrang.
Daxbacher, ein bedächtiger und deshalb übervorsichtiger Trainer (man könnte ihn fast schon overprotective nennen) hat lange gebraucht, ehe er Baumgartlinger als alleinigen Sechser riskierte - und so die offensive Performance seiner Mannschaft stark verbesserte.
Nach Jules Abgang war es mit seinem Mut vorbei: es mussten wieder zwei in der Zentrale sein; entsprechend mangelhaft fällt das internationale Zeugnis der Austria auch aus - gegen an sich deutlich schwächere Gegne qualifizierte man sich mit unnltig viel Mühe; und dank eines wegen der großen Form von Barazite angetriebenen Offensiv-Spiels.

Nun ist genau der verletzt. Daxbacher ersetzte ihn heute im Heimspiel gegen die Admira durch die jungen Alex Gorgon, der zwar einiges kann, aber die Rochaden-Wildheit von Barazite nicht draufhat, weshalb das Austria-Angriffspiel um eine Klasse ausrechenbarer wurde.

Das war bereits zur Halbzeit (1:1 daheim gegen die Admira) sichtbar. Daxbacher unternahm nichts, erst nach dem Führungstreffer der Admira schickte er Florian Mader rein. Allerdings nicht anstelle von Hlinka (was dem entlasteten Alex Grünwald die Chance gegeben hätte, sich weiter vorne zu positionieren) sondern genau statt Grünwald. Daxbacher hielt trotz Rückstands an der Doppel-Sechs, und vor allem am reinen Zerstörer Hlinka, fest.
Zehn Minuten und ein Gegentor später sah er seinen fatalen Fehler ein und reparierte: Liendl kam für Hlinka und endlich waren fünf Offensiv-Kräfte vor dem zentral regierenden Mader frei für Aktionen. Es war allerdings zu spät.

Daxbacher hat das Spiel vercoacht.
Zum einen war seine Grundaufstellung mit dem des Aufbaus nicht mächtigem Hlinka und dem gedrosselten Grünwald-Alex schon zu vorsichtig bzw falsch gemischt.
Zum anderen kamen seine Wechsel falsch rum bzw, zu spät.

Moniz' Maierhofer-Manöver blockiert die Mannschaft

Ricardo Moniz konnte zuletzt nicht unbedingt zufrieden sein: zuletzt (vor allem in Europa) stellte sich sein Team ziemlich patschert an; und vor allem die groteske Disziplinlosigkeit der Brasilianer Alan und Leonardo, die gern am Rand der roten Karte tanzen, ärgerte ihn.
Da kam die Neuverpflichtung von Stefan Maierhofer gerade recht. Über deren grundsätzlichen Sinn möchte ich gar nicht spekulieren: dass es mit einem Langen vornedrin (Boghossian) zuvor nicht geklappt hatte, geschenkt. Moniz war von Maierhofer vor allem als Teamplayer und Charme-Offensive begeistert.

Also kam der Lange im Match gegen Rapid heute nachmittag zum Einsatz. Danmit musste Moniz das einzige Spielsystem, das in dieser Saison wirklich funktioniert hatte, über Bord werfen. Bislang war Alan die einzige Spitze gewesen, zwei wuselige Flügel neben sich.
Nun stellte ihm Moniz nicht nur einen neuen Sturm-Kollegen zur Seite, er gab auch Leonardo (dem rechten Flügel, mit dem Alan sich teilweise blind verstanden hatte) eine Nachdenk-Pause. Stattdessen kam der zuvor lange Wochen verletzte Argentinier Zarate dort zum Einsatz.

Das Spiel war also nicht einmal angepfiffen, da waren die Knackpunkte (der späteren Scheiterns) schon klar. Zarate erreichte nicht die Effizienz von Leonardo, den Alan vermißte, der zudem angpißt war sich eine neue Rolle neben einem Neuen suchen zu müssen, der das Spiel mit den Medien so gut beherrscht und schnell jedermanns bester Freund ist. Alans Match bestand, wen wundert's aus einer Mixtur von Pampig- und Wurtschtigkeit. Dass er sich just in diesem Spiel so übel verletzte ist auch der mangelnden Konzentration aufs rein Sportliche geschuldet.

Stefan Maierhofer bestach vordringlich durch seine schwache Technik (was gerade bei Salzburg ein echtes Problem ist) und stellte Anforderungen, die dieses Team nicht erfüllen konnte - man redete/spielte also ständig aneinander vorbei. In dieser Phase sahen sich die alten Hasen Pasanen und Lindgren genötigt die Kontrolle zu übernehmen - und das taten sie vor allem in der 1. Hälfte ausgesprochen fehlerhaft.

Abseits.at analysiert das Match anderntags von der Rapid-Seite her.

Aus diesen und auch noch anderen Gründen (Stichwort linke Abwehrseite) liess sich Salzburg daheim von Rapid vorführen wie eine Junioren-Mannschaft.

Moniz gelang nichts um das Steuer herumzureißen - auch weil er durch einen hektischen und deshalb falschen Tausch in der Frühphase seine Optionen vergeben hatte.

Moniz hat das Spiel durch Planspiele, die keine Rücksicht auf personelle Zusammenspiele genommen hatten, verbockt. Womöglich hat er den Clash der Mentalitäten (Maierhofer vs Alan) unterschätzt; vielleicht auch weil es sowas in Holland nicht wirklich gibt.

Fodas mangelnde Risiko-Bereitsschaft als Spielverderber

Franco Foda war am Mittwoch mit Haris Bukva als hängender Spitze in das wichtigste Spiel des Jahres gegangen, einem Match von dem die Teilnahme an der Champions League abhing. Kienast war verletzt, Haas hat nur Kraft für eine halbe Stunde, und Darko Bodul wollte er nicht. Muratovic, der eine hängende Spitze spielen kann, saß auf der Bank, kam erst als es schon zu spät war.

In der Halbzeit, als man zurücklag und dringend das Offensivspiel verbessern musste, brachte er Haas für Bukva. Das bedeutete aber nicht, dass Sturm jetzt mit zwei echten Spitzen spielte, sondern dass Szabicz die Rolle der hängenden Spitze hinter Haas übernahm. Foda wechselte also, beließ aber sein System, das - seit ich denken kann - ein flaches 4-4-2 mit zwei klugen modernen Sechsern ist.

Nun ist Sturm Graz nicht wegen dieser mut- und visionslosen Tausch-Maßnahme an der Champions League vorbeigeschrammt (das hatte andere Gründe) - trotzdem sei der Blick auf das gestrige Meisterschaftsspiel gegen Wr. Neustadt gestattet.

Da stellte Foda zwei echte Spitzen auf, da war Bodul pltzlich gut genug (und es ging ihm auch so richtig der Knopf auf). Dazu war er durch eine Verletzung von Säumel beim Aufwärmen dazu gezwungen Muratovic in der Mittelfeldzentrale zu bringen - was dort einiges an erhöhtem offensivem Potential bracht: das Resultat liess sich sehen.

Ein Bruchteil der Risikobereitschaft von Samstag hätte den Mittwoch doch zumindest einiges enger gestalten können. Aber genauso wie Kollege Daxbacher ist Franco Foda vor allem eines: zögerlich, overprotective; dem Neuen nicht unglaublich aufgeschlossen, taktisch unsauber - fast schon ein echter Österreicher.