Erstellt am: 26. 8. 2011 - 22:45 Uhr
Journal 2011. Eintrag 160.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit einer Geschichte, die auch als Fußball-Journal '11 durchgehen würde, über zarte Wehrhaftigkeit gegen die überhandnehmende Überkommerzialsierung im modernen Sport.
Mir ist es zuerst kaum aufgefallen. Ich habe zuerst an ein Versehen, einen Fehler geglaubt, es dann für einen Gag gehalten. Aber dann klärt mich einer dieser Branchen-Newsletter auf: das ist Absicht. Die taz verpixelt Werbung auf Sportfotos, seit kurzem; Zu Beginn war es eine Kunstaktion, also tatsächlich ein Gag. Dann hat man's diskutiert, und beschlossen es dauerhaft so zu belassen, und das macht man mittlerweile konsequent.
Mein Anlaßfoto war eines der deutschen Fußball-Damen, und Lira Bajramaj Sport-Outfit war an einigen Stellen verpixelt. Ich wette mir wären die dort vertretenen Sponsoren und Werbeaufschriften sonst gar nicht aufgefallen, so alltäglich sind sie. Kein Sportler, der nicht Kappe, Stirnband oder Kragen nutzt, kein Trainer ohne greuliche Badge über der Anzugtasche, kein Interview wo nicht eilfertig ein Logo-Friedhof dahintergschoben wird.
Die taz, in Sachen Bewußtseinsbildung immer ein Vorreiter im deutschsprachigen Medienbereich, hat nicht die Zwänge der Medienpartner, wie der TV-Rechtekäufer: denn die TV-Anstalten haben sich dazu verpflichtet die embeddede PR zu transportieren. Egal ob das Champions League, Bundesliga oder kleinere Sportarten sind - die Werbe-Wirkung wird nicht beim Live-Ereignis, sondern über die Medien erzielt.
taz
Die Presse, sagt die taz, "kann filtern und sortieren, kann Sponsoren-Namen bei der Nennung von Stadien weglassen."
Denn die Fußball-Arena in Graz etwa heißt offiziell Graz-Liebenau, der Fußball-Verein aus der Festspielstadt heißt offiziell FC Salzburg. Und zwar nicht, weil sich's ein paar Puristen so zurechtlegen, sondern auch dann, wenn sie international dabei sind; wie aktuell etwa in Champions/Europa League.
Also können Medien, die sich nicht mit Haut und Haar verpartnert haben, die Werbe-Nennungen vermeiden, sagt die taz.
Natürlich gibt es Widerspruch: so eine Weigerung, das was den Sport finanziell stützt mitzutransportieren, gefährde das gesamte System, sagen die bewußten und unabsichtlichen PR-Leute der PR-Industrie.
Da die widerspruchslose Abbildung von Erwünschtem sich aber mittlerweile als journalistische Norm ohnehin durchgesetzt hat, besteht diese Gefahr nicht. Die Rebellion wird nicht über einzelne Wehrhafte hinausreichen - dafür werden schon die gemeinsamen Wirtschafts-Interessen der großen Medienhäuser und der Sport- und Werbe-Industrie sorgen.
Durch Nadelstiche wie sie die taz setzt kommt das Thema einerseits ins Bewußtsein, andererseits aber auch in die Schlagzeilen. Und die nützen wiederum allen.
taz
Österreichische Anmerkung: würde man versuchen auf heimischen Trikots, vor allem aus dem Fußball, ebenso alle Werbungen zu verpixeln - außer Kopf und den Beinen würde nichts überbleiben.
Was der heimische Fußball mittlerweile ganz gut beherrscht ist, Überraschung, Twitter als Info- und Unterhaltungs-Tool zu nützen. Die Vereine twittern (die Vienna zb ist da ganz weit vorne), auch der ÖFB traut sich, einzelne Spieler sowieso. Die kurze schnelle Form ist irgendwie sport-adäquat.
Bei den höheren Weihen ist man zwar noch nicht angelangt (in England gibt es etwa sehr beliebte Fake-Twitter-Accounts von Spieler-Stars, die sich schwarzhumorig über deren Macken lustig machen), aber das hier von Daniel Mack beschriebene unprofessionelle Bild des deutschen Fußballs gibt der österreichische zumindest in dieser Hinsicht nicht ab.
In England sperrt die Liga gerade die Journalisten aus...
Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass man (weder in Deutschland noch in Österreich) die Info-Macht der Social Media noch nicht als Markt entdeckt hat - wie das aktuell in England der Fall ist.
Dort tobt seit einigen Wochen ein echter Krieg zwischen Liga und Medien, der sich auch ganz praktisch in einer eingeschränkten Berichterstattung auswirkt.
Zu Zeiten des Fußball-Rechte-Kriegs, der vor vielen Jahren zwischen dem ORF und ATV stattfand, gab es ähnliche Versuche und Ansätze...
Es kam tatsächlich zu Aussperrungen; selbst Journalisten, die sich eine Karte besorgt hatten, wurden nicht eingelassen.
Und die Premier League erwägt auch bereits sich das Exklusivrecht auf Tweets oder Status-Meldungen direkt aus dem Stadion abkaufen zu lassen.
Wie das funktionieren soll das neue Geschäftsfeld zu bbeackern? Allen Besuchern das Handy abnehmen? Offizielle Kanäle schaffen, alle anderen mt Klagen zuspammen?)
User Walter erklärt's: "Ich kann es dir anhand des Beispiels Wembley Stadion sagen. Man dreht das Internet ab, das Blockieren des Datenverkehrs funktioniert prächtig. Du hast im und in einem Umkreis von einigen hundert Metern um die Stadien kein Datennetz. Beim Presseoffizier gibts um 25 Pfund einen Zugang zum Haus-LAN, wenn du vorher das Recht erworben hast, live von dem Event berichten zu dürfen.
Ansonsten: nach dem Spiel. Vorsorglich muss jeder Journalist auch noch unterschreiben, dass (sollte er doch wo ein Datennetzlocherl finden?) nicht twittert, oder gar tickert. Ähnliches habe ich auch zwei Mal in den USA schon erlebt. Dort stellt sich das Problem gar nicht. Wenn du unterschreibst, dass du nichts live machen darfst und wirst und man erwischt dich dabei, dass du es trotzdem machst, dann war es das mit der Karriere als Heimischer und mit einer Akkreditierung als Ausländer, die sowieso schon mit allen möglichen Trara verbunden ist, wogegen die Einreise fast unkompliziert wirkt, inkl. jede Menge Wickel, die man überhaupt gar nicht haben will."
In diesem Licht ist eine wehrhafte Gegenmaßnahme wie das Verpixeln der werbeträchtigen Imagebilder der Sport-Industrie jedenfalls ein interessantes Faustpfand der Medien, die sich nicht als pure Erfüllungsgehilfen betrachten.