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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

28. 8. 2011 - 16:06

Anthony McCartens "Liebe am Ende der Welt"

Neuseeland. Drei Mädchen treffen auf Außerirdische, nicht ohne Folgen. Amüsant, aber auch tiefsinnig, ist dieser Roman von Anthony McCarten.

"Alle wussten, dass Delia Chapman immer eine Baseballkappe der Los Angeles Lakers aufhatte, egal, wohin sie ging. Oft trug sie dazu ein T-Shirt der University of North Carolina sowie amerikanische Turnschuhe, und mit dem Walkman am Hüftgürtel und dem Kaugummi im Mund erschien sie geradezu als Inbegriff des American Way of Life. War denn da die Vision eines Ufos nicht nur der nächste logische Schritt ihrer Verwandlung in einen Yankee?" ("Liebe am Ende Welt", Anthony McCarten)

Anthony McCarten Autor

Diogenes

Der Autor

Anthony McCarten ist jener Neuseeländer, der eigentlich als Autor von Theaterstücken begann. "Ladies´ Night" war Ende der 1980er Jahre das Stück, das er zusammen mit dem späteren Herr-der-Ringe-Drehbuchautor Stephen Sinclair geschrieben und das den damals 25 Jahre alten Neuseeländer international bekannt gemacht hatte. An seinen ersten Roman wagte sich Anthony McCarten dann Ende des nächsten Jahrzehnts. 1999 wurde "Spinners" veröffentlicht.
Aber erst der nächste Roman, "The English Harem" - Deutsch: "Englischer Harem" - brachte ihm Erfolg als Romanschreiber. In diesem Buch ging es um eine junge Londonerin, die in einem persischen Restaurant in der britischen Hauptstadt jobbt und sich in den polygam lebenden Betreiber verliebt.
Auf die Multikulti-Tragikomödie, die dann auch zu einem englischen Fernsehfilm wurde, folgten "Death Of A Superhero" - Deutsch: "Superhero", und "Hand aufs Herz", mit dem englischen Originaltitel "Show Of Hands". In "Superhero" ging es um einen unheilbar kranken Jugendlichen, dem die Zeit davonläuft: Er will nicht als Jungfrau sterben. Diese wirklich berürende Story, die etwas großartig Soap-Opera-haftes an sich hat, hat tatsächlich Hollywood-Potenzial. Nächstes Jahr soll der Film dann auch anlaufen.

Buchcover Spinners Anthony McCarten

McCarten

Jetzt aber zu "Liebe am Ende der Welt", dem einzigen bisher noch nicht ins Deutsche übersetzten Roman von Anthony Mc Carten. Aus "Spinners" wird "Liebe am Ende der Welt".

Das Ende der Welt ist in diesem Fall Neuseeland. Sheep Shaggers nennt man in England gern süffisant die Bewohnr der beiden Inseln nahe Australien, weil es auf Neuseeland mehr Schafe gibt als Menschen. Bei Anthony McCarten geht es um Rinder. Beim Schlachter und Fleischverarbeiter Borthwick herrscht Hochsaison, und die Mädchen des kleinen Ortes Opunake jobben neben der Schule - und ihrem Lieblingshobby Baseball - am Fließband, um die Fleischteile zu verpacken. Ein Knochenjob. Delia Chapman ist eine von ihnen, 16 Jahre alt und in der vorletzten Highschoolklasse. Eines nach dem anderen kommen die frischen Rinderherzen daher am Fließband. Nehmen und verpacken, eines nach dem anderen, immer weiter.

"Vor einigen Jahren war einmal die Produktion einer ganzen Saison beschlagnahmt worden, weil sich Kopfläuse in der Ware gefunden hatten. In diesem Schlachthaus mussten die Mädchen so reinlich wie japanische Geishas sein, und jede packte 120 Herzen pro Stunde in Pappschachteln für den Versand."

Landkarte Neuseeland

Neuseeland

Delias Mutter ist tot. Selbstmord. Delia lebt nun beim Vater, einem Blumenzüchter, der sich nicht so wie die anderen im Ort für Rugby interessiert. Und deshalb sitzt er auch nicht vor dem Fernseher, um ein wichtiges Spiel zu sehen als es passiert. Als Delia Chapman den Außerirdischen sieht. Zehn Außerirdische waren es eigentlich, und sie nahmen Delia mit auf ihr Raumschiff.

"Es war am Samstagabend, nach der Arbeit, aber noch bevor der Pub zumachte. Da Delia auf ein so spektakuläres Ereignis nicht gefasst war, blieben ihre Auskünfte darüber, um es vorsichtig zu sagen, bruchstückhaft."

Der Pub? Das Pub? Ach motzen wir nicht schon wieder herum, eine Übersetzung ins Deutsche betreffend. Manfred Allie´, der Übersetzer von "Spinners", ist keiner der Schlechteren, was etwa seine Richard-Powers-Übersetzungen ("Der Klang der Zeit", "Das Echo der Erinnerung" etc) eindeutig zeigen.

Das Trio aus der Fleischfabrik

Liebe am Ende der Welt - Cover

Diogenes

"Liebe am Ende der Welt" von Anthony McCarten ist in deutscher Übersetzung von Manfred Allie´ im Diogenes Verlag erschienen.

Delia ist schwanger. Delia die Jungfrau, schwanger von einem Außerirdischen. Und gleich zwei andere Mädchen sind es auch, Yvonne und Lucinda, die beiden besten Freundinnen von Delia, die ebenfall noch nie einen Vertreter des männlichen Geschlechts berührt haben.

Was steckt hinter dem - doch letztlich irdischen? - Geheimnis rund um die Mädchen und die Aliens? Und ist der Fund einer toten Kuh im Kornfeld doch ein Beweis, dass Außerirdische hier gewesen sein müssen?

Also bitte, wat isn das fürn Blödsinn, wäre ich versucht zu sagen, aber weil das ein McCarten ist, muss da ja wohl mehr dahinterstecken. Tut es auch. Eine fantastische Liebesgeschichte. Der wohl witzigste Roman dieses Sommers. Entertainment mit einem großen Herzen. Eine tiefsinnige Komödie, um die William Shakespeare Anthony McCarten beneiden würde.

Ein Dorf out of control

Da ist der Pfarrer, der sich diese Wunder nicht erklären kann. Da ist der dahindümpelnde Boulevardjournalist, der der vielversprechenden Story auf den Grund gehen und sie - wie einen Krimi - lösen will. Da ist der junge Bibliothekar, der eigentlich nur seine Bücher liebt. Wirklich?
Da zerbrechen im Hype um die Jungfernschwangerschaften enge Freundschaften. Ist das Alien-Kind, das Delia Chapman erwartet, gar eine Art Jesus, ein Retter? Ein Retter der Region? Und das Heilige Land sind in diesem Fall die grünen Viehweiden von Neuseeland?

Sagen wir es ruhig: Es geht alles gut aus.

"´Ein hübscher Junge`, sagte Suzy. Mara nickte. Und Deborah fügte hinzu: ´Wir finden, er sieht aus wie du.` ´Stimmt`, bestätigten die beiden anderen und hofften insgeheim, dass sie ihr damit auch zu verstehen gaben, dass für sie die Frage der Vaterschaft passe´ war."

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