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Pia Reiser

Filmflimmern

29. 8. 2011 - 10:10

Angst, Schrecken, Dreck am Stecken

In "Am Ende des Tages" werden die Leichen im Keller eines Politikers zu Zombies, die Gerechtigkeit einfordern. Metaphorisch gesprochen. Ein Schauspiel-Duell zwischen Simon Schwarz und Nicholas Ofczarek.

Bevor ihn die Vergangenheit einholt, will sie Politiker Robert Janacek überholen. Auf der Autobahn, am Weg ins Erholungswochenende mit seiner schwangeren Frau, drängelt sich plötzlich ein altes Auto an den schicken Neuwagen. Betätigt die Lichthupe. Und taucht später justament auf einem Parkplatz wieder auf. Schau, dein erster Stalker hat seine Frau Katharina im Auto noch lächelnd gemeint. Ach, wärs doch bloß ein Stalker gewesen. Noch trägt Robert (Simon Schwarz) das breite Grinsen der Erfolgsverwöhnten mit gleichem Stolz wie die fette Uhr am Handgelenk. Raus aus der schönen Wiener Altbauwohnung ein bisschen frische Luft in den Tiroler Bergen atmen, das war der Plan. Doch es kommt alles anders und zwar in imposanter Gestalt.

rückspiegel eines autos, an dem automatenfotos hängen, Szenenbild aus "Am Ende des Tages"

thimfilm

Vom Verfolger im schäbigen Auto sehen wir zunächst nur Teile. Tätowierte Haut. Ein Kätzchenkopf am Oberarm, ein Schriftzug "Manuela" am inneren Unterarm. Dass hier eine Bedrohung am Steuer sitzt, ist uns klar und das ist nicht zuletzt dem herrlich wabernden Soundtrack von "Am Ende des Tages" zu verdanken. Diese Bedrohung zunächst nur in kleinen Ausschnitten zu präsentieren, macht den ersten richtigen Auftritt dieser Person noch eindrucksvoller. Wenn sich Nicholas Ofczarek zum ersten Mal zeigt, als er auf dem Parkplatz aussteigt und sich Simon Schwarz nähert, dann verkörpert er bereits eine unausweichliche Nemesis, ohne, dass er noch ein Wort gesagt hat. Das Spiel hat begonnen.

Bertl? Ich bins, der Wolfgang

Der Mann mit den fettigen Haaren stellt sich als Wolfgang von der 10er Stiege vor, ein Jugendfreund Roberts, Ex-Alkoholiker, Autoknacker und mit Robert durch ein düsteres Geheimnis der Vergangenheit verbunden. Wolfgang ist an diesem Geheimnis zerbrochen, Robert hat alles verdrängt und Karriere gemacht. Jetzt taucht das sehr leibhaftige Gespenst aus der Vergangenheit auf und rasselt nicht bloß mit den Ketten.

anna unterberger, nicholas ofczarek und simon schwarz in einem auto, szenenbild aus "am ende des tages"

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Regisseur Peter Payer hat sich bereits in "Untersuchung an Mädeln" und "Freigesprochen" mit Schuld und Sühne beschäftigt; in "Am Ende des Tages" lässt er Simon Schwarz und Nicholas Ofczarek auf diesen Themenkomplex prallen. Ganz dem Titel entsprechend spielt sich "Am Ende des Tages" von einem Nachsatz abgesehen innerhalb von 24 Stunden ab, in denen sich alles ändert. Und doch wieder nichts. Der Titel ist aber auch Anspielung auf Politikerfloskeln, mit denen sich Simon Schwarz als Politiker Robert durch den Tag bewegt. Selbst als klar wird, dass Ofczarek es ernst meint, als plötzlich tote Meerschweinchen unterm Scheibenwischer picken und Waffen gezückt werden, klammert er sich immer noch an sein Smartphone und sein Mantra "Ich hab alles im Griff".

simon schwarz würgt nicholas ofczarek, szenenbild von "am ende des tages"

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Wut im Wald

Simon Schwarz spielt beeindruckend einen Mann, dem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Als ihm klar wird, dass seine Karriere auf dem Spiel steht, wenn das alte Geheimnis an die Öffentlichkeit gerät, verliert er den Halt. Inmitten der idyllischen Natur lässt er die Zivilisation hinter sich. In einer großartigen Szene gibt er noch ein Telefon-Interview, während er versucht, das Auto seines Verfolgers aufzubrechen. Drischt Phrasen und gleichzeitig aufs Auto ein, bricht es auf und dann bricht auch endgültig die bürgerliche Maske weg. Rasend vor Wut brüllt er ins Telefon. Spätestens dann ist auch klar, dass Simon Schwarz weit mehr kann, als nur der Hader-Assistent Berti in den Wolf Haas Filmen oder der Trautmann-Assisten zu sein.

Simon Schwarz neben einem Auto im Wald, Szenenbild aus "Am Ende des Tages"

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Milch und Meerschweinchen

Nicholas Ofczarerk, der schon oft bewiesen hat, dass er das Tobende, den Wutausbruch, das Laute beherrscht hat hier die besten Szenen, wenn er leise ist. Er hat die Irrationalität und Unberechenbarkeit geschultert und jede Haarspitze strahlt Bedrohung aus. Als er ein Meerschwein küsst, rechne ich damit, dass er ihm den Kopf abbeißt. Als er ein Glas Milch trinkt und das angsteinflößener ist, als ein zugekokster Scarface, der bis zu den Zähnen bewaffnet ist, gibts in meinem Kopf Szenenapplaus.

nicholas ofczarek küsst ein meerschweinchen. szenenbild aus "am ende der tages"

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Plakat von "Am Ende des Tages"

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"Am Ende des Tages" läuft seit 26. August 2011 in den österreichischen Kinos

"Am Ende des Tages" ist ein Road-Movie-Kammerspiel, ein Ausflug des österreichischen Films ins Thrillergenrekino inklusive den menschlichen Abgründen, an denen der heimische Film nicht nur einen, sondern mindestens fünfzehn Narren gefressen hat. Payers Film zeichnet sich auch durch einen sehr bewussten Umgang mit Sprache aus, das zeigt sich nicht nur in den Floskeleien und affirmativen Politikerplatitüden des Politikers.

Sprachkonzepte

Beim ersten Treffen mit Robert bemüht sich Wolfgang redlich schön zu sprechen, doch zu tief sitzt das schwere "L" in seiner Zunge fest, als dass sich die Herkunft so schnell wegleugnen lassen würde. Ich schätze diesen sehr aufmerksamen Umgang mit Sprache im Kino, bei allem Wissen um das Kino als visuellem Medium, wird nunmal in den meisten Filmen gesprochen, nur scheint es den Autoren oft ein bisschen egal zu sein, wie. Ein Drehbuch, das sich nicht nur Gedanken um die Geschichte macht, sondern auch um Sprachkonzepte, ist ein weitaus interessanteres Drehbuch.

Apropos Road Movie: Das weltklasse Wiener Filmmuseum widmet sich diesem Genre ab 1. September 2011

Das Road Movie, bei dem seit den 1960er Jahren bei all der Beschwörung der Freiheit immer auch die Ausweglosigkeit am Rücksitz Platz genommen hat, ist eine interessante Hülle für das Machtgerangel der beiden Männer. Je schöner die Landschaft, umso beklemmender die Lage. Das Naturidyll als Schauplatz der Grausamkeiten. Der Wehrmutstropfen in dieser Genremelange ist der Showdown, der sich ein bisschen zu sehr als theatralisches Kammerspiel und weniger als nervenzerfetzender Thriller präsentiert.

Und die Moral von der Geschicht?

Den politischen Aspekt des Films darf man jetzt nicht überschätzen, dass Politiker korrupt sind, dass da viele Hände einander waschen und, dass man die Hand, die einen füttert, nicht beißt, sondern besser auch nochmal ganz fest wäscht, ist jetzt keine wirkliche Überraschung. Politik als Kumpanei-Sumpf? Ja, was denn sonst. Im Sumpf sieht und riecht ja auch keiner den Dreck am Stecken. Das Schöne und Interessante ist hier nicht die Deutung des Films als Kommentar auf (österreichische) Zustände, sondern, dass Drehbuchautor Kai Hensel die ewigen Mauscheleien derer mit Dreck am Stecken herausgepickt hat, um daraus einen Thriller zu machen. Einen Thriller ums Verdrängen und Sichs-Richten, der zu einem Schaulaufen zweier exzellenter Schauspieler wird.