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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 8. 2011 - 22:37

Fußball-Journal '11-89.

Wo die Qualität fehlt. Österreich ist nicht Champions League-tauglich.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute über das Nichterreichen der Champions League von Sturm Graz.

Es ist kein Beinbruch. Vielleicht ist der Europa-League-Einzug sogar besser für die nötige Redimensionierung des heimischen Fußballs.

Man sollte eben nicht außer Acht lassen, dass Sturm sich gegen Videoton und Zestafoni letztlich als die weniger gute Mannschaft zweimal glücklich durchgesetzt hat, dass man in Minsk trotz des Comebacks von Jürgen Säumel auch wieder die eher unterlegene Mannschaft war.

Mit Bate Borisov traf man auf ein Team, das eben nur scheinbar ein No Name ist - die waren vor drei Jahren in der Gruppenphase, die stellen eine erkleckliche Anzahl von U21-Akteuren, die sich für Olympia 2012 qualifiziert hat, und, ja, die belorussische Nationalmannschaft hat im Gegensatz zur österreichischen noch intakte EM-Chancen.

Und was sich gegen die Ungarn mit echt viel Massel und gegen die Georgier dann mit recht viel Willen geklappt hat, ging in den beiden Matches gegen Borisov schief.

Im Hinspiel waren die Weißrussen deutlich besser, vor allem nach dem schnellen Weber-Tor war Sturm nie in der Lage, das Spiel an sich zu ziehen.

Wer von sechs Spielen keines beherrscht, kommt nicht weiter

Und heute abend im schwülen Graz waren es ziemlich genau zehn Minuten, in denen Sturm das Heft in der Hand hatte. Danach nahm sich Borisov das Spiel und ließ es fortan nicht mehr aus. Deutlich mehr Ballbesitz schon in der 1. Hälfte und auch die deutlich bessere Kontrolle (sagt meine Notiz aus der 25. Minute. Und nach der Chance, bei der Wolf sich selber den Ball wegschießt, notiere ich: "Sturm lässt sich Spiel zu leicht aus der Hand nehmen. Gefährlich!" Drei Minuten später fällt das 1:0. Und die Spielanlage ändert sich nicht mehr.

Borisov hat mehr Spielanteile, hat die Kontrolle, führt klar bei der Passgenauigkeit und hat auch die deutlicheren Chancen.
Das ist kein Zufall, oder Pech (wie es die hiesigen Medien nach Abpfiff sicher wieder im Einheits-Ton der Suderei behaupten werden), sondern der Unterschied in der Qualität.

Qualität des Personals, Qualität der Taktik (da hat Borisovs junger Trainer nämlich ein ganz raffiniertes Wechselspiel zwischen 4er- und 3er-Abwehr anzubieten; sowas kann Sturm nicht - österreichische Teams würden sich überhaupt Knoten in die Beine spielen, wenn sie das probieren müssten - es sei denn sie heißen Ried), Qualität was Ausbildung, Technik und Perspektive betrifft, Qualität auf allen Linien.

Und die ist bei Sturm Graz einfach nicht da.
Dazu sind die Rahmenbedingungen nicht professionell genug, dazu ist die Funktionärsebene (Präsident, Sportchef) zu schwach, dazu fehlt es an allen Ecken und Ende. Überall ein bisserl (auch beim Coach, der in seiner Entwicklung feststeckt), aber in Summe dann doch deutlich.

So deutlich wie es die sechs Matches belegt haben, von denen Sturm nicht eines wirklich beherrschte. So deutlich wie die Schlussphase des heutigen Matches, wo sich Sturm nach der 75. Minute komplett willenlos ergab.

Wo sich die fehlende Qualität auch medial niederschlägt

Die "So ein Pech!"-Arien der morgigen Printmedien habe ich bereits erwähnt - fataler ist die Betrachtung der Hist-Broadcaster, die sich bis zum 2:0 auf Realitätsverweigerung beschränkte. Zum einen wurde im Vorfeld nur auf die (okayen) Resultate, nicht aber auf die andauernde Unterlegenheit eingangen.

Im Spiel selber wird die Phase, in der Sturm das Spiel aus der Hand gibt (ab der 10., 15. Minute) nicht angesprochen, vielleicht wird sie auch einfach nicht erkannt. Das Gegentor wird als Gemeinheit, als Zufall erklärt: einmal nicht aufgepasst, eine kleine Nachlässigkeit, Dudic hätte rausrücken müssen ... alles nicht von Belang. In dieser Phase hatte sich Sturm das Match aus der Hand nehmen lassen und sich so ohne Not in Gefahr begeben: das Tor war nur folgerichtig.

Zudem ist auch von einer 'Gleichwertigkeit', von ähnlicher Qualität der beiden Mannschaften die Rede - ein ziemlicher Unfug. Da ist auch das Geseier vom fehlenden Roman Kienast nichts als eine Nebelgranate, um sich vor einer echten Analyse zu drücken.

Nach dem zweiten Tor sackt nicht nur Sturm, sondern auch die Live-Übertragung in sich zusammen. Alles, was vorher schöngeschrieen wurde, kriegt jetzt einen Negativ-Spot.

In dieser Hinsicht schließen die heimischen Fußball-Medien direkt an die heimischen Fußball-Vereine an: Ihnen fehlt die Qualität. Und Qualität ist keine Töchter des Glücks oder das Gegenteil von Pech, sondern eine Tochter der Zeit und eine Folge von echter Analyse-Fähigkeit.

PS: Imre Szabics hätte die. Der hat eine als Ausreden-Rutsche gelegte Frage nach den ach so tollen Torchancen mit der Bemerkung, dass man doch gar keine wirklich 100%ige gehabt hätte, gekontert.
Und schau, auch Andreas Herzog meint, nachdem er ein paar Ausreden gebracht hat, dass es nicht reicht, nur Ausreden zu suchen.