Erstellt am: 23. 8. 2011 - 17:02 Uhr
Krawehl, Krawehl! Abschied von Loriot
Er war wohl einer der größten Satiriker und Humoristen, den Deutschland das letzte Jahrhundert hervorgebracht hat.
Der im November 1923 als Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow in Brandenburg an der Havel geborene Loriot hat es wie keiner seiner Kollegen verstanden, die spießbürgerliche deutsche Seele perfide aber charmant zu karikieren.
„Ich zeige ja nur allzu menschliche Dinge, die jedem passieren können und einen großen Wiedererkennungswert haben. Darüber hinaus muss man wach bleiben, nichts als selbstverständlich hinnehmen und sich über alles wundern."
Der Künstlername Loriot ist die französische Bezeichnung des Pirols, des Wappentieres der Familie von Bülow, ein Adelsgeschlecht, das bis ins 12. Jahrhundert zurück reicht und dessen Mitglieder vor allem hohe militärische und kirchliche Ämter inne hatten.
Typisch preußisch
Diese, stark auf Tradition ausgerichtete Stammreihe und die daraus resultierenden Klischees, die viele heute als das „typisch Preußische“ bezeichnen, also das Spießbürgerliche, eigentlich Bildungsbürgerliche, aber von anderen (die im Süden?) beneidete, oder als Arroganz missverstandene Bildungsbürgerlichkeit, die angebliche Humorlosigkeit, und trockene Übereifrigkeit; genau das verstand Loriot perfekt zu analysieren. Genau diese Einflüsse vermochte er, der selbst ganz nach Familientradition eine Offizierslaufbahn begann, in seinen Karikaturen, Sketches und Filmen zu verarbeiten.
Loriot war das bürgerlich-preußische Gegenstück zu vergleichbaren, aktuellen deutschen Satirikern, wie zum Beispiel der Ostfriesische Otto Waalkes und sein (2006 verstorbener) Gagschreiber Robert Gernhardt, der Bayrische Gerhard Polt, oder H.P. Kerkeling aus dem Ruhrgebiet, die allesamt und miteinander aus Deutschland in Wahrheit eines der herausragendsten Humor-Export Länder machten und noch immer machen. Dieser Beweis, an dessen Erbringung Loriot nach eigenen Worten in seiner ganzen Schaffenslaufbahn gearbeitet hat, ist ihm wohl gelungen.
„Warum sind Humoristen, Satiriker, eben dies ganze Volk, warum sind die im Privatleben nicht komischer als andere? Nun, das liegt einfach daran, dass Humorist genauso ein Beruf ist wie zum Beispiel Sänger oder Politiker. (...) Die Tätigkeit eines Humoristen ist eine sehr nachdenkliche Arbeit am Schreibtisch, die ungeheure Konzentration verlangt."
Knollennase
Seine ersten Erfolge hatte Loriot, der Malerei und Grafik studiert hat, mit dem charakteristischen Knollennasenmännchen 1950 als Cartoonist für das Hamburger Magazin „Die Straße“ und für die Zeitschrift „Stern“.
1971 erfand er den Zeichentrickhund „Wum“, dem er selbst seine Stimme verlieh. 1976 entstanden die ersten Sketches für die sechsteilige Fernsehserie „Sauberer Bildschirm“, die er vor allem gemeinsam mit seiner langjährigen und vor vier Jahren verstorbenen Sketch-Partnerin Evelyn Hamann spielte. Mit Evelyn Hamann drehte Loriot auch seine zwei Spielfilme Ödipussi (1988) und Pappa ante Portas (1991).
Als Regisseur inszenierte er außerdem zwei Opern, "Martha" in Stuttgart und "Der Freischütz" in Ludwigsburg und führte eine Kurzfassung von Wagners Ring des Nibelungen an einem Abend auf.
Seine Sketches und Zitate haben zu einem großen Teil in die Alltagssprache Einzug gefunden.
Wie zum Beispiel der Satz „Früher war mehr Lametta“ aus dem Weihnachts-Sketch mit Opa Hoppenstedt:
Oder seine schelmische Lust an der Analyse neuartiger Sprach-Schätze: „Zahnersatzzusatzversicherung ist der linguistische Höhepunkt der deutschen Verwaltungslust.“
Sein Lieblingstier war der Mops, Loriot besaß aktuell selbst zwei davon:
2006 hat sich Loriot als Mitgestalter der aktuellen Medienlandschaft zurückgezogen, weil, wie er meinte, durch die Schnelllebigkeit in diesem Metier keine humoristische Qualität mehr möglich sei.
Denn das zeichnete Loriots künstlerisches Schaffen aus: das zwischenmenschliche Unvermögen zu kommunizieren: „Kommunikationsgestörte interessieren mich am allermeisten. Alles, was ich als komisch empfinde, entsteht aus der zerbröselten Kommunikation, aus dem Aneinander-vorbei-Reden.“
Universalgenie
Loriot hat als Universalgenie quer durch alle Generationen Kultstatus erreicht, seine Fans finden sich im Pfarrgemeinderat von Garmisch Patenkirchen genauso wie in der schwulen Loriot-Gruppe auf Gayromeo. Auf Facebook gab es kurz nach Bekanntwerden des Todesfalls einer populären Persönlichkeit wohl noch nie so schnell so viele Beileidsbekundungen und eingebettete Videos, wie jetzt bei Loriot.
„Ich gehe kaum spazieren, wandere selten und gucke eigentlich nur aus dem Fenster“.
Die Geburtstags-Gala zu Loriots 60stem Geburtstag:
Die Glückwunsch-Gala des öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens zum 90sten bleibt ihm dann wohl erspart.
Loriot ist gestern Nacht im Alter von 87 Jahren in seinem Haus am Starnberger See „sanft entschlafen“ und wird im engsten Kreis seiner Familie beerdigt, verkündet der Diogenes-Verlag.