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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

20. 8. 2011 - 17:44

Lebensqualität am Festival

Rumsauen und Pöbeln vs. sauber und friedlich campen. Ein Vergleich am FM4 Frequency Festival.

Das FM4 Frequency Festival 2011

Früher war alles besser. Das Müllpfand ist ernst genommen, die leeren Dosen, Flaschen und Sackerln brav entsorgt, Essensreste nicht einfach in die Landschaft geschmissen, Körperausscheidungen nicht am nächsten Zelt hinterlassen worden. Würde ich gerne sagen. Stimmt aber nicht. Die Campingplätze auf fast allen Festivals, auf denen ich so war, waren spätestens ab dem zweiten Tag Sondermüllhalden, ideale Entstehungs- und Verbreitungsgebiete für Seuchenepidemien. Das Frequency hat da auch zur guten alten Zeit in Salzburg keine Ausnahme gemacht und in den vergangenen zehn Jahren haben die meisten Gegenstrategien, die Veranstalter so setzen, um nachher nicht durch die Entsorgungskosten in die Miesen zu rutschen, nur bedingt gegriffen. Die Dosenumtauschaktion - fünfzehn leere Bierdosen gegen eine volle - etwa wird natürlich super angenommen, aber es gibt noch anderen Mist und immer noch genug leere Dosen liegen hier im Gras bzw. treiben in der Traisen.

Die Traisen mit Müllteppich, im Hintergrund Badende.

Michael Fiedler Radio Fm4

Heuer gab es am FM4 Frequency Festival ein Gegenkonzept, das durchaus Zukunft hat: den Green Camper Bereich. Nach unkomplizierter Voranmeldung konnten die Green Camper einen abgesperrten Campingbereich beziehen, auf dem spezielle Regeln gelten: Der Abfall wird sofort in Säcken entsorgt, laute Musik aus mitgebrachten Anlagen ist verboten, gegenseitiger Respekt selbstverständlich. 700 Leute haben sich dafür angemeldet und sind grundsätzlich zufrieden. Auch wenn das Gelände durch den Zaun erstmal wirkt wie ein Gehege.

"Drücken sie Nummer 777 auf Ihrem Audioguide um mehr über die Tiere zu erfahren!" steht auf dem Zaun zum Green Camper Bereich.

Michael Fiedler Radio FM4

Aber hinter dem Zaun lebt es sich wirklich gut: Man kann sich noch am dritten Tag des Wahnsinns bedenkenlos überall
hinsetzen, der typische Festivalgestank fehlt völlig, die BewohnerInnen sind keine Alkoholleichen, sondern ausgeschlafen und planen lieber ihr persönliches Line-Up des Tages, anstatt die nächste Bierbong zu trinken. Wenn man das trinken nennen kann.

Der Frequency Videoblog
Mit Deichkind, Kasabian, Effi und euch, den BesucherInnen!

Natürlich kommt da sofort die Frage auf, ob dieses brave, ruhige Verhalten auf einem echten Festival Platz hat. Ist es nicht längst common sense, dass man weit über hundert Euro für die Eintrittskarte eigentlich nicht wegen der Bands und der einzigartigen Stimmung unter 45.000 anderen Fans bezahlt? Sondern dafür, dass man sich für einige Tage außerhalb der Gesellschaft befindet, sich in mit Bier und Urin vermischem Dreck suhlt und all das machen kann, was man sich sonst nicht traut? Gar nicht so weit an den Haaren herbeigezogen fällt mir der Vergleich zur Diskussion um die Anonymität im Netz ein. Die auffällig widerlichen FestivalbesucherInnen wären da die Trolle, die sich hinter ihrer - ohnehin nur scheinbaren - Anonymität verstecken, damit sie sagen und tun können, was sie wirklich denken; die Green CamperInnen jene, die ihre Klarnamen verwenden und lieber noch einmal nachdenken, bevor sie auf Senden drücken.

Am FM4 Frequency Festival wäre es aber schön, wenn Green Camping in Zukunft belohnt würde: Der Bereich könnte näher an den Bühnen sein, mehr Klos, eigene Duschen und vielleicht ein eigenes Chill-Out-Area besitzen. Damit würden die belohnt, die wegen der Bands kommen, ihren Müll wegräumen und die ihr Menschsein auch am Festival nicht ablegen wollen. Das ließe sich im übrigen ganz ähnlich auch im Netz umsetzen.