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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 8. 2011 - 23:00

Journal 2011. Eintrag 154.

Die harte Währung der puren Links kann nicht für Platz drei reichen, oder?

2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.

Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute mit der Frage nach der Rolle des Publizisten in Social Media; genauer gesagt meiner Frage nach meiner Rolle.

Heute habe ich ein 14-seitiges internes Kompendium zum Thema "Social Media und Jornalismus" gelesen, ja sogar studiert. Zwei Kollegen (@michischmid und @grr_mono) haben es verfasst, im Rahmen eines FM4-Fortbildungs-Angebots (das wiederum im Rahmen eines kleinen sommerlichen Schwerpunkt verankert ist - nicht damit uns nicht fad wird, sondern weil diese Art von Fort-/Weiterbildung gerade für ein Berufsbild im Wandel ziemlich unerlässlich ist).

Nach meinen Erfahrungen aus Deutschland bin ich ziemlich sicher, dass die beiden, wären wir dort und würden wir uns in einem tatsächlichen Medienmarkt und nicht nur seiner kleinstädtischen Imitation bewegen, als Vortragende von Kongress zu Symposium, von Redaktion zu Podiumsdiskussion weitergereicht würden. Denn das diesbezügliche Level im deutschen Jornalismus ist zwar hoch, aber eine so exakte, profilierte und unaufgeregte Zusammenfassung des Status Quo gab es etwa unlängst in Hamburg keineswegs.

Durch dieses Rumstöbern bin ich dann wieder einmal auf diversen Seiten und Listen gelandet wie etwa jener hier und dann auch ihrer journalistischen Aufarbeitung wie hier im Standard.

Zuletzt ist mir Ähnliches vor etwa einem Monat passiert, als in einer anderen Szene diese Twitter-Charts bekanntgegeben wurden.

Die leise Absurdität der Chart-Platzierungen

Meine erste Reaktion in diesen Fällen ist immer noch pures, basses Erstaunen. Obwohl ich's besser wissen sollte.

Denn ich unternehme nichts, rein gar nichts, um diese Zahlen und diese Rankings irgendwie aufzupeppen oder in die Höhe zu drücken. Und das ginge ja, in jeder Hinsicht, das weiß mein schlaues Manual, aber auch jeder, der sich ein bisschen beschäftigt. Mittlerweile kann man Twitter-Follower kaufen, ebenso wie Facebook-Freunde und so künstliche Kommunikationsflüsse erzielen oder auch nur vortäuschen. Die offiziellen Charts, die nur die Kontakte zählen, aber nichts über die Substanz wissen, sind so leicht auszutricksen.

Einschub: Ganze Industrien basieren auf solchen virtuellen, überlistbaren und letztlich willkürlichen Charts. Die Werbebranche tut es mit ihren Media-Daten, die Medien-Branche mit ihrer Quoten-Hörigkeit, die Börsen-Spekulanten verschleiern so ihre Tricks, die Rating-Agenturen verbreiten auf dieser Basis Angst und Schrecken etc. Einschub Ende.

Nun ist es jedoch so, dass ich, seitdem ich das in Österreich noch zarte Pflänzchen Twitter aufgefunden habe und mir hin und wieder eine Blüte daraus ans virtuelle Revers stecke, dort in der Charts-Spitzengruppe dabei bin.
Ohne so recht zu wissen warum eigentlich.

Garantiert keine klassische Kundenfreundlichkeit

Denn ich beherzige kaum einen der klassischen Ratschläge: ich tauche unregelmäßig auf, setzte meine Tweets fast ausschließlich zu meinen Journalen, reagiere nur auf direkte Ansprache und nutze das Tool in recht wenigen Fällen zur Kontaktpflege. Ich beherrsche das Regelwerk nicht wirklich (erst heute hab ich, - danke an Petra und Andrea - einen Dodel-Anfängerfehler begangen) und kümmere mich nicht um die auch dort natürlich auftretenden sozialen Verpflichtungen.

Mit anderen Worten: mein Twitter-Auftritt ist letztlich, wenn man sich ans Handbuch hält - sogar an das meiner pfiffigen Kollegen, die eh wissen, dass das Individuelle das brave Runterbeten des Katalogs aussticht - mangelhaft, bestenfalls befriedigend.
Letztlich mach ich es auf Facebook auch nicht anders. Auch dort gibt es (abseits der Privat-Kommunikation) keine kundenfreundliche Betreuung, nur das Absetzen des blanken Ergebnisses, der harten Währung, der harten Links.

Es gibt auch deshalb keinerlei Kundenfreundlichkeit, weil ich den Endverbraucher noch nie als Kunden betrachtet habe; sondern halt als interessierten Menschen jenseits klassischen Verwertungsdenkens.

Und trotzdem wächst die Meute.
Da wie dort.

Wer nimmt sich Twitter und Co so an, wie sie es verdienen?

Trotzdem bin ich hinter Twitter-Gott Wolf und dem Social-Media-Chefklicker Misik die Nummer 3, vor dem Webstandard, und allen Klenks und Fahrnbergers. Und im mittlerweile explosionsartig aufgeschossenen Sektor des österreichichischen Fußballs die Nummer 1 (auch wenn da rechnerisch ein paar Dinge nicht berücksichtigt wurden).

Außerdem weiß ich, wieviel bzw. wie wenig Zeit auch die Wolfs und Misiks für diese Projekte, für die Verbreitung, das Marketing etc. aufwenden (können).

Das lässt für mich nur einen Schluss zu: wenn sich irgendjemand, wer in welcher Branche auch immer, dieses Mediums endlich so annimmt, wie es das verdient (nämlich mit voller Aufmerksamkeit, fulltime) dann kann er/sie dort innerhalb kürzester Zeit zu King/Queen aufsteigen und eine echte und wichtige Position erlangen - vor allem an der Schnittstelle Social Media/Journalismus.

Und natürlich ist das ein Aufmarschgebiet für Rollenspiele, wie sie Journalisten in ihrer Eitelkeit lieben - egal ob sie sich als Conversationalist, als Specialist, als Networker, als Observer oder als Thought Leader positionieren wollen.

Inhalte vor Kasperltheater? Wer's glaubt...

Die vorhin erwähnten deutschen Kollegen machen das auch - und dort gibt es auch bereits Stars in dieser Größenordnung und Preisklasse. In Österreich traut man sich noch nicht so recht drüber, allen Ansätzen zum Trotz.

Das kann nicht so bleiben, da bin ich mir sicher.
Irgendwann wird dieser Bereich, der uns aktuell so anarchisch erscheint, von den Ausbeutungs-Profis überrollt und übernommen werden.
Das muss so sein.
Denn wenn die aktuelle Entwicklung sich fortsetzen sollte, dann bedeutet das, dass dieser Ausschnitt der österreichischen Web-User (und der steht ja aktuell als pars pro toto da) tatsächlich die harten Links, also die Inhalte, über das Kasperl-Theater stellt.
Das klingt toll, aber so doof, das zu glauben, bin ich nicht.