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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

17. 8. 2011 - 11:45

Monica, beiß zu!

Die Lewinsky-Affäre hat sich für mich vom Oval Office durch den Balkan bis zum Pazifik verbreitet.

Der Sommer 1998 war schrecklich für mich. Meine Mutter hat eine Stelle in Berlin bekommen. Ich sollte mit ihr nach Deutschland gehen. Da ich kein Wort Deutsch verstehen konnte, sperrte mich meine Mutter in ein Zimmer des bulgarischen diplomatischen Wohnblocks: Ich sollte den ganzen Tag Fernseh schauen und dadurch Deutsch lernen. Alle anderen Jungs in meinem Alter flirteten auf dem Hof mit den echten Mädchen, nur ich sollte mich mit den Fernseh-Schönheiten beglücken. Mein Leben als Gefangener der deutschen Sprache hat mir aber ungeahnte Welten geöffnet.

Heute genau vor 13 Jahren hat US-Präsident Bill Clinton öffentlich zugegeben, dass er eine „unangemessene Beziehung“ mit der Praktikantin im Weißen Haus Monica Lewinsky gehabt hatte.Clinton wurde wegen Falschaussagens einem Impeachmentverfahren unterstellt. Die Geschichte vom geilen Bill und seinem Saxophon im Oval Office ging um die Welt.

Bill Clinton und Monica Lewinsky

PRESS ASSOCIATION

Und ich besuchte einen Deutschkurs. „Monica, stisni zube" („Monica, beiß zu!“), das stand auf dem T-Shirt meines ehemaligen Deutschkurs-Klassenkameraden Dragan aus Serbien. Zu dieser Zeit flüchteten unzählige Menschen sowohl aus Serbien, als auch aus dem Kosovo nach Berlin. Dragan hatte in in Deutschland Asyl beantragt und sehnte sich nach einer wenn nicht politischen, dann zumindest physischen Rache für Clinton. Zu dieser Zeit glaubten viele Serben, dass nicht das Milosevic-Regime, sondern der Wunsch Clintons, seine Sexaffäre zu vertuschen, schuld an den NATO-Bombardierungen über Serbien war. Ich habe Dragan mehr oder weniger verstanden. Kurz davor sind wir mit einem Auto an Belgrad vorbeigefahren. Von der Autobahn konnte man das immer noch rauchende Skelett des serbischen Rundfunkgebäudes beobachten, das von einer NATO-Bombe getroffen worden war. In meinem Alter erschien mir die Aufschrift auf Dragans T-Shirt mutig und irgendwie anziehend.

Ich habe die ganze Zeit an Clinton gedacht. Da mein Deutsch schwach war, konnte ich darüber nicht mit den anderen aus meinem Kurs diskutieren. Deshalb fing ich an, bei verschiedenen Sexhotlines anzurufen. Da brauchst du nicht viel zu reden. All das hatte aber unerwartete Folgen. Nachdem wir die Telefonrechnung bekommen hatten, versuchte meine Mutter, sich bei der Telekom zu beschweren. Dort wurde ihr gezeigt, mit welchen Nummern ihr Sohn gesprochen hatte und sie musste die Klappe halten. Sie ließ alle Sexnummern sperren, aber ich fand einen Weg, um meiner Freizeitbeschäftigung weiter zu folgen. Ich fand andere Sexhotlines, stationiert auf der Insel Tuvalu im Pazifik. Unsere Telefonrechnung wurde noch größer. Meine Mutter ging das Risiko ein, uns von der Welt abzutrennen und hat uns vom Telefonnetz abgemeldet. Sie wollte auch meine Erklärungen nicht hören, dass ich durch solche Gespräche nur meine Deutschkenntnisse verbessern wolle.

Die Lewinsky-Affäre hat sich für mich vom Oval Office durch den Balkan bis zum Pazifik verbreitet. All das erscheint mir heute lustig, aber Clinton wäre vielleicht das Lachen vergangen, wenn Monica tatsächlich zugebissen hätte. Und die Balkangeschichte wäre vielleicht anders verlaufen.