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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

16. 8. 2011 - 13:59

Die ungleichen Entwickler

Allgemeine Konferenzen für Games-Macher werden zum Auslaufmodell. Die einzelnen Bereiche der Branche haben immer weniger Gemeinsamkeiten.

Manchmal frage ich mich auf Veranstaltungen wie der GDC (Game Developers Conference) Europe, für wen die eigentlich gemacht werden. Gut, es geht hauptsächlich um die informellen Momente nach den Vorträgen und auf den Parties, um das Kontakteschließen mit potenziellen Geschäftspartnern und Unterstützern. Aber sieht man sich nur das offizielle Programm an, könnten sich die unterschiedlichen Interessengruppen ebenso gut separat treffen.

Da gibt es zum Beispiel den "Independent Games Summit" für die innovativen Designer mit kleinem Budget, einen Schwerpunkt-Tag für die Entwickler für SmartPhone- und Tablet-Games und viele Informationsveranstaltungen für die zahlenverliebten Facebook-Monetarisierer. Was sie zusammenhält, ist ein Konferenzname und ein Veranstalter, der alles unter einem Dach zusammenbringt. Das Wir-Gefühl, die große Gemeinsamkeit von digitaler Spielkultur spürt man dabei nicht mehr so stark wie früher. Wer in Köln bei der GDC Europe vor Ort ist, sieht sich in erster Linie die Veranstaltungen seiner eigenen Sparte an - für alles andere fehlen meist Zeit und Kapazität. Wirklich sinnvoll ist das breite Spektrum an Vorträgen nur für Studierende und Jungunternehmer, die die Spielemacherkonferenz als erweiterte Schnuppertage in die verschiedenen Äste der Games-Industrie nutzen können.

Der US-amerikanische Spielejournalist Brandon Boyer beim "Independent Games Summit" auf der GDC Europe.

Robert Glashüttner

US-Spielejournalist Brandon Boyer beim "Independent Games Summit".

Wenig Platz für Visionäre

Der Umstand, dass die großen Prediger, die sympathischen Quasi-Heiligen und Zusammenhalter der Spielemacher und Spieler/innen (Shigeru Miyamoto, Will Wright, Peter Molyneux, etc.) fehlen, liegt natürlich auch am Standort Köln. Zwar ist hier vor gut zwei Jahren die neue europäische Videospielstadt aus dem Boden gestampft worden, doch ist sie in ihrer Relevanz (im Gegensatz zur dahingeschiedenen "Games Convention" in Leipzig, die Jahr für Jahr gewachsen ist) seither zur ewigen Stagnation verdammt. Denn trotz aller wirtschaftlichen und politischen Probleme, die die USA haben, ist westliche Spieleentwicklung im wirklich großem Stil (so wie: Blizzard Entertainment, Rockstar Games) nur dort möglich. Der asiatische Raum, vorwiegend Japan und Korea, holt zwar stark auf, bleibt aber weiterhin ein großes Mysterium, dessen Ticken und Wirken man als durchschnittlicher westlicher Spieleenthusiast auch mit viel Offenheit und Interesse nie so richtig versteht.

Spiele an der Optimierungsgrenze
Nadja Igler über der Prinzip "Free to Play" und den Faktor Freunde auf news.ORF.at.

Bleibt also nur das Einigeln in den jeweiligen Industriezweig. Das schon seit drei bis vier Jahren brodelnde Segment der Social Games ist 2011 nun endlich der große Platzhirsch. Bei der GDC Europe reiht sich Vortrag an Vortrag, wo mantraartig durchgepeitscht wird, dass es hier nicht um kreatives Game Design geht sondern um simple Spielmechaniken, die einer möglichst breiten Zielgruppe dauernd digitale Karotten vor die Nase halten sollen. Alles free 2 play, versteht sich, doch irgendwann wirst auch du ein paar echte Euro-Cent locker machen, damit du dir irgendeinen Kram im Spiel kaufen kannst. Statistiken werden zu Götzen, betriebswirtschaftliche Buzzwords (customer lifetime value, metrics, usw.) zum Gebot der Stunde. In schlechten Momenten gerät der Monetarisierungs-Mob der Social-Games-Branche vom Prinzip her ins zynische Fahrwasser der Glücksspielindustrie: Es wird mit möglichst viel Blingbling, niedrigsten Einstiegshürden und ein paar Freispielen gelockt.

Beharren auf spielerische Qualität

Bei so viel Berechenbarkeit ist es beinahe rührend, wenn Industrieberater der alten Schule nicht müde werden, sich auf inhaltliche Qualität, narrative Konsistenz und moralische Grundwerte zu berufen. Der freie Game-Design-Consultant Ernest W. Adams, bekannt geworden durch sein mittlerweile 10 Jahre altes Manifest "Dogma 2001", ist so jemand - er ist stur. Mittlerweile ist er zwar weniger überheblich als früher und gesteht gleich zu Beginn seines Vortrages ein, dass die Industrie seine Überlegungen eigentlich nicht brauche. Trotzdem: Wie wäre es denn, wenn Online-Rollenspiele weniger so wären wie sie sind und stattdessen glaubhafter, immersiver, nicht so getrieben von Zahlen, Werten und Aufleveln? Alle von Adams analysierten Probleme und Lösungsvorschläge sind treffsicher. Doch es ist von Anfang an klar, dass es sich hier um eine rein akademische Diskussion handelt.

Der britische Videospiel-Berater Ernest W. Adams beim Präsentieren seines Vortrages "Making MMOGs more storylike".

Robert Glashüttner

Ernest W. Adams' Vision des idealen Online-Rollenspiels.

Einsam und gemeinsam

Es ist nie schlecht, wenn Gemeinschaften, die ohnehin zu oft mit Scheuklappen durch die Welt gehen, bei fächerübergreifenden Veranstaltungen wie der GDC Europe aufeinandertreffen. Geht es aber rein ums Geschäft, ist das Aufschnappen neuer Perspektiven eher Luxus als Notwendigkeit. Für das reibungslose Weiterlaufen des alltäglichen Geschäftes sind Fachveranstaltungen zweifellos effizienter. Die Lebenswelten und Produkte der Indie-Game-Hipster, Smartphone-Geeks und Microtransaction-Yuppies sind einfach zu verschieden.