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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

14. 8. 2011 - 14:35

Song Zum Sonntag: John Maus

Zeitreisen auf Keyboardwellen: "Quantum Leap"

Herz an Herz, Kopf an Kopf, wir sind die, die durch die Zeit reisen.

John Maus ist nicht nur Philosophieprofessor in Hawaii, sondern war auch Keyboarder bei Ariel Pink's Haunted Graffiti, Panda Bear und Chairlift und ist mit den Six Organs of Admittance befreundet - er ist ein bekennender Fan von Weltraum-Erzählungen, allen voran der Star-Trek-Reihe.

Portrait John Maus

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Als Weltraum-Erzähler entführt uns Maus natürlich in die Fernsehvergangenheit, in eine bei uns kaum bekannte Science-Fiction-Serie aus den Neunziger Jahren: "Quantum Leap" (dt. Zurück in die Vergangenheit) mit dem Späteren Star-Trek-Darsteller Scott Bakula und Hollywoodstar Dean Stockwell in den Hauptrollen.

Der Quantensprung ist hier also der "echte" Quantensprung, der als Trägerenergie für eine Zeitreise fungiert, und nicht die allgegenwärtige schiefe Metapher für eine erreichte, große Anstrengung (Zur Erinnerung: Der Quantensprung ist häufig, winzig und zufällig und somit das Gegenteil vom Seltenen, Riesigen und Gezielten, der ihm in der Metapher zugeschrieben wird).

"Quantum Leap" ist eine im New Wave Spirit gehaltene Nummer, in der die schon immer mit dem Weltraum assoziierten Keyboard-Flimmerflächen die Unterlage für einen ebenso "celestialen" Harmonierefrain bilden - ein schönes kleines Lied von einem interessanten Typen, dessen neue CD "Wir müssen die gnadenlosen Zensoren von uns selbst werden" heißt, und den es zu entdecken lohnt.

Mit den "Ekel-Sounds", mit denen mich Thomas Kramar in seinem Presse-Artikel zitiert, sind hauptsächlich die derzeit so präsenten Keyboard-Flächen gemeint, die nicht in erster Linie an die Achtziger Popmusik erinnern soll, die seit ihrem Entstehen 20 Jahre lang die Mainstream-Radiokanäle zustopften, sondern eher eine frühere, kindliche Variante dieser Instrumentengeschichte: Ich erinnere gerne an den Vangelis der Siebziger Jahre ("Spiral"), Tangerine Dreams analoge Keyboard-Türme, Rick Wakemans Emulsionen von alten Instrumenten (so auch hier das Spinett auf Maus' "Streetlight") oder den (frühen digitalen) Spaß der Österreicher Eela Craig, die - in einer ORF-Sendung in meiner Erinnerung - ihren stallgroßen Sampler dazu benutzten, ein Schaf Bach blöken zu lassen.

Leuchtturm, von Gischt umspült, Cover vom neuen John Maus Album "We must become the pitiless cesors of ourselves"

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Hier dienen diese Sounds der Erzählung vom Verhältnis Mensch / Raum / Technologie und haben so einen inhaltlich fundierten Platz, anstatt selber Inhalt zu sein.

Es gibt natürlich Bands derzeit, wie schon bei den Gedanken zu Bright Eyes und Okervil River erörtert, die sich auf "cheesy" Sounds aus den Achtzigern beziehen, allen voran die von mir leidenschftlich verachteten Franzosen Phoenix und Air, aber auch die schlimmen Chromeo oder der halbe Chillwave Stall, was man angesichts der lange bestimmenden Hegemonie von (Post) Punk und einem erdrückenden Kritikerkanon wieder gut finden kann - hören mag ich es selten.

John Maus gehört nicht dazu: Bei "Quantum Leap" steht die Verbeugung vor New Order und Cabaret Voltaire, sowie dem melodiereichen Synthpop von Jona Lewie und Vince Clarke im Vordergrund und die Klangerzeugung ist immer einer Düsternis und Schwere verpflichtet, die doch wieder zum Post Punk gehört. Verspielt ist er auch: am Anfang von "Quantum Leap" hört man einen netten kleinen Sound, der wohl das Synthesizer Pendant zu einem Quantensprung darstellen soll.