Erstellt am: 13. 8. 2011 - 10:34 Uhr
50 Jahre Mauerbau
Vor 50 Jahren, am 13. August 1961, wurde in Berlin eine Mauer gebaut, und das obwohl SED Chef Walter Ulbricht noch am 16.Juni öffentlich verkündet hatte niemand habe die Absicht das zu tun.
Mehrere Bücher sind pünktlich zum Jubiläum erschienen. "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" heißt eines davon und der Titel spiegelt nicht nur die Meinung seiner Autoren, zweier ehemaliger Generäle der DDR Volksarmee, wieder.
Auch viele Berliner, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage, glauben, dass der Mauerbau aus damaliger Sicht nötig und gerechtfertigt war, um die Abwanderung von Fachkräften aus der DDR zu stoppen und die politische Lage in der DDR und Deutschlands insgesamt zu stabilisieren. Der "antifaschistische Schutzwall" wurde auch zu DDR-Zeiten als Mittel der Friedenssicherung gesehen.
Christiane Rösinger
Was die Umfrage auch zeigte: Die seit 1990 nach Berlin Zugezogenen interessieren sich herzlich wenig für die Mauergeschichte. Kaum einer weiß, was am 13. August geschah. Dafür berichtete unser Regionalsender "Die Berliner Abendschau" seit Wochen jeden Abend vom 13.August 1961, lässt Zeitzeugen davon erzählen, wie sich das Leben an jenem Sonntag im August geändert hat. Fluchtgeschichten, Trennungsgeschichten, viele hochdramatisch andere fast lakonisch.
Heute wird bei einer ökumenischen Andacht mit der Bundeskanzlerin den Opfern der Teilung und der Mauertoten gedacht. Eine ganze Themenwoche ist der Berliner Mauer gewidmet, mit Ausstellungen, Lesungen an der Mauergedenkstätte und im Aufnahmelager Mariendorf.
Nur die Mauer selbst, die spielt beim Jubiläum nicht mehr mit. Sie war den Berlinern so verhasst, dass sie zu früh, zu rigoros abgerissen wurde. Kaum etwas ist übrig geblieben. Das bedauern der Tourismusverband und die Berlinbesucher, die sich auf die Suche nach ihren Resten machen. Man wollte die "Schandmauer" wie sie von der Springerpresse genannt wurde möglichst schnell vergessen und alle Erinnerungen abwehren.
An vielen Stellen ging die Mauer wie ein brutaler Schnitt durch die Stadt, an anderen Stellen fügte sie sich ganz organisch ein. Da wurde die Spree zur Grenze, wurde der "Todesstreifen" wie man die Grenzanlagen im Westen nannte, auf zugeschütteten Kanälen errichtet, nach dem Mauerfall ist hier öffentliches Grünland entstanden.
Selbst wer noch mit der Mauer gelebt hat, kennt sich an manchen Stellen nicht mehr aus und fragt: "Wo stand sie jetzt noch mal?" Es ist einiges neu gebaut und man bemüht sich, die Narben der Teilung unsichtbar zu machen.
Christiane Rösinger
Will man heute Besuchern die heitere, absurde Seite der Mauer zeigen, dann führt man sie zu einem Baumhaus hinter dem Kreuzberger Mariannenplatz, an der St. Thomas-Kirche. Dahinter endete einst die westliche Welt. Eine winzige Grünfläche war da noch, ein spitzwinkliges Dreieck, eingeschnitten von zwei aufeinander zulaufenden Straßen, und dann kam die Mauer. Das kleine Stückchen Erde zwischen Kirche und Mauer war ein Niemandsland, um das sich niemand kümmerte. Die aus dem Osten nicht, weil es ihnen zu umständlich gewesen war, den spitzen 500-Quadratmeterzipfel ihres Territoriums mit der Mauer einzufrieden.
So blieb das Stückchen DDR im Westen, und auf diesem Fleckchen hatte zu Mauerzeiten Osman Kalin angefangen Kohl anzubauen. Am Anfang hatte er nur ein paar qm von Müll und Unrat befreit, den man zu Westberliner Zeit gerne vor der Mauer lagerte, nach und nach aber eignete er sich das ganze Terrain an, pflanzte Sonnenblumen, Gemüse, Bäume, zimmerte ein windschiefes Gartenhaus zurecht.
Vor seiner Starrköpfigkeit und auch wegen mangelnder türkischer Sprachkenntnisse resignierten die DDR - Grenzer und ließen ihn gewähren.
Nach dem Fall der Mauer belebten sich der Straßenverkehr um das Baumhaus, nach einigem Hin und Her konnte das exotische Dreieck aber dort stehen bleiben.
Und jede geführten Mauertour durch Kreuzberg macht halt am Baumhaus des Osman Kalin.