Erstellt am: 11. 8. 2011 - 23:22 Uhr
Theophilus London
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„Timez Are Weird These Days“. Wie recht er hat, der junge MC Theophilus London aus Brooklyn. Allerdings hat es sich dann auch schon wieder mit der allgemeinen Bestandsaufnahme. Aus der programmatischen Überschrift am Albumcover wird bereits im Eröffnungsstück des gemeinen Rappers liebste Reiminstanz, das „Me, Myself & I“.
Warner/Reprise
"And if your whole team feel I don't deserve to be in hip hop. Tell them they can get off my Herbie Hancock", reimschmiedet unser Album-der-Woche-Held im Opener „Last Name London“. Da schwingt etwas Verbitterung mit. Kein Wunder, wird Mr. London, der übrigens tatsächlich so heißt, von der Fachpresse als handwerklich eher ungeschickter Lyriker beschrieben und gelegentlich als „Hipster Rapper“ verspottet. Und es stimmt ja auch, mit Hip Hop und Rap im herkömmlichen Sinn hat die Musik des sich selbst als Songwriter bezeichnenden MCs tatsächlich nicht mehr allzu viel am schicken Hut. Falsches Plattenfach, falscher Ärger.
„Timez“ ist vielmehr ein Popalbum, also so richtig Pop, nicht die Indie oder R&B-Auslegung davon. Es geht um ein jugendlich flottes Lebensgefühl und um alles andere als schüchterne Hooks und Clubbeats zwischen Euro und 80ies, die mit dem nötigen Rumms und einem tiefgelegten Nahkampfbass anschieben, während das Mädchen der Träume von Song zu Song wechselt und über diverse Jet-Set-Stationen kühle Drinks, guten Sex und ein bisschen Liebe bereitstellt („Wine & Chocolate“, „Girls Girls Money“). Theophilus ist 23 und viel, aber kein Kind von Traurigkeit und Emanzipation.
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Party Hop
"Timez" ist ein Party-Sixpack, das – und da sind wir bei einem der Talente des Herren London – weit weniger schnell abgestanden schmeckt, als man annehmen möchte. Im Gegenteil: Kickt man Stücke wie etwa „Why Even Try“ mit Sara Quin von Tegan & Sara nicht nach dreimaligem Shuffeln aus der Favoritenliste, setzen sich die Theophilus-Dinger ziemlich nachhaltig in der Festplatte zwischen den Ohren fest.
Christian Lehner
Christian Lehner
Christian Lehner
Theophilus London live @ Bowery Ballroom, Jan 2011.
Nu Breed and No School
Dass die Qualität trotz Rummelorientierung beständig über dem Black Eyed Peas-Niveau liegt, dürfte auch auserlesenen Knöpfchendrehern wie dem TV On The Radio Gitarrist und Soundtüftler Dave Sitek zu verdanken sein und GesangspartnerInnen wie der erwähnten Sara Quin, dann Holly Miranda, Devonte Hynes (Lightspeed Champion, Blood Orange) und Beyoncés feinfühligerer Schwester Solange Knowles.
Wie so viele jüngere Acts bewegt sich auch der in Trinidad geborene London in der frisch aufgerissenen Zone zwischen traditioneller Hip-Hop-Culture, Hipstertum, strauchelnder Mainstream-Industrie (das Album ist auf dem Warner Ableger Reprise erschienen) und einer mobilen und autark im Netz verwalteten Mitteilungszentrale (tumblr-blog, eh klar und Twitter). Dass es diesen Youngsters häufig nicht nur um künstlerische Neudeutung und Identität geht, sondern auch um die Erschließung frischer Geschäftsmodelle, dürfte dabei höchstens europäische Gemüter irritieren.
Christian Lehner
Theophilus London, March 2011.
Bei London ist der Hang zum Konsumgut besonders ausgeprägt. So flitzt er auf "Timez" als Handlungsreisender des edlen Tuches, der auserwählten Sonnenguckis und stylischen Schlapphüte um die Welt. Das gilt auch und insbesondere für die Musik, die er gegen Anerkennung von Kanye in Cannes, hoffentlich viel Cash und ein bisschen Liebe und mobiles Flirting eintauscht. „It’s all about capturing the moment“, lautet die catch-phrase eines furchtbar einsilbigen Interviews in Manhattan und der ewige Anspruch des Pop.
Yes Sir, hipster rap it is. Man muss diese Zuschreibung ja nicht unbedingt abwertend lesen.