Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Affige Apokalypse"

Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

10. 8. 2011 - 13:26

Affige Apokalypse

"Rise Of The Planet Of The Apes" versucht vergeblich an eine großartige Filmreihe anzuknüpfen, die vom Untergang der Menschheit auf sehr haarige Weise erzählt.

Ihr unzähligen, an Wochenenden und Feiertagen und zu unmöglichsten Zeiten arbeitenden digitalen Trickspezialisten, deren Namen nur Bruchteile von Sekunden im Nachspann aufflackern: Ich verbeuge mich. Ihr Burger mampfenden Nerds, die ihr mit dem Bildschirm und der Maus verwachsen seid, umgeben von anderen Nerds und dem Summen gigantischer Festplatten: Ich gebe mich geschlagen.

Noch 499 Tage?
Mittwoch, 10. August:
Der Weltuntergangs-
vorbereitungstag auf FM4

Wirkten mühselig errechnete CGI-Zaubereien jahrelang wie ein Affront für die Augen, gab es irgendwann einen Quantensprung in der Technologie, der alles verändert hat. Ohne virtuose Computeranimationen wäre weder epochale Megaepen wie "Avatar" noch aufregende Lo-Fi-Arbeiten wie "Monsters" denkbar. "District 9" kommt mir ebenfalls als Schlüsselfilm spontan in den Sinn, "The Curious Life Of Benjamin Button" oder zuletzt sogar Terence Mallicks Arthouse-Meisterwerk "The Tree Of Life".

Aber auch wenn an dieser Stelle nicht mehr zwangsläufig der nostalgische Flair von Latex, Make-Up-Kunst und tricktechnischer Handarbeit beschworen werden soll. Es gibt Ausnahmen.

Manchmal siegt die schundige Magie von Maskierungen aus der Mottenkiste eines Karneval-Shops über die teuersten Performance-Capture-Errungenschaften. Siehe den Planet der Affen und seine haarigen Bewohner.

"Planet Of The Apes" - Planet der Affen

Centfox

Geschichtsträchtige Tetralogie

Wir reden hier von einem mythischem Territorium, von einem heiligen Gral der Popkultur, vergleichbar mit den Ersatzreligionen rund um "Star Wars" und "Star Trek". Mit dem Science-Fiction-Thriller "Planet Of The Apes", nach dem gleichnamigen Roman von Pierre Boulle, gelang dem Regisseur Franklin J. Schaffner anno 1968 etwas ganz Besonderes. Die düstere Vision einer Welt, in der Affen über die Menschen herrschen, begeisterte gleichermaßen Genrefans, Kritiker und das Massenpublikum.

Die Vietnam-Krise und der Kalte Krieg, Rassenunruhen und atomare Ängste hatten damals im Genrekino tiefe Spuren hinterlassen. Anti-Utopien und Öko-Schocker wie "Soylent Green", "The Omega Man" oder Kubricks "2001 – A Space Odyssey" saugten den unruhigen, pessimistischen Zeitgeist auf.

Auch "Planet der Affen", nach langer umstrittener Vorproduktion realisiert, versteckte seine Anspielungen auf die Schattenseite des American Way Of Life nicht. Wie auch, bei der Parabel um einen Astronauten (Charlon Heston), der auf einem Planeten strandet, wo alles verkehrt läuft und intelligente Affen die archaisch-animalischen Menschen versklavt haben. Zuletzt, als der erschütterte Raumfahrer vor den Überresten der New Yorker Freiheitsstatue steht, wird ihm klar wo er via Zeitloch wirklich hinkatapultiert wurde: Zurück in die postnukleare Zukunft der Erde.

"Planet Of The Apes" - Planet der Affen

Centfox

Ironisch-böse Sozialkritik verpackt in Breitwand-Entertainment: Nur Naivlinge im Publikum dachten beim "Planet der Affen" und seinen vier Fortsetzungen an mehr Rechte für ihre armen Haustiere. In Wirklichkeit spielte der Film natürlich auf diskriminierte Minderheiten und Bürgerrechts-Demonstrationen an. Manche Analytiker dachten bei "Conquest of the Planet of the Apes" sogar an die Watts-Unruhen. 1965 war es in dem Stadtteil von Los Angeles zu schweren Ausschreitungen zwischen Polizei und afroamerikanischen Demonstranten gekommen.

Der seriöse Anspruch überholte sich jedoch bald. Spätere Generationen, die den Film und seine Sequels im Nachmittags-TV aufschnappten, amüsierten sich köstlich über die Masken, Kostüme und den bemüht aufklärerischen Spirit.

Allerdings blieb auch jede Menge Respekt übrig vor so viel filmischer Ambition. Und Faszination für die Art und Weise, wie die Affensaga weiterentwickelt wurde. Das Make Up geriet den Machern zwar immer schrottiger, die Schauspieler stümperhafter – aber als Ganzes betrachtet, ist die affige Tetralogie eine höchst spannende Angelegenheit. Schließt doch das Ende des letzten Teils "Battle for the Planet of the Apes" (1973) nahtlos an den Erstling an. The beginning is the end is the beginning - Zeitreisen machen's möglich.

"Planet Of The Apes" - Planet der Affen

Centfox

Tim Burtons „Reimagening“

"Ape Shall Not Kill Ape": Der Satz, der exklusive Streetwear-Stücke von Labels wie A Bathing Ape schmückt, der Film-Geeks das Herz klopfen lässt und Theoretiker zu politischen Analysen inspirierte, bewahrte seinen Nimbus lange. Während etwa das "Star Wars"-Phänomen an der Hysterie fast kollabierte, blieb der Kult um den "Planet der Affen" intakt.

Bis es 2001 ein gewisser Tim Burton wagt, die Welt der sprechenden Primaten wiederauferstehen zu lassen. Eigentlich einer der letzten großen Visionäre im dreckigen Box-Office-Biz gelingt dem Altgruftie doch nicht mehr als ein braver, actiongeladener Edel-Blockbuster. Wobei, Burtons "Reimagening" mag etliche Durchhänger haben, den Originalmythos kratzt er aber respektvoll nicht an.

The Prevolution - müder Affenzirkus

Das traut sich der allerneueste Versuch, die Affen-Apokalypse auf die Leinwand zu bringen, ebenso wenig. Der bislang unbekannte Regisseur Rupert Wyatt dreht in "Rise Of The Planet Of The Apes" die Zeiger allerdings wieder zurück, direkt an den Anfang. "Planet Der Affen: Prevolution", wie das Prequel vom deutschen Verleih kreativ betitelt wurde, setzt in unserer Gegenwart an und nicht auf einer verwüsteten Erde der Zukunft.

"Rise Of The Planet Of The Apes" - Planet der Affen: Prevolution

Centfox

Ein junger Gen-Forscher infiziert Affen auf der Suche nach einem Alzheimer-Heilmittel mit einem Virus, der zerstörtes Gehirngewebe wiederherstellt. Aber der Wissenschaftler, höchst unauffällig gespielt von Hipsterdarling James Franco, wird bald zum Nebendarsteller, wie auch alle andere Menschen in dem haarigen Eventmovie.

Caesar heißt der eigentliche Star, ein Schimpansenbaby, das durch den Virus zum Superaffen mutiert. Mit dem Hauptdarsteller beginnt aber auch das Problem. Wer sich, trotz aufwändigster Performance-Capture-Tricks, hinter denen der einschlägig erprobte Andy Serkis steckt, mit dem rebellischen Viech nicht identifiziert, wird wohl oft auf die Uhr schauen im dunklen Kinosaal.

Ganz aus der Sicht der Affen erzählt Regisseur Wyatt seinen Sci Fi-Thriller, der eher an den Pilotfilm zu einer TV-Serie erinnert. Die bissigen politischen Metaphern, mit denen die Originalserie gespickt war, gehen dabei großteils verloren, Anspielungen auf gentechnologische Bedrohungsszenarien gab es auch schon in beklemmender Form.

Aber auch die gruseligen Momente von Tim Burtons Version erreicht "Rise Of The Planet Of The Apes" nicht oder gar das gloriose Trashfeeling der Originalfilme. Hollywoods jüngste Dystopie ist ein etwas müder Affenzirkus geworden.

"Rise Of The Planet Of The Apes" - Planet der Affen: Prevolution

Centfox