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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

9. 8. 2011 - 00:36

Wall Street Fever

Lokalaugenschein nach dem großen Börsenminus vor der New Yorker Börse und am Union Square in Manhattan.

The AAA took my baby away

Wall Street

Christian Lehner

Noch kreisen keine Geier über der Wall Street. Sie tummeln sich am Boden, hantieren mit Mikrophonen und Fotokameras, sind Touristen oder Medienmenschen. Da ist ordentlich was los vor dem Tempel der abstrakten Werte an diesem ersten Börsentag nach der historischen Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die größte der drei großen Rating-Agenturen.

Wall Street

Christian Lehner

Die FM4-Morning Show will wissen, was die Wall Street-Börsianer über dieses, vor allem psychologisch schmerzende Downgrading denken. Deshalb bin ich hier. Das Problem an diesem heißen Sommermontag ist bloß, dass beinahe niemand zu ihnen gehören will. Von dutzenden Schlips und Kofferträgern mit geschwollenen Adern an den Schläfen, Sorgenfalten auf der Stirn und äußerst sportlichen Shades auf der Nase, sowie den Damen in ihren strengen Business-Dresses erhalte ich auf die Frage, ob sie an der Wall Street oder irgendwo im Finanzsektor arbeiten ein oft hastig hingeworfenes, aber doch bestimmtes "No!" zur Antwort. Das war doch einmal ein Traumjob - oder?

Die wenigen Auskunftsfreudigen beharren auf Anonymität oder blicken verstohlen über ihre Schultern, nachdem ich mich für ihre Einschätzung bedankt habe.

Wall Street

Christian Lehner

Es ist Lunch Break. Die Stimmung ist trotz Ausbleiben der großen Katastrophe alles andere als zuversichtlich, vor allem was die langfristige Perspektive betrifft. Der Dow Jones ist seit dem traditionellen Glockenschlag zur Tageseröffnung um 3% gefallen. Einer der Wall Street Guys meint nüchtern, dass es am Nachmittag noch dicker - also eigentlich dünner - kommen wird, spätestens wenn der Präsident gesprochen hat, das treibe nämlich den Markt in der Regel erst Recht ins Minus. So viel zum Vertrauen in die Politik. Der Börsianer sollte dann auch richtig liegen. Am Abend schließt der Leitindex mit mehr als 5% Miese. Der am Ende gar nicht mehr so nüchtern analysierende Wall-Street-Mann meinte abschließend, dass sich das System schon längst von selbst erledigt hätte und ein grundlegender "Reboot" nur noch eine Frage der Zeit wäre. Everybody owes too much.

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Main Street Struggle

Ebenfalls besorgt ist die Stimmung ein paar 6-Train-Stops weiter nördlich am Union Square. Ich treffe auf in staatlich geförderte Pensionsfonds 401(k) einzahlende Lehrer, eine angehende Jungunternehmerin und einen arbeitslosen Archivar, also auf so genannte common people. Hier lautet die Frage, ob das willkürliche Spiel mit den Rating-Zahlen einen konkreten Effekt auf das Finanzleben der durchschnittlichen BürgerInnen haben wird. Die Antworten sind typisch amerikanisch, also selbst in der negativen Einschätzung freundlich und zweckoptimistisch im Grundton.

Wall Street

Christian Lehner

Der große Unterschied zwischen den Wall Street- und Main Street Guys? Erstere haben den Crash wesentlich mitzuverantworten, wurden aber bisher weder zur Kassa gebeten noch zur Verantwortung gezogen. Und letztere sollen jetzt genau dafür gerade stehen, vor allem falls der mittlerweile von allen Seiten ungeliebte Budget-Deal umgesetzt wird. Obwohl er es sich gar nicht leisten kann, ruhen also dummerweise alle Hoffnungen auf dem Mittelstand und seiner Konsumfreude und Kaufkraft während das Wall Street Fever auch weiterhin unbehandelt wüten kann.

Wall Street

Christian Lehner

Die angehende Jungunternehmerin und Tanzlehrerin Big Tara fürchtet die Verteuerung von Krediten.

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