Erstellt am: 7. 8. 2011 - 15:35 Uhr
Song zum Sonntag: Alexander feat. RZA
- Hier gibt es "Truth" im RZA Remix zum kostenlosen Download.
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über den Song zum Sonntag macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Der Text ist harte Kost:
"Die Wahrheit ist, ich habe nie meinen Schatten abgeschüttelt, der mich zur Schlacht überreden versucht, der mich an die Front schickt, wehrlos und wenn du den Schmerz nicht aushältst, bist du nicht bei Bewusstsein... seitdem bin ich gewachsen, zu einer anderen Art Kämpfer geworden, lasse mich nicht hinter dem Zaun zum Vieh pferchen, wenn die Dunkelheit kommt, lass sie herein, denn meine Dunkelheit leuchtet, deine Dunkelheit leuchtet, ich habe Vertrauen zu mir selbst. Wahrheit."
... das könnte jetzt aus einem esoterischen "Erfolg im Leben mit Tao und Chi" - How-To-Book stammen, einem dieser ideologischen Selbstaufmunitionierungs- Ratgeber für postideologische Endfünfziger, scheinbar ideologiefrei, aber voll mit neoliberalem "Alle gegen Alle", verkleidet als "Erkenne dich selbst".
... und dann wird es wirklich eindringlich:
"Ich schwöre, dass ich versuche zu lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben lieben, lieben, lieben, lieben, lieben, lieben."
alexander
... insgesamt 36 (!) mal in der letzten Strophe ... wen haben wir hier vor uns? Johannes der Täufer, der sich gerne köpfen lässt, für die "Wahrheit"? Franz von Assisi? Augustinus, der keine Birnen mehr stehlen will? Sufi Ekstase? oder die heilige Theresa von Avilar im Orgasmusdelirium?
Ihr merkt : Der Text dieser seltsamen Hippie Nummer ist für mich jetzt nicht eben das ausschlaggebende Kriterium, das Lied in diese exklusive Kolumne zu hieven. Auch das schmierige "der krautstampfende Hippie als Nachfolger Christi"- Video ist es nicht.
Der Sound ist es.
Die Nummer ist ein Hit. Für mich vielleicht der Sommerhit bisher. Nicht umsonst von den geschmackvollen Music Supervisors von "Breaking Bad" zur Schlussnummer der Auftaktfolge der neuen Staffel erkoren. Ein zurückgehaltener, jazziger, ungerader Beat, eine unberechenbar eingesetzte Akustikgitarre, ein entzückender, gepfiffener Hook, ein Chor, wie er in "Brother Sun, Sister Moon" passen würde, ein tiefer, sanft gestreichelter Bass und eine Stimme, die die ganzen Affigkeiten mit einer Mischung aus Nebenbei-Nuscheln, Gieksen und dynamischem Schreien großartig vorträgt.
Das alles ist im Original schon in Ansätzen vorhanden und wird durch die zarte Handschrift des RZA , des vielleicht sensibelsten und offensten Producerohrs der Welt (dem das Kung Fu Geschwurbel im Text vielleicht sogar gefällt, wer weiß) noch abgerundet und bekommt durch seinen lässigen Rap und das zart überblasene Saxophon eine Eleganz, wie man sie seit Becks Dylan Sample und den vergessenen MePhiMe bei keiner Indie/HipHop Hochzeit mehr gehört hat. Und wie der Typ im Refrain seine Stimme ganz kurz zum Kreischen erhebt, glaubt man ihm sogar, dass "unsere Dunkelheit scheint".