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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

5. 8. 2011 - 16:59

Wie schön Beats und Gitarre zusammenpassen

Tag 1 beim Stuck! Festival: Casiokids, CREEP, WhoMadeWho und mehr.

An der Vorderkante des Synthesizers steht für alle gut sichtbar eine Ananas. Ganz genauso klingt auch die Musik der Casiokids, die am frühen Donnerstag Abend die große Halle beim Stuck! Festival im Salzburger Rockhouse eröffnen. Die Band aus Norwegen verquirlt schön billige Beats aus den namensspendenden elektronischen Spielzeugkisten mit Tropicalia, Afrobeat und allgemeinem Fruchtgeschmack.

CREEP

Lorena Meichelböck

CREEP

In der Live-Inkarnation ist die Band Casiokids zu sechst und unterfüttert ihre Musik - die ausnahmsweise wirklich einmal zu Recht als "Cocktail" bezeichnet werden darf - verstärkt mit allerlei Percussion, Gerassel und Geklopfe. Schön dabei auch, dass sich die Band nie einzig auf einem dumpf-schrillen Retro-Gag an nostalgischen Trash-Instrumenten ausruht, sondern den ganzen feinen Kabelsalat mit melancholischen Untertönen durchsetzt und auch richtig echte Songs schreiben kann - gute noch dazu.

Es ist schon erwähnt worden: Das Stuck! Festival ist exzellent gebucht, eine Verquickung von Beat-Forschung, Disco-Dancing und good ol' Indie-Gitarre und bewegt sich mit manch einem Programmpunkt vielleicht schon zu weit draußen im Fortschritt.

CREEP

Lorena Meichelböck

CREEP

Das großartige New Yorker Duo CREEP nämlich trifft mit seiner Musik gewordenen Klang-Molasse auf relative Ratlosigkeit im Publikum. Man muss bemerken, dass es also vielleicht doch diese Unterscheidung zwischen "Live-Band" und "Band-Zum-Zuhause-Im Bett-Anhören" gibt. Die Musik ihrer Band sei übrigens "Baby-Making-Music", meint Lauren Flax von CREEP. Neben Salem, oOoOO oder White Ring (was wurde aus denen?) waren CREEP eine der ersten Bands, die mit dem Witch-House-Stempel beglückt worden sind, was im Zusammenhang mit den zwei Damen bedeutet, dass hier dunkle Ambient-Schwaden und Blubber-Geräusche aus dem Säurebad um Restpuren von Dubstep, R'n'B und auch UK Garage angereichert werden.

Da und dort bearbeitet Lauren Flax - wenn sie gerade nicht die Drum-Machine rythmisch abtastet - ihre Gitarre und entlockt ihr Geräusche die im Spannungsfeld zwischen Shoegazing, Dream-Pop und The-Cure-Frühwerk liegen. Das ist alles sehr atemberaubend, wenngleich nicht die allergrößte Stimmungskanone. Auch style-technisch sind CREEP ganz weit vorne: Die Verbindung aus Leggings, hohen Doc-Martens und übergroßen Adidas-Jerseys bis zu den Knie-Kehlen plus gut abgeranzte Jeans-Weste aus dem Trailer-Park ist an diesem Abend nicht zu toppen. Im Bühnenhintergrund flackern mulmig-nebulöse Bilder über die Leinwand, die Vocals diverser Gast-Sängerinnen (Romy von The xx, das einstige Reggaeton-Duo Nina Sky) werden zugespielt, sonst bemühen sich CREEP mit Synthies und Knöpfe-Drehen soviel wie möglich ihrer Musik tatsächlich "live" über die Bühne zu bringen. Der Atem stockt, das Blut gefriert. Anfang nächsten Jahres soll das Debüt-Album erscheinen.

Mount kimbie

Lorena Meichelböck

Mount Kimbie
Vivian Girls

Lorena Meichelböck

Vivian Girls

Alle Fotos:
Lorena Meichelböck/ we-are-salzburg.com

Eine Österreich-Dauerkarte haben anscheinen Mount Kimbie. In jüngerer Vergangenheit hat man das englische Duo beim Elevate-Festival, beim Donau-Festival und beim Spring-Festival erleben können. Macht nix, ist immer wieder mächtig, und auch immer wieder eine Spur anders, was die zwei Herren aus den Geräten locken. An diesem Abende geben sich Mount "Post-Dubstep" Kimbie durchaus tanzbar und beat-technisch heftig bouncend. Auch die Casiokids und CREEP werden im Publikum gesichtet, die Köpfe nicken. Bitte immer wieder buchen.

Im kleinen Saal/der Bar des Rockhouses hat man in der Zwischenzeit Synthie-Pop von den Gruppen Friends Electric und I Heart Sharks beobachten können, als ein Höhepunkt des an Höhepunkten nicht armen Abends aber empfiehlt sich die hier und heute am traditionellsten "rockende" Band: Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang. Die Vivian Girls aus Brooklyn haben noch jede Bühne zerlegt. Besser als alle anderen Fuzzy-Buzzy-Bands der letzten Jahre, Best Coast, Dum Dum Girls, Frankie Rose, alle, lassen sie Sixties-Singalong-Sweetness und epochalen Schrammel-Punk, den sich vielleicht gerade einmal die Wipers hätten ausdenken können, ineinander aufgehen. Auf Platte nicht immer komplett erfolgreich, live umso mehr. Da wechseln sich kurz ins Publikum gefeuerte Humptata-Nummern mit ausufernden Soli ab, Zwiegespräche im Andenken an die Shangri-Las mit Nirvana'scher Gitarrenzerstörung. Bleach-Phase.

Vivian Girls

Lorena Meichelböck

WhoMadeWho

Lorena Meichelböck

WhoMadeWho

Der Headliner des ersten Abends ist WhoMadeWho, der Party-Garant. Vor kurzem ist ein neues Album bei der Kölner Techno-Instanz KOMPAKT erschienen, das etwas experimenteller ausgefallen ist und tiefer schürft als für die dänische Disco-Combo üblich, live kommt nach wie vor der an Gitarre, Bass und Drums zusammengebaute spröde Funk, der in erster Linie auf die Beine zielt, am Besten an.

Handsome Furs

Lorena Meichelböck

WhoMadeWhos Coverversion von Flat Erics "Flat Beat" ist auch nach Jahren noch ein Megahit, andernorts könnte man sich mittlerweile vielleicht schon am nur mäßig variantenreichen Sound der Band sattgehört haben. Solide WhoMadeWho sind ja aber auch schon sehr gut. Der Sänger spielt bisweilen seine Gitarre mit einem Ghettoblaster - in der Schrottplatz-Variante - was eventuell auch als ein sehr schönes Bild für die Musik von WhoMadeWho gelesen werden kann.

Den Abend beschließen die Handsome Furs im kleinen Saal. Möglicherweise mag man die Musik, die Alexei Perry und ihr Ehemann Dan Boeckner (of Wolf-Parade-Fame) da auf Platte bannen, kaum aufregend finden, in der konzertanten Live-Darbietung ist die Schwestenrschaft von Beats und Punk-Habitus ziemlich aus den Schuhen kickend. Iggy Pop ist jetzt Sänger bei Suicide und Bruce Springsteen lässt als Frontmann einer Synthie-Pop-Band die Gitarre zucken und die Kabel im Hals schwellen. "Ick lieben Salzburg", sagt Dan Boeckner, "that was pretty close, wasn't it?"

Das Stuck! Festival geht weiter: Freitag und Samstag mit u.a. Metronomy, Jools Hunter, FM Belfast, Apparat.

P.S: Die Casiokids treten heute, Freitag, im Wiener B72 auf.