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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

5. 8. 2011 - 12:07

Der diskrete Terror der Bourgeoisie

Im koreanischen Thriller-Remake "Das Hausmädchen" vermischen sich soziale und sexuelle Abgründe.

"Wir Koreaner sind die Südländer Asiens", behauptet mein Freund P. bisweilen mit einem ironischen Schmunzeln. "Eine bestimmte Zurückhaltung kollidiert bei uns mit feurigen Leidenschaften und ganz großen Gefühlen."

Kulturklischees hin oder her, das südkoreanische Kino gibt dieser Aussage recht. Filme von Regiemeistern wie Chan Wook Park, Joon-ho Bong oder Kim Ki-Duk pendeln immer wieder zwischen Momenten meditativer Stille und entfesselter Raserei, betreten in punkto Plot bisweilen tabuisierte Zonen, vor denen sich Hollywood kollektiv fürchtet oder überraschen schlicht mit Szenen lodernden Wahnsinns.

Wer Streifen wie "The Isle", "Memories Of Murder" und "Sympathy For Mr. Vengeance" gesehen hat oder sich an die Tintenfischszene in "Old Boy" erinnert, wird mir Recht geben.

Vor allem im Genre des Thrillers gehört Korea bekanntlich zu den führenden Filmnationen, egal ob es sich um ausgetüftelte Kriminalfilme handelt, heftige Horrorschocker, wüste Actionfantasien oder um beklemmende Kammerspiele. Zu letzteren zählt "Das Hausmädchen", im Original "Hanyo", der diese Woche in ausgewählten heimischen Programmkinos anläuft.

Hanyo - Das Hausmädchen

Thimfilm

Am Anfang stehen raue Digitalvideobilder, die ein einschlägiges Wackelkameraepos erwarten lassen. Regisseur Im Sang-Soo zeigt uns fast schon lapidar den Suizid einer jungen Frau, inmitten einer belebten koreanischen Metropole. Nach dem verstörenden Auftakt kehrt aber Ruhe in den Film ein, die anfängliche formale Rohheit weicht einer elegischen Eleganz.

Die zarte Eun-yi (Jeon Do-youn) eine der Zeuginnen des verstörenden Selbstmords, beginnt als Hausmädchen für eine schwerreiche Familie zu arbeiten. Luxuriös, aber eintönig wirkt der Alltag in den palastartigen Räumen der Villa. Bis sich eines Abends der junge Hausherr (Lee Jung-jae) an die neue Angestellte heranmacht, die sich von den verbotenen Fummeleien zunächst geschmeichelt sieht.

In regelmäßigen Abständen besucht der Geschäftsmann fortan das Dienstbotenzimmer, während daneben seine hochschwangere Ehefrau und die kleine Tochter schlafen und die ältere Hausdame schockiert lauscht. Als sich bei Eun-yi erste Anzeichen einer möglichen Schwangerschaft bemerkbar machen, spitzt sich die äußerst verhängnisvolle Affaire schnell zu.

Hanyo - Das Hausmädchen

Thimfilm

Werden normalerweise asiatische Filme für den westlichen Markt neu aufbereitet, basiert "Hanyo" selbst auf einem gleichnamigen koreanischen Filmklassiker aus dem Jahr 1960, der einen großartigen Ruf genießt. Regiegott Martin Scorsese verehrt diesen Streifen beispielsweise und kümmerte sich um dessen aufwändige digitale Restaurierung.

Was das Remake vom Original unterscheidet, ist eine gänzlich unterschiedliche Geschlechterpolitik. Nicht mehr aus der Sicht des Hausherren ist der Reigen der Obsessionen erzählt, sondern die aus ärmlichen Verhältnissen kommende Eun-yi steht im Mittelpunkt. An ihrer Figur aufgehängt, zeichnet Im Sang-Soo ein trostloses Bild vom gesellschaftlichen Gefälle im Korea der Gegenwart.

Einschlägige Verführungsszenarien kostet "Das Hausmädchen", bei aller scharfen Attacke auf die Machtverhältnisse, dennoch ausgiebig aus. Ganz bewusst sollen sich die sozialen und sexuellen Abgründe vermischen.

Was bei all den Ambitionen, durchkomponierten Tableaus und Vorbildern wie Claude Chabrol aber auf der Strecke bleibt, sind mitreißende Emotionen. So kühl wie die Atmosphäre in der Villa bleibt auch der Film selbst, bis zum aufgesetzt surrealen Ende. Brennen sich andere koreanische Gegenwartsstreifen in die Netzhaut ein, bleibt von "Hanyo" bloß die vage Erinnerung an einen geschmackvollen Arthouse-Erotikthriller zurück.

Hanyo - Das Hausmädchen

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