Erstellt am: 5. 8. 2011 - 02:32 Uhr
Fußball-Journal '11-81a.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit der nächtlichen Live-Beobachtung der letzten ÖFB-Chance auf eine brauchbare U20-Fußball-WM beim dritten Gruppenspiel gegen Ägypten.
Das Fußball-Journal '11-81b Was nach dem letzten Spiel Österreichs bei der U20-WM noch zu sagen wäre. Oder: der fehlende Matchplan overrult die eitle System-Poserei begleitet dann das Match.
Die bisherigen Journale zur U20-WM:
Fußball-Journal '11-77: Österreichs U 20 verliert 0:0. Das erste WM-Spiel offenbart alle Schwächen.
Fußball-Journal '11-76: Sich aus der Verantwortung nehmen - Start mit Vorbehalten.
Fußball-Journal '11-68; Was kann der heute fixierte U20-Kader für Kolumbien?
Fußball-Journal '11-64: Über jene Übeltäter und Prügelwerfer, die die WM-Teilnahme ganz bewusst behindern.
Fußball-Journal '11-56: Steinschlag auf dem Weg nach Kolumbien.
Fußball-Journal '11-39: Eine erste Auswahl für die WM in Kolumbien, oder: die Schmerzen des Andreas Heraf.
Fußball-Journal '11-34: Ausflug nach Cartagena. Die U20-WM beginnt heute Nacht.
Fußball-Journal '11-20: Die jungen Legionäre tragen die ÖFB-Nachwuchsteams.
Fußball-Journal '11-4: Zu früh ins Ausland. Über das Doppelpass-Spiel von Medien und Fußball-Akteuren.
In Europa hat sich für Österreich gerade eine perfekte Fußball-Woche ereignet. An der Oberfläche.
Das muss doch jetzt in Südamerika, bei der U20-WM in Kolumbien auch möglich sein. Eh auch nur an der Oberfläche.
Denn dieses Jahrgangsteam hat sich schon zweimal (einmal bei der Quali für die U19-EM und dann ebendort bei dieser kleinen Euro in Frankreich) noch auf den allerletzten Drücker am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen.
Bloß: die in diesen finalen und entscheidenden Spielen herausragenden Akteure sind heute Nacht nicht dabei. David Alaba und Raphael Holzhauser, Christoh Knasmüllner und Marco Djuricin fehlen, aus den unterschiedlichsten Gründen.
Die einzige Konstante, Teamchef Andreas Heraf, war in diesen Situationen nicht weiter aufgefallen - die entscheidenden Momente waren die, als ihm die genannten Spieler die strategische Marschroute aus der Hand nahmen.
Denn das, was Heraf sich vor den Spielen ausdachte, hat traditionell nie wirklich funktioniert. Egal, ob er es mit dem in Österreich üblichen uninspirierten flachen 4-4-2 oder dann später mit dem von Barcelona abgekupferten 4-3-3 probierte - an seinen Systemen lag es nicht.
Das merkt man nirgendwo so schön wie in Kolumbien, wo sein auseinandergezerrtes und nicht flügelorientiertes 4-2-3-1 die Chance gegen Panama mitverschuldete und sein aberwitziges 5-1-3-1 gegen Brasilien von Vornherein alle Hoffnung fahren ließ.
Die Oberflächlichkeiten der Systemspielereien
Wer nicht imstande ist, ein brauchbares Basis-System für seine Spieler zu finden (und Heraf doktort seit immer nur herum) und wer ständig Spieler auf Positionen verpflanzt, die definitiv nicht die ihren sind, werkelt für sich und seine Image-Kampagne als Trainerfuchs, anstatt für den Aufbau einer Mannschaft.
Dass die Ausreden-Kultur blendend funktioniert, zeigt sich in einer offiziellen ÖFB-Depesche, in der ernsthaft davon die Rede ist, dass es die Erkrankung des Reservespielers Rotpuller war, die Heraf zu seiner Systemänderung (also seiner grotesken Fünferkette) zwang. Das heißt, dass er eigentlich mit einer Viererkette mit vier Innenverteidigern antreten wollte - wie weiland der international so gebildete Constantini; und das heißt, dass alles getan wird, um auch den größten Unsinn durch Auslagerung auf 'Schicksalsschläge' zu rechtfertigen - ein klassisches Mittel der politischen Populisten.
Fakt ist, dass eine falsche Taktik, ein falsches System, zu langes Schleifenlassen wie von selbst zu Problemen führen.
Das war heute (und auch gestern) an den europäischen Abenden deutlich zu sehen. Denn da stimmte auch einiges nicht. Denn die perfekte Woche, die gibt es ja nur an der Oberfläche, einer sehr dünnen.
Die Oberfläche im heutigen Europa-League-Abend
Paul Gludovatz etwa, der Erfinder des 3-3-3-1, das Heraf im Brasilienspiel ein wenig gar plump zu kopieren versuchte, geriet deshalb in einen fast nicht mehr aufzuhaltenden Rückstand, weil er seine Dreier-Abwehr (auch aus Angst, weil er ihr nach dem Ausfall von Oliver Glasner nicht allzu viel zutraute) eng zusammenzog und so zu einerm Fünfer-Abwehr ausbaute. Erst als er diesen Fehler behob (ich will nicht im Detail ausführen, wie, es würde hier zu weit führen; es war taktisch spektakulär und zeigt, was sein Team im Notfall alles draufhat), kam Ried wieder ins Spiel retour.
Oder Karl Daxbachers völlig irres 4-1-irgendwas-1-Ding, sein heutiges System, in dem er Barazite, Jun, Junuzovic und teilweise auch Alex Grünwald einfach von der Leine ließ. Das ging nach Grünwalds unfreiwilligem Abgang dann fast in die Hose; erst ein finales, recht striktes 4-2-3 rettete den knappen Erfolg.
Selbst diese beiden schrammten knapp am Ausscheiden vorbei. Von der katastrophal in die Saison gestarteten Sturm-Truppe gar nicht erst zu reden. Die beherrscht plötzlich ihr ureigenes Spiel nicht mehr und ist nicht nur Liga-Letzter, sondern war, sowohl gegen Videoton als auch gegen Zestafoni, viermal die schlechtere Mannschaft; gewann durch massives Glück und dem im rechtzeitigem Aufbäumen enthaltenen Willen - entgegen ihrer Leistung.
Abgesehen von den ihren jeweiligen Gegnern klar überlegenden Salzburgern (die so unter Moniz einen Start-Ziel-Sieg abliefern werden) sind die von den reinen Ergebnislesern abgefeierten österreichischen Vereine nur an der Oberfläche Teile einer Erfolgsgeschichte.
Die Notwendigkeiten für das Ägypten-Match
Ich schätze, dass die U20 diesem Lauf folgen wird.
Sie wird gegen Ägypten irgendwie ein Unentschieden herausspielen und sich damit als bester Gruppendritter irgendwie ins Achtelfinale mogeln. Heraf und der ÖFB und die Medien-Claqueure werden das als Erfolg abfeiern und oberflächlich betrachtet auch rechthaben.
Im übrigen sagt der brasilianische Coach Ney Franco, der Österreich wohl nur einmal gesehen hat, nicht nur, dass er Ägypten als offensiver, physisch und technisch einschätzt und widerspricht damit Heraf, der glaubt der heutige Gegner werde zurückhaltend agieren. Franco sagt auch: "Andreas Weimann ist ein ausgezeichneter Stürmer, aber er braucht eine zweite Spitze neben sich." Er erkennt mit einem Blick die Schwachstelle des pseudobarceloneskes 4-3-3, mit dem Heraf auch heute wieder nur für die Galerie aufstellt.
Zuletzt, beim entscheidenden Quali-Spiel zur EM gegen Dänemark, und dann dort im letzten Gruppenspiel gegen die Niederlande waren es die anfangs genannten vier Spieler, die die Vorgaben beiseite schoben und das Spiel selber organsierten. Es wird an den anderen, die dort auch auf dem Platz standen und gesehen haben, was zu tun wäre, liegen, das Spiel an sich zu reißen und den von der Oberfläche in die Substanz hineinzutauchen.
<<< Die direkte Fortsetzung folgt in Fußball-Journal '11-81b: Was nach dem letzten Spiel Österreichs bei der U20-WM noch zu sagen wäre. Oder: der fehlende Matchplan overrult die eitle System-Poserei.